In unserer gegenwärtigen Erfahrung erscheint Freundschaft vielen von uns veränderlich und ungewiß. Einige scheinen wegen ihres Reichtums, ihrer Schönheit oder ihrer besonderen Gaben mit vielen Freunden gesegnet zu sein. Blicken wir aber ein wenig tiefer, so finden wir in diesen veränderlichen Anziehungen keine dauernde Grundlage für Freundschaft. Materieller Reichtum kann verschwinden, äußerliche Schönheit vergehen und persönliche Gaben können nicht mehr befriedigen. Wie steht es dann um Freundschaft? Sollen wir sie enttäuscht aufgeben? Die Christliche Wissenschaft kommt unserem beunruhigten Denken mit einem unwiderruflichen „Nein” zu Hilfe; denn Gott ist die Liebe, und Freundschaft ist eine göttliche Idee, die jedermann in seiner persönlichen Erfahrung beweisen kann.
Die Offenbarung der Christlichen Wissenschaft belehrt uns von neuem in unserem Suchen nach Freundschaft, und das Gebot, mit Gott zu beginnen, ist ewig dasselbe, ob das Ziel Glück, Gesundheit, Beschäftigung oder irgend eine andere rechte Idee ist. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 13) schreibt Mrs. Eddy: „Liebe ist unparteiisch und allumfassend in ihrer Anwendbarkeit und in ihren Gaben”. Der Schüler mag dann fragen, was denn die Kluft zwischen Beliebtheit und Unbeliebtheit so weit mache. Die heute in den Schulen und in der Literatur gelehrte und verbreitete Psychologie des menschlichen Gemüts sucht Mittel und Wege zur Erlangung dieses höchst wünschenswerten Zustandes, Beliebtheit genannt, zu erklären. Aber im Lichte der Christlichen Wissenschaft lernen wir verstehen, daß Beliebtheit nicht wahre Freundschaft ist. Oft besteht sie aus Eigennutz, Weltlichkeit, Persönlichkeit und menschlichem Willen. Freundschaft im höchsten Sinne ist rein geistig. Sie ist der Ausdruck der Liebe, die Gott ist, und die daher „unparteiisch und allumfassend” ist. Der Mensch als Gottes Ausdruck strahlt Freundschaft aus. Das Gute kommt zu uns von Gott, nicht von Persönlichkeit; daher finden wir Freundschaft oft dort, wo wir sie am wenigsten erwarten.
Eine junge Schülerin der Christlichen Wissenschaft sah sich vor das Problem gestellt, in ein von ihrer Heimat weit entferntes Erziehungsinstitut zu gehen, wo sie niemand kannte. Zuerst bemühte sie sich eine Zeitlang vergeblich, sich die Tochter einer befreundeten Familie als Zimmergenossin zu sichern; als ihr dies aber nicht gelang, wandte sie sich an Gott, wie sie von Kind auf gelehrt worden war. Sie wußte, daß dort, wohin sie gehen mußte, ebenso gewiß Menschen sein würden, die brauchten, was sie zu geben hatte, wie auch solche, die zu geben hatten, was sie brauchte. In der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß „es nur eine wirkliche Anziehungskraft, die des Geistes, gibt” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 102). Daher wußte das junge Mädchen, daß es nicht von persönlichem Reiz oder Reichtum abhänge, sich in dieser neuen Umgebung zurechtzufinden, sondern nur von Gottes allgegenwärtiger, immer zugänglicher göttlicher Regierung. Sie wußte, daß Freundschaft eine rechte Idee ist, und daß sie überall zu finden ist, wo Gott, das Gute, zum Ausdruck kommt. Da sie wußte, daß Gott überall ist, erkannte sie, daß es unnötig, ja unmöglich war, sich auszudenken, wer Seine Boten sein würden. Als Folge dieses inbrünstigen Bemühens, ihren Begriff von Freundschaft zu läutern, fand sie einen sehr günstigen Platz in der Schule, der zu einer dauernden Freundschaft führte. Diese Freundschaft brachte ihr viel Gutes, das sie nie erwartet hatte. Eine liebevolle Familie nahm das von der Heimat so weit entfernte junge Mädchen wie eine Familienangehörige auf und gab ihr im fernen Lande viele Jahre lang eine zweite Heimat.
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