Von Geschlecht zu Geschlecht haben die Sterblichen gefragt: Woher kam das Böse? Was ist sein Ursprung? Selbst diejenigen, die in der Christlichen Wissenschaft die Allheit und Allgegenwart des Guten einigermaßen verstehen gelernt haben, sind wohl schon durch das sogenannte Problem des Bösen verwirrt worden.
Laßt uns über die oben erwähnte erste Frage: Woher kam das Böse? nachdenken. Diese Frage kann durch Folgerung mit Hilfe einer andern Frage beantwortet werden — der Frage: Woher kam die falsche Annahme, daß zwei und zwei fünf sei? Selbstverständlich kam sie nicht. Zwei und zwei ist nicht fünf, sondern vier. Vom Standpunkte mathematischer Wahrheit aus gibt es die Behauptung, daß zwei und zwei fünf sei, nicht. Dasselbe gilt für alle Rechenfehler. Sie haben kein tatsächliches Bestehen, keine Wesenheit, keine Gegenwart. Sie können nur als Unkenntnis der Zahlenwissenschaft — sozusagen als Rechenfabeln — angesehen werden.
Woher kam der Glaube, daß die Erde flach sei? Er kam nicht. Er hat keine Wirklichkeit. Die Erde ist nicht flach; sie ist rund. Sie war immer rund und wird zweifellos rund bleiben, so lange sie besteht. Der Glaube, daß die Erde flach sei, ist ebenso wie der Glaube, daß die Sonne auf- und untergehe, eine Trugvorstellung. Daher hat er kein wissenschaftliches Sein. Er ist ein Fehler, ein Irrtum ohne Grundlage, Ursprung oder Bestand. Wohl niemand, der diese Tatsache kennt, würde damit Zeit vergeuden, daß er sich fragt, wie der Glaube, daß die Erde flach sei, entstand. Wer physikalische Erdkunde kennt, kümmert sich daher überhaupt nicht um diese unkundige Annahme über die Erde noch um den Ursprung der Annahme.
Es ist im wesentlichen gesagt worden, daß Finsternis die vermeintliche Abwesenheit des Lichts sei. Wenn das Licht erscheint, verschwindet der Sinn der Finsternis, und wenn die Finsternis durch die Gegenwart des Lichts vertrieben ist, fragt sich niemand, wohin die Finsternis geht, noch kümmert man sich darum, woher sie kam. Ebenso kann man Irrtum als die Abwesenheit der Wahrheit, als das Gegenteil der Wahrheit bezeichnen. Aber absolut genommen, ist die Wahrheit nie abwesend; und sie kann kein Gegenteil haben, weil sie unendlich ist. Es kann nichts außerhalb der Unendlichkeit oder etwas ihr Entgegengesetztes geben. Die Wahrheit hat kein Gegengewicht. Wenn die göttliche Tatsache der Unendlichkeit der Wahrheit verstanden wird, hört der Glaube an die Wirklichkeit des Irrtums auf. Wohin geht der Irrtum, wenn er aus dem Bewußtsein verschwindet? Nirgendshin. Woher kam er, als er der Annahme nach gegenwärtig zu sein schien? Nirgendsher, weil es in Wirklichkeit keinen Ort und keine Zeit gibt, wo der Irrtum bestehen könnte oder je bestand. Er ist jetzt, was er immer war und stets sein wird: Trugvorstellung, Nichtsheit, ohne Substanz, Intelligenz, Gesetz, Tätigkeit, Selbsttätigkeit, Fortdauer oder Ursache.
Die Tatsache der Allheit Gottes erklärte der Prophet Jesaja wie folgt: „Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr; kein Gott ist außer mir”. Die Christliche Wissenschaft zeigt, daß Gott gut und unendlich ist. Daher gibt sie die befriedigendste Antwort auf alle Fragen nach dem Ursprung des Bösen, wenn sie erklärt, daß Gott, das Gute, das All in allem ist. Wir sehen somit, daß das Böse ohne Ursprung, Geschichte, Wirklichkeit, Wesenheit, Gegenwart oder Macht ist.
Das, was fragt: Was ist der Ursprung des Bösen? Woher kam es?, ist sicher nicht Gott, der sich Seiner eigenen Vollkommenheit und Unendlichkeit ewig bewußt ist. Es ist auch nicht der Mensch, der zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist und nichts wissen kann, was Gott nicht weiß. Das sogenannte sterbliche Gemüt stellt diese Fragen, und dieses Gemüt ist, wie Mrs. Eddy auf Seite 591 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt, „Nichts, das beansprucht, Etwas zu sein”. Nur dieses erdichtete sterbliche Gemüt, diese falsche Annahme von Intelligenz, die geltend macht, getrennt und unabhängig von dem unendlichen göttlichen Gemüt zu bestehen, stellt Fragen über das scheinbare Vorhandensein des Bösen oder nach dessen vermeintlichem Ursprung. Es ist einfach Irrtum, der sich über sich selber Fragen stellt.
Mit der ihr eigentümlichen Rücksichtnahme auf diejenigen, die das Problem, sich das Böse zu erklären, immer noch nicht zur Ruhe kommen läßt, schreibt jedoch Mrs. Eddy in „Miscellaneous Writings” (S. 346): „Es wird oft gefragt: Wenn Gott nur das Gute schuf, woher kommt dann das Böse? Auf diese Frage antwortet die Christliche Wissenschaft: Das Böse bestand nie als Wesenheit. Es ist nur eine Annahme, daß es eine Gott entgegengesetzte Intelligenz gebe”. Und auf Seite 311 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt sie: „Was wir sterbliches Gemüt oder fleischliches Gemüt nennen, welches von der Materie abhängt, um sich offenbaren zu können, ist nicht Gemüt. Gott ist Gemüt: alles, was Gemüt oder Gott ist, oder was Er gemacht hat, ist gut, und Er hat alles gemacht. Folglich ist das Böse nicht gemacht worden und ist nicht wirklich”.
Man sieht also, daß trotz des Anscheins, daß das Böse als Sünde, Krankheit, Armut, Zank, Streit, Krieg, Furcht, Verzagtheit, Zweifel oder Disharmonie irgend welcher Art gegenwärtig sei, die Tatsache feststeht, daß es unwirklich ist, weil Gott, das Gute, das All ist. Im Besitze dieser ermutigenden Kenntnis können die Christlichen Wissenschafter jeden Anspruch des Bösen mit der zuversichtlichen Gewißheit zurückweisen, daß sie fähig sein werden, seine völlige Unwirklichkeit und Ohnmacht genau in dem Maße zu beweisen, wie sie die Einheit des Guten verstehen.
