Da die Christlichen Wissenschafter verstehen, daß die Sterblichen der Annahme nach eher in einer Atmosphäre sterblichen Denkens als in einer materiellen Umgebung leben, ist es ihnen klar, daß sie ihr Denken gegen die herrschenden allgemeinen Annahmen schützen müssen. Gegenwärtig finden die Christlichen Wissenschafter es ratsam, der anmaßenden Einflüsterung, daß der Krieg unabwendbar sei, mental entgegenzutreten. Sie müssen wissen, daß sie durch die Kriegsfurcht, die sich ins Denken vieler Menschen eingewurzelt zu haben scheint, nicht mesmerisiert werden können.
Der Krieg ist nicht unvermeidlich, und er kann nicht vom Zaun gebrochen werden, wenn sich die Einwohner der verschiedenen Länder an die von Jesus in der Bergpredigt gegebene Richtschnur für christliches Betragen halten. Schlecht beratene Herrscher können die Völker durch selbstische Beweggründe oder durch böse Einflüsse, die sie nicht völlig verstehen, an den Rand des Krieges bringen; aber sie können sie nicht in den Krieg stürzen, wenn die Völker selber ihre Zustimmung und ihre Billigung vorenthalten. Eine beträchtliche Anzahl Nationen hat schon viele Jahre lang leinen Krieg geführt, und wenn dies ihnen möglich ist, ist es den anderen Völkern auch möglich. Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß trotz beständig zunehmender Rüstungen etwas die Völker im gegenwärtigen Augenblick vor einem allgemeinen Konflikt bewahrt hat. Ist es zuviel, diese Tatsache der göttlichen Kraft und dem zügelnden Einfluß geistiger Erleuchtung zuzuschreiben?
Mary Baker Eddy schrieb im Jahre 1908 (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 286): „Seit vielen Jahren bete ich täglich, daß es keinen Krieg, kein unmenschliches Morden unserer Mitmenschen mehr geben möge; daß alle Völker auf Erden und auf den Inseln des Meeres an einen Gott, ein Gemüt, glauben, Gott über alles und ihren Nächsten wie sich selber lieben mögen”. Obgleich es Tatsache ist, daß der größte Krieg in der Geschichte geführt wurde, seitdem diese Worte geschrieben wurden, so beweist dies doch nicht, daß ihre Gebete umsonst waren. Vielmehr läßt es die Notwendigkeit ähnlicher Gebete und wachsenden Vertrauens auf Mrs. Eddys Behauptung erkennen, die sie im gleichen Zusammenhang machte: „Nationale Uneinigkeiten können und sollten weise und gerecht schiedsrichterlich geschlichtet und vollständig beigelegt werden”.
Wenn die Christlichen Wissenschafter um das dauernde Aufhören des Krieges beten, müssen sie sehen, daß der Krieg im Grunde ein Zustand sterblicher Annahme ist. Der Krieg ist etwas, was nur der Annahme nach besteht, wenn er überhaupt geführt zu werden scheint. Er hat keine göttliche Wesenheit, kein wirkliches Dasein. Offenbar würde also, wenn der Glaube an die Notwendigkeit des Krieges vollständig aus dem menschlichen Gemüt entfernt werden könnte, diese entsetzliche menschliche Erfahrung den materiellen Sinnen nie kund werden. Aus diesem Grunde kann der Krieg durch Absonderung oder Isolierung nicht dauernd abgeschafft werden. Wie andere ansteckende Krankheiten muß auch der Krieg geheilt und die Furcht vor seiner Wiederkehr im menschlichen Bewußtsein vernichtet werden.
Jeder Krieg, sei es ein politischer, ein Wirtschafts- oder ein Religionskrieg, ist die Folge der Annahme, daß es viele Gemüter gebe, die verschiedener Ansicht sind und von widerstreitenden, selbstischen Beweggründen beherrscht werden. In Wirklichkeit gibt es nur ein Gemüt, und in Wahrheit ist nichts außer diesem unendlichen göttlichen Gemüt als Gedanke oder Bewußtsein tätig. In jenem Gemüt, das die Christliche Wissenschaft als das Leben, die Wahrheit und die Liebe enthüllt, gibt es nichts Kriegerisches, keine Ursache zu Kampf und Streit. Es gibt darin keinen Neid, keine Mißgunst, keinen Wettstreit und keine Furcht. Es gibt darin keine Habgier, keine Unehrlichkeit und keinen Betrug. In dem einen Gemüt, Gott, dem unendlich Guten, herrscht jetzt und immerdar ein vollständiger und ungestörter Sinn der Harmonie, der Gelassenheit, der Rechtschaffenheit, der Gerechtigkeit und des Friedens.
Letzten Endes findet der einzige Kampf, der ausgefochten wird oder ausgefochten zu werden scheint, im individuellen menschlichen Bewußtsein statt und besteht in dem Kampf zwischen Gut und Böse. Es ist der Kampf, von dem Paulus den Korinthern schrieb: „Die Waffen unsrer Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott, zu zerstören Befestigungen”. Und unsere Führerin schreibt über diesen Kampf (Miscellaneous Writings, S. 118): „Seid gutes Mutes; der Kampf mit sich selber ist etwas Erhabenes; er gibt einem reichlich zu tun, und das göttliche Prinzip arbeitet mit euch — und Gehorsam krönt unablässiges Bemühen mit ewigem Sieg”. Der Sieg in diesem Kampf wird nicht nur durch tätiges und unablässiges Bemühen, den Einflüsterungen des Bösen zu widerstehen, gewonnen, sondern auch durch das ruhige und überzeugte Verständnis der Oberhoheit und der Allgegenwart des Guten.
Die Christlichen Wissenschafter tragen durch ihr gewissenhaftes Erklären der Allgegenwart und der Allmacht des Guten und der daraus folgenden Vergegenwärtigung der Machtlosigkeit und der Unwirklichkeit des Bösen viel zur Verhütung des Krieges und zur Aufrichtung dauernden Friedens unter den Menschen bei. Jeder rechte Gedanke ist, weil er das unendliche Gemüt, die göttliche Liebe, widerspiegelt, allumfassend und stärkend. Mrs. Eddy sagte zu den Teilnehmern einer ihrer Klassen, die sie in der Christlichen Wissenschaft unterrichtete (Miscellaneous Writings, S. 279): „Wir heute in diesem Klassenzimmer sind genug, die Welt zu bekehren, wenn wir eines Gemüts sind; denn dann wird die ganze Welt den Einfluß dieses Gemüts fühlen”.
