Als Hiob in seiner Not ausrief: „Ach daß ich wüßte, wie ich ihn [Gott] finden und zu seinem Stuhl kommen möchte”, faßte er das uralte Sehnen der Menschheit nach der Gewißheit von Gottes Fürsorge und Schutz kurz zusammen. Jesus zeigte seinen Jüngern, daß er dieses Sehnen erkannte, mit den Worten: „Viele Propheten und Gerechte haben begehrt zu sehen, was ihr sehet, und haben’s nicht gesehen, und zu hören, was ihr höret, und haben’s nicht gehört”. Seit dem Kommen Christi Jesu haben sich viele bemüht, Christen zu sein und die Lehren des Meisters zu befolgen; aber erst seit Mary Baker Eddy die Christliche Wissenschaft entdeckte und sie der Welt in dem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” gab, sind die Heilige Schrift und besonders Jesu Lehre so ausgelegt worden, daß wir ihre wissenschaftliche Anwendbarkeit auf alle leiblichen und sittlichen Bedürfnisse der Menschheit erkennen.
Die Christliche Wissenschaft ist der geistige Inhalt alles dessen, was die Bibel lehrt. Sie zeigt denen, die wie Hiob sich gesehnt haben zu wissen, wo sie „ihn finden möchten”. Allen, die das Verlangen haben, jene Dinge zu sehen und zu hören, von denen Jesus sprach, liefert die Christliche Wissenschaft den Beweis, daß sie in der Tat das Gesetz Gottes ist. Erkennen wir als Schüler dieser Wissenschaft in vollem Umfange, daß es unser Vorrecht ist, dieses Gesetz zu erfassen und als wahr zu beweisen? Sind wir uns völlig der Größe des Segens bewußt, daß wir in unserer Zeit sehen und hören können, was viele vor uns zu sehen und zu hören hofften, aber weder gesehen noch gehört haben?
Viele Einwände möchten uns davon abhalten, daß wir unsere Gedanken über die Nebel falscher Annahmen erheben und uns die heilende Macht der göttlichen Wahrheit vergegenwärtigen; aber es gibt keinen einzigen, der nicht durch gewissenhaftes Festhalten an den Regeln der Christlichen Wissenschaft Vertrieben werden kann. Wenn wir unser ganzes Verständnis täglich anwenden, erkennen wir immer klarer, daß der persönliche Sinn nicht wahrheitsgetreu über den Menschen zeugen kann, und wir finden es leichter, das Denken unerschütterlich auf das zu richten, was wirklich ist, Gott vollkommen gehorchen, heißt sich nur des Guten bewußt sein. Wir sollten zuversichtlich wissen und behaupten, daß unsere vollständige und ungeteilte Hingebung Gott gehört, und daß Sinnlichkeit unser Denken nicht irrig beeinflussen kann, wenn wir an der Wahrheit festhalten.
Der Forderung der Christlichen Wissenschaft, Gottes Gebote zu halten, können wir nie entrinnen. Früher oder später müssen wir die Verantwortung für unser falsches Denken auf uns nehmen und es berichtigen. Um das Gebot zu halten: „Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten”, müssen wir nicht nur unterlassen, unsern Nächsten falsch anzuklagen, sondern auch jede gegen den Menschen, gegen sein wirkliches Selbst, gerichtete falsche Anklage verneinen.
Dies wurde einer Schülerin in folgendem Falle bewiesen. Als sie ernstlich danach trachtete, ihr Denken bei der Vorbereitung auf den Kommunionsgottesdienst in einer christlich-wissenschaftlichen Zweigkirche zu reinigen, erkannte sie plötzlich, daß sie unbewußt ein Bitterkeitsgefühl gegen jemand gehegt hatte, der ihr scheinbar viel Kummer bereitet hatte. Sie hatte behauptet, daß sie diesem vergeben habe; aber nun erkannte sie, daß sie nicht immer wieder an die Kränkung denken würde, wenn sie vollständig vergeben hätte. Mit dieser Entdeckung von Irrtum in ihrem Denken begann sie demütig, jede Erinnerung an das scheinbare Unrecht aus ihrem Bewußtsein auszulöschen. Sie erkannte, daß es in Wirklichkeit keine Vergangenheit gibt, da „Zeit kein Teil der Ewigkeit ist”, wie Mrs. Eddy sagt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468). Dann gab es also nie eine Zeit oder einen Ort für eine Kränkung; denn die göttliche Liebe füllte immer allen Raum aus.
Als die Schülerin am Morgen nach dem Kommunionssonntag über die herrlichen Gedanken nachdachte, die sich ihr durch ihr hingebungsvolles Bemühen, mehr Geistigkeit widerzuspiegeln, entfaltet hatten, fühlte sie Plötzlich ein großes Erbarmen mit dem, der sie gekränkt hatte, über sich kommen, und mit Freudentränen erkannte sie, was es heißt, wirklich zu vergeben. Als sie über diese neuerwachte Liebe frohlockte, fiel ein kleines aber sehr häßliches Geschwür, das sie mehrere Jahre lang am Augenlid gehabt hatte, ab. Durch Zergliedern dieser Heilung konnte die Schülerin klar sehen, daß diese Bekundung von Irrtum oder falschem Denken durch die Reinigung ihres Bewußtseins von Bitterkeit ganz natürlich beseitigt wurde, weil in ihrem Denken nichts mehr war, das es nährte.
Geistige Wachsamkeit schließt den Mut in sich, aus dem Gedächtnisschrein alle mentalen Gerippe früherer Fehler oder Sorgen herauszuholen und sie als das zu sehen, was sie sind: Täuschungen des sterblichen Gemüts, die der Vergessenheit angehören. So schwer der Fehler oder so schmerzlich das scheinbare Leid auch gewesen sein mag, sie haben nie irgend welche Wirklichkeit gehabt, da das Böse mit allen seinen Ansprüchen nie bestanden hat außer für den persönlichen Sinn. Wir haben die Unzuverlässigkeit des Sinnenzeugnisses erkennen gelernt, daher ist es unentschuldbar, seine Ansprüche noch länger zuzugeben. Uns der gegenwärtigen Vollkommenheit des Menschen bewußt werden, heißt unser köstliches Erbe als Kinder Gottes erkennen.
Auf Seite 227 in Wissenschaft und Gesundheit finden wir eine überaus freundliche Einladung. Dort hat unsere geliebte Führerin geschrieben: „Bürger der Welt, nehmt die herrliche ‚Freiheit der Kinder Gottes‘ an und seid frei! Das ist euer göttliches Recht”. Sind wir uns unseres Vorrechts, diese gnädige Einladung anzunehmen, geistig bewußt?
