Man macht in einem Geschäft, in der Kunst oder in einem Berufe keinen merklichen Fortschritt, wenn man nicht überzeugt ist, daß die Arbeit, mit der man sich beschäftigt, von tatsächlichem Wert ist. Man muß auch überzeugt sein, daß man sein Fach verstehen muß, und daß man unablässig bestrebt sein muß, seine Kenntnisse darin zu vertiefen und mit echter, aufrichtiger Absicht nach den ihm zugrunde liegende Regeln zu arbeiten. Die Notwendigkeit dieser Überzeugungen trifft ebenso für Religion zu; aber Religion wurde, allgemein gesprochen, als etwas angesehen, was in das Gebiet des Geheimnisvollen, der Glaubensbekenntnisse, der Förmlichkeiten und blinden Glaubens gehöre, wo Vernunft und Intelligenz wenig oder nichts gelten.
Mrs. Eddys Entdeckung, die Christliche Wissenschaft, enthüllt in den Lehren Christi Jesu genaue, geistige Wissenschaft. In dieser Wissenschaft haben wir eine Religion, die die beweisbare Wissenschaft des Lebens ist. Weil diese Religion geistig und beweisbar ist, fordert sie von ihren Anhängern zunehmende geistige Tätigkeit. Das Denken muß sich vom materiellen zum geistigen Sinn der Dinge, über die Annahme hinaus zum beweisbaren Verständnis erheben.
Wer die Christliche Wissenschaft durch blinden Glauben annimmt, aber nicht überzeugt ist, daß sie auf jedes menschliche Problem angewandt werden muß und kann, befindet sich in einer gefährlichen Lage. Unsere Führerin schreibt in „Rückblick und Einblick” (S. 54): „Es liegt Gefahr in dem Gedankenzustand, der Glaube genannt wird; denn wird die Wahrheit zugegeben, aber nicht verstanden, so kann sie verloren gehen, und gerade durch diesen Kanal des unwissenden Glaubens kann der Irrtum eindringen”.
Wir leben in unserem eigenen Denken; daher ist es überaus wichtig, daß unsere Gedanken erhaben, rein, selbstlos, barmherzig und sanftmütig sind. Von göttlichen Eigenschaften durchdrungene Gedanken sind von Freude, Glück, Gesundheit und Ruhe begleitet. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß wir die Fähigkeit haben, über unser Denken zu herrschen, es beständig geistig zu entfalten. Wir müssen beweisen, daß geistige Harmonie jetzt wahr ist, anstatt bloß zu glauben, daß sie eine künftige Möglichkeit sei.
Da die Christliche Wissenschaft auf den Lehren Christi Jesu beruht, ist es wichtig, zu erkennen, daß sein Heilungswerk von Gesetz und göttlicher Ordnung durchdrungen war; und aus diesem Grunde konnte seine Heiltätigkeit nicht verhindert werden und war überaus fruchtbar.
Geistige Erleuchtung enthüllt die von Jesus und der Christlichen Wissenschaft veranschaulichte Einheit des Christentums. Sowohl das Verständnis der Wissenschaft des Christentums als auch der Geist des Christentums sind für unsern Fortschritt unerläßlich. Sind wir felsenfest überzeugt, daß die göttliche Wissenschaft unumschränkt ist, und daß Aberglaube, blinder Glaube, Phantasterei und Zufall nichts mit ihr zu tun haben? Sind wir überzeugt, daß diese Wissenschaft heute ebenso wie zur Zeit Jesu bewiesen werden kann? Wenn nicht, dann hemmen wir uns, wenn wir versuchen, unsere Probleme durch die Christliche Wissenschaft zu lösen.
Jeder Schüler sollte überzeugt sein, daß die Christliche Wissenschaft nicht bloß eine auf einem Grundgesetz beruhende und von unveränderlichen Regeln regierte genaue Wissenschaft sondern eine göttliche Offenbarung ist, die durch den geistigen Sinn erkannt wird. Wer diese Wissenschaft erlernen will — und wir alle sollten bestrebt sein, sie verstehen zu lernen — muß ein mit Fleiß und mentaler Unversehrtheit verbundenes wachsendes Verlangen nach weiterer geistiger Entfaltung haben. Nach unserer Führerin war die Heilkraft der Jünger „das Ergebnis ihres höher entwickelten geistigen Verständnisses von der göttlichen Wissenschaft, die ihr Meister durch das Heilen der Kranken und Sündigen demonstrierte” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 271). Daß sie die Worte „höher entwickelt” gebraucht, ist beachtenswert; denn „höher entwickeln” bedeutet „durch Pflege, Arbeit oder Hingebung vervollkommnen, hegen”.
Nichts ist für unser Glück und unsern Fortschritt nötiger als die Überzeugung der immergegenwärtigen Güte Gottes und daß diese immergegenwärtige Güte jetzt zur Verfügung steht, die Leidtragenden zu trösten und vor Krankheit und Sünde zu schützen. Die Gottheit umfaßt die Menschheit, und was der Menschheit not tut, ist, die große Güte, die den Menschen vor allem Schaden bewahrt und ihn immerdar in der Unendlichkeit der Liebe erhält, im Herzen zu empfinden. Wir müssen uns der Gegenwart der göttlichen Liebe so bewußt sein wie Jesaja, von dem wir die Verheißung haben: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer. ... Du sollst durch Gerechtigkeit bereitet werden. Du wirst ferne sein von Gewalt und Unrecht, daß du dich davor nicht darfst fürchten, und von Schrecken, denn es soll nicht zu dir nahen”.
Daß die Macht des höchsten Guten heute nicht völliger angerufen wird, ist zweifellos einem Mangel an Überzeugung, daß man sich das göttlich Gute jetzt zunutze machen kann, und auch materialistischen Annahmen zuzuschreiben, die geistige Innewerdungen — die Engel, die uns Gottes Gegenwart verkünden — ausschließen. Vielleicht erwartet man auch nur materielle Wohltaten von der Christlichen Wissenschaft, anstatt sich geistig vorzubereiten, das geistig Gute zu empfangen, das immer vorhanden ist, wenn es die materiellen Sinne auch nicht sehen. Die Versorgung wird einem immer in dem Maße zuteil, wie man dafür empfänglich ist. Anstatt beständig an Mangel zu denken und sich immer mehr davor zu fürchten, sollte man seine Aufnahmefähigkeit andächtig erweitern. Dies gilt für jedes Bedürfnis. Wer vielleicht über einen scheinbaren Mangel an Freunden klagt, sollte seine Aufnahmefähigkeit für Freundschaft dadurch vergrößern, daß er Freundlichkeit erzeigt, ohne an Erwiderung zu denken. Was einen an anderen am meisten stört, kann vielleicht der Widerhall eines Mangels in einem selber sein. Ein ausgefülltes und glückliches Leben findet man im Widerspiegeln der göttlichen Eigenschaften.
Wir sollten die klare Überzeugung haben, daß das christliche Heilen nicht vom Menschen sondern von Gott ist; daß der sterbliche Augenschein von Krankheit und Tod eine Trugvorstellung des fleischlichen Sinnes ist, die durch das Gesetz Gottes zu vertreiben ist. Die Beweisführung oder Zergliederung des Falles im Denken des Ausübers dient einfach dazu, sein eigenes Denken über das Zeugnis der Sinne zu erheben, um seinen „Gedanken mit dem Geist der Wahrheit und der Liebe, der die Kranken und die Sünder heilt, in Einklang zu bringen”, wie es in Wissenschaft und Gesundheit (S. 455) heißt.
Zu den Gedankeneigenschaften, die unsere Führerin für erforderlich zum Heilen der Kranken erklärte, gehören selbstlose Liebe, Demut, Hingebung, Erbarmen, Mildtätigkeit, Friede, Geduld, Mitgefühl, Sanftmut, himmlische Erleuchtung, gesunder Menschenverstand, Furchtlosigkeit, Menschenfreundlichkeit und vor allem Geistigkeit. Aus Wissenschaft und Gesundheit lernt man auch, daß der menschliche Wille mit seiner Spannung und Anmaßung Krankheit hervorruft anstatt sie zu heilen. Unser geistiges Denken muß unerschütterlich und standhaft sein. Diese Eigenschaften sind das Ergebnis des Festhaltens am göttlichen Prinzip. Sie haben nichts mit eigensinnigem menschlichem Willen gemein, der lieber seinen eigenen als den himmlischen Weg geht.
Wenn man eine christlich-wissenschaftliche Behandlung gibt, wendet man sich rückhaltlos an Gott und von dem Krankheitszeugnis weg. Das Denken erhebt sich und sieht den Menschen so, wie er wirklich ist: als das geistige Kind Gottes, das immer im göttlichen Gemüt geborgen, immer eins ist mit dem Vater und jetzt so vollkommen ist, wie damals, als Gott den Menschen zu Seinem eigenen Bild und Gleichnis machte. Wenn der sterbliche Sinn des Menschen mit seinen Befürchtungen und falschen Annahmen aus dem menschlichen Denken schwindet, verliert man den Sinn des Irrtums, und so wird das Denken durchsichtig und läßt die immer gegenwärtige Liebe durch Heilung in Erscheinung treten.
Empfänglichkeit für das Gute, Erwartung des Guten und tätiges Aufrechterhalten des höchsten Guten sind für den Ausüber und den Patienten wichtig. Sowohl jeder Beweggrund und jede Handlung als auch unser Verhalten jeder täglichen Begebenheit gegenüber hat Einfluß auf unsere Fähigkeit zu heilen.
Sollten wir als Ausüber, wenn eine Heilung langsam vor sich zu gehen scheint, nicht tief in unsern Charakter blicken und sehen, was dort vielleicht der Läuterung bedarf, damit um des Patienten willen das Licht der Wahrheit heller durch uns scheine? Können wir dann dem Patienten nicht taktvoll und liebevoll helfen zu sehen, was er in seinem Charakter durch eigene hingebungsvolle Ansterngung vielleicht zu berichtigen hat?
Demütige Überzeugung von unseren geistigen Bedürfnissen trägt viel dazu bei, uns den Weg zu größerem Geistig-gesinntsein finden zu helfen. Durch nichts sollten wir uns unsern Fortschritt himmelwärts hindern lassen. Der Christliche Wissenschafter erwartet von sich und anderen eine beständige Wiedergeburt.