Die Christenheit hat allgemein die Bibel als das feststehende Wort der Wahrheit und das Leben vieler darin erwähnter Personen als Veranschaulichung der Liebe und der Fürsorge Gottes für Seine Kinder anerkannt. Wenn sie aber praktische Führung suchte, hat sie sich oft abgewandt in der Annahme, daß die Verheißungen und Gebote in der Bibel nur den Alten galten.
Der erste Glaubenssatz auf Seite 497 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy widerlegt diese Annahme frei und offen. Sie schreibt: „Als Anhänger der Wahrheit haben wir das inspirierte Wort der Bibel zu unserem geeigneten Führer zum ewigen Leben erwählt”. Das Wort „geeignet” zog die Aufmerksamkeit einer Christlichen Wissenschafterin auf sich. Läßt es nicht erkennen, daß endgültige Führung in der Bibel zu finden ist? Damals war sie unentschlossen, welchen Weg sie einschlagen sollte. Sie hatte einen Beruf ergriffen, dem sie sich nie hatte zuwenden wollen; und beharrlich drängte sich ihr die Frage auf: Soll ich umkehren und mit einer andern Arbeit beginnen? Sie hatte das ernstliche Verlangen, daß ihr die Antwort gezeigt werden möge, eine Antwort, die alle Ungewißheit stillen würde.
Als sie die Glaubenssätze wieder durchlas, wurde ihr zum erstenmal gezeigt, wo sie geeignete Führung finden würde. Voll begierigen und andächtigen Vertrauens, daß sich die nächsten Schritte entfalten würden, ging sie an ihre Arbeit. Als sie an jenem Abend laut aus der Bibel las, fand sie die Worte: „Hörst du es, meine Tochter? Du sollst nicht gehen auf einen andern Acker, aufzulesen, ... sondern halte dich zu meinen Dirnen”. Und es folgte die Verheißung: „Dein Lohn müsse vollkommen sein bei dem Herrn, dem Gott Israels, zu welchem du gekommen bist, daß du unter seinen Flügeln Zuversicht hättest”. Dies war in der Tat ihre Antwort. Und sie war durch das Wort der Wahrheit gekommen, das Jahrhunderte früher eine andere wirksam geleitet hatte.
Wahrlich, die Wahrheit ist nie alt, das Leben nie untätig, die Liebe nie unwirksam. Indem sie nun ihre Laufbahn unter der Führung der Liebe fortsetzte, fand sie einen freudigen Dienst, der sowohl für andere als auch für sie selber zu Behaglichkeit, Fortschritt und Wohlergehen führte. Es entfalteten sich Freuden, von denen sie sich nicht hätte träumen lassen. Eingetretene Störungen wurden durch die ewige Tatsache des allgegenwärtigen Guten überwunden und beseitigt.
Lastet die Frage, welchen Weg man einschlagen soll, schwer auf dem Denken? Herrscht ein tiefes menschliches Sehnen nach jemand, mit dem man die mißliche Lage besprechen könnte, jemand, dessen Ansicht man schätzt? Ist man verärgert oder verdrießlich, daß man eine wichtige Entscheidung treffen soll? Dies sind die gewöhnlichen Vorwände des menschlichen Gemüts. Es ist eine sterbliche Neigung, sich der Verantwortung zu entziehen und dahinzutreiben oder den bequemsten Weg einzuschlagen, der oft schließlich nirgends hinführt.
Durch die ganze Verwirrung menschlichen Sehnens, Grämens und Verzagens hindurch kann man die Stimme der Wahrheit rufen hören: „Hörst du es, meine Tochter?” Wenn wir aufmerksam horchen, hören wir das „stille sanfte Sausen”. Oft lesen wir in der Bibel die aufweckenden Worte: „Höre, Israel”. Diejenigen, die sie hörten und antworteten, wurden geführt, wohltätige Arbeit zu leisten und ein Leben göttlich eingegebener Tätigkeit zu leben. Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 308): „Die seeleninspirierten Patriarchen vernahmen die Stimme der Wahrheit und redeten so bewußt mit Gott, wie der Mensch mit dem Menschen redet”. Besonders Abraham, Jakob und Elia erhielten göttliche Anweisungen; und sie gingen vorwärts und zweifelten nie an der Gegenwart und Macht des Guten, selbst wenn ihnen der Zweck ihrer Mission nicht sofort ganz klar war.
Die Betrachtung der Frage göttlicher Führung enthüllt, daß gewisse Eigenschaften unentbehrlich sind, wenn wir ihr Wirken zu unseren Gunsten erkennen wollen. Vor allem muß man sich bereitwillig belehren lassen, selbstisches menschliches Planen aufgeben. Demütig muß man die Unzulänglichkeit des nur auf materielle Tatsachen gegründeten Folgerns erkennen. Wenn diese Empfänglichkeit des Bewußtseins erreicht ist, wendet man sich unwillkürlich andachtsvoll an das göttliche Gemüt, bittend, daß die unfehlbare Intelligenz offenbar gemacht werden möge. Das Gebet hilft einem Furcht und selbstsüchtiges Streben ausschließen und auf das göttliche Gemüt horchen. Das achtsame Denken ist das empfängliche Denken, das leicht wahrnimmt, daß der allgegenwärtige Geist immer im wahren Bewußtsein wirkt.
Gehorsam ist oft als eine Eigenschaft angeführt worden, die zu Erfolg auf jedem Gebiet nötig ist. Der Christliche Wissenschafter muß der göttlichen Weisung willig folgen. Gehorsam zwingt einen, Eigenwillen, vorgefaßte Meinungen und persönliche Überspanntheiten aufzugeben. Persönliche Eigenart wird durch Gehorsam nicht unterdrückt; aber Persönlichkeit, ein falscher Sinn des Selbst, der oft von Herrschsucht begleitet ist, muß der Herrschaft der göttlichen Liebe weichen. Gehorsam öffnet dem Verständnis von Gottes allererhabenem Plan des Guten für alle Seine Ideen die Tür. Ordnung, Harmonie, Fortschritt und Freude sind das unvermeidliche Ergebnis liebevollen Gehorsams. Gehorsam bringt wahre Wahrnehmung, und Vertrauen auf das Ewige verhütet die Neigung, sich um die Zukunft zu sorgen oder zu ängstigen. Unsere Führerin schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 506): „Der ruhige und erhöhte Gedanke oder das geistige Erfassen ist im Frieden”.
Die reine Anerkennung des Guten, das schon kund geworden ist, ist eine sichere Einladung zu weiterer Wohltätigkeit. Dankbarkeit ist nicht nur eine freudebringende Eigenschaft, sondern sie ist auch von praktischem Wert. Das dankbare Herz, das Freundlichkeit schätzt und alles Gute erwartet, wendet sich naturgemäß an das eine Gemüt, und Führung und Schutz sind die sichere Folge. Gewiß hat jeder, der wahre Dankbarkeit empfunden hat, zugleich auch die sie begleitende Gewißheit der Allmacht des Guten gefühlt. Die gerechte Anerkennung empfangener Segnungen geht der Wahrnehmung größerer Wohltaten voraus. Dankbaren Herzens sang der Psalmist: „Er führet mich zum frischen Wasser”.
Bei unseren Tätigkeiten jede Gelegenheit wahrnehmen, die Eigenschaften des allwissenden Gemüts völliger auszudrücken, heißt unser Leben fortschrittlich und nützlich machen. Der Christliche Wissenschafter kann auf seinem Lebenswege oft innehalten und den stets liebevollen Ruf: „Hörst du es”, freudig bejahend erwidern. Wenn er in seinem Tun und Handeln die Wahrheit ausdrückt, beweist er, daß er hört und antwortet. Überdies zeigt sein Erfolg in würdigen Leistungen, daß die Führung der Liebe angemessen ist.
