Irrtum bloßstellen und ihn aufgeben sind zweierlei. Der Durchschnittsmensch, selbst wenn er ein Christlicher Wissenschafter ist, findet es viel leichter, Irrtum in anderen zu sehen und diese anzuklagen, weil sie sich davon beeinflussen lassen, als irrige Neigungen in seinem eigenen Denken aufzudecken und aufzugeben, d.h. ihre Wirklichkeit zu verneinen. Die Bloßstellung des Bösen kann zuerst kommen; aber das Aufgeben sollte unverzüglich folgen. Sucht man denen zu helfen, die das Opfer der Sünde sind, so ist es oft nötig, den Irrtum aufzudecken und zu rügen, ehe er vernichtet wird. Auf Seite 447 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt Mary Baker Eddy: „Stelle die Ansprüche des Bösen und der Krankheit in allen ihren Formen bloß und brandmarke sie, vergegenwärtige dir aber, daß ihnen keine Wirklichkeit innewohnt”.
Als Christus Jesus dem Widerstand gewisser Juden begegnete, die die Bedeutung seiner Worte: „Und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen”, nicht verstanden hatten, wies er sie zurecht mit den Worten: „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel. ... Wenn er die Lüge redet, so redet er von seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und ein Vater derselben”. Er hatte jedoch, ehe er seine Rüge äußerte, jede böse Erbschaft seinerseits verleugnet, indem er darauf bestand, daß Gott sein Vater sei. Jesu ganzes Wirken weist zahlreiche Fälle auf, in denen er das Böse bloßstellte und gleichzeitig dessen Unwirklichkeit bewies.
Die bösen Zustände, die heute in der Welt herrschen, sind von denen, die zu Jesu Zeit herrschten, nicht wesentlich verschieden. Das sterbliche Gemüt ist derselbe Teufel, dasselbe Böse, derselbe „Lügner”, wann und wo immer wir ihm auch immer begegnen. Und in einigen seiner anmaßenderen Erscheinungsformen scheint es sich heute in der Welt sehr offenkundig hervorzutun. Wir müssen Zustände mit ansehen, die so auffallend böse sind, daß es fast erschreckend ist. Wir sind daher versucht, sie heftig bloßzustellen, ohne den weiteren und wichtigeren mentalen Schritt des Verzichtens zu machen. Und doch schreibt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 451): „Die Christlichen Wissenschafter müssen unter dem beständigen Druck des apostolischen Gebotes leben, aus der materiellen Welt herauszugehen und sich abzusondern. Sie müssen auf Übergriffe, auf Unterdrückung und auf den Stolz der Macht verzichten”.
Zeitungsberichterstatter, Zeitungsschriststeller, Rundfunkredner und andere schreiben und reden viel über die entsetzlichen und gefahrdrohenden Zustände, denen wir ausgesetzt zu sein scheinen. Wegen der beständigen Aufeinanderfolge dieser schlimmen mentalen Bilder besteht für den, der nicht auf der Hut ist, die Versuchung, durch den Glauben mesmerisiert zu werden, daß sie wirklich seien. Daher sagen wir allzugern: „Wie schrecklich! Wie ungerecht! Wie empörend!” und lassen es dabei bewenden, anstatt die Lügen des sterblichen Gemüts bestimmt als völlig unwirklich zu verwerfen. Aber der Irrtum ist sowohl um unseres eigenen Seelenfriedens willen als auch zum Zweck der Förderung des Friedens der Welt zu verwerfen.
Sehr viel in der Beschreibung und der Darlegung der Weltzustände kommt eher einer Diagnose als einer Heilung gleich. Und doch ist das Heilmittel für alle Übel der Welt vorhanden. Es ist in den Lehren des Meisters und in deren Erklärung in den Werken unserer geliebten Führerin zu finden. Es kann zwar noch eine Zeitlang dauern, ehe diese Lehren allgemein angenommen und angewandt werden. Es kann sein, daß die Völker der Welt in dem Versuch, ihre Streitfragen zu erledigen, ihre Zuflucht wieder zur Waffengewalt nehmen; aber solche Versuche werden sich früher oder später als nutzlos erweisen.
Das einzige, was endgültig einen dauernden Sinn des Friedens und der Einigkeit unter Menschen und Völkern aufrichten wird, ist das Verständnis, daß es in Wirklichkeit nur ein Gemüt gibt, und daß es in diesem einen Gemüt keinen Raum gibt für Meinungsverschiedenheiten, Kampf, Streit, Argwohn, Mißtrauen, Haß oder Furcht. Im göttlichen Gemüt, das das einzige Gemüt des Menschen ist, gibt es auch keinen Raum für Habgier, Selbstsucht, Unehrlichkeit, Ungerechtigkeit, Grausamkeit, wahnsinniges Streben, Machtgelüste oder irgendeine andere Erscheinungsform bösen oder irrigen Denkens. Und wenn die Erde so voll dieser Erkenntnis der Wahrheit über das Gemüt und den Menschen ist, „wie Wasser das Meer bedeckt”, wird es keinen Krieg und keine Kriegsdrohung geben.
Da alle Besserungen beim einzelnen beginnen müssen, können die Christlichen Wissenschafter bei der Aufrichtung allgemeiner Gerechtigkeit und allgemeinen Friedens mithelfen, indem sie treu und beharrlich bleiben in ihrem Bemühen, Frieden und Harmonie in ihrem eigenen Denken dadurch aufzurichten, daß sie den Irrtum nicht nur bloßstellen, sondern auch aufgeben. Unsere Führerin schreibt (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 123, 124): „Als besonderes Volk, dessen Gott das All in allem ist, laßt uns mit Paulus sagen: ‚Wir werden nicht müde, sondern meiden auch heimliche Schande und gehen nicht mit Schalkheit um, fälschen auch nicht Gottes Wort; sondern mit Offenbarung der Wahrheit beweisen wir uns wohl an aller Menschen Gewissen‘”.
