Ralph war in die Korbballmannschaft der Realschule aufgenommen worden. Er war sehr stolz, daß ihm dies gelungen war, obgleich mehrere andere Knaben dachten, sie hätten ernannt werden sollen.
Als Ralph eines Abends von einem Spiel, in dem er eine wichtige Rolle gespielt hatte, nach Hause ging, wurde er vom Trittbrett des Straßenbahnwagens gestoßen, und als er stürzte, verstauchte er sich den Knöchel. Es schien ihm unmöglich, mit dem Fuß aufzutreten, daher hinkte er zum Randstein hinüber und setzte sich dort.
Der Knabe wußte, wer ihn vom Trittbrett gestoßen hatte. Als er aber dort saß und darüber nachdachte, erinnerte er sich Plötzlich der Lektion des vorausgegangenen Sonntags in der christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule. Seine Lehrerin hatte fast die ganze Stunde damit zugebracht, zu erklären und zu betonen, wie überaus wichtig es ist, das Böse unpersönlich zu machen, es von der Person zu trennen und dann seine Nichtsheit zu wissen und zu erklären. Sie hatte den Schülern gesagt, daß das Böse keine eigene Kraft hat, und daß wir ihm die einzige Kraft, die es zu haben scheint, selber geben, wenn wir es mit einer Person verbinden. Dies schien ihm damals ziemlich schwer verständlich; aber jetzt, als er dort auf dem Randstein saß, sah er sehr klar, was seine Lehrerin gemeint hatte. Gerade das hatte er getan. Er hatte Eifersucht und Neid mit zwei Knaben verbunden und so diesen Übeln die Kraft gegeben, ihn umherzustoßen. „Es waren gar nicht jene beiden Knaben, die mich vom Trittbrett stießen”, dachte er; „es war Eifersucht und Neid! Und was sind diese? Irrtum. Nichts, absolut nichts! Und wenn nichts mich von dem Trittbrett stieß, wurde ich ja gar nicht gestoßen!” So sehr nahm dieses Nachdenken seine Aufmerksamkeit in Anspruch, daß er aufsprang und schon fünf oder sechs Schritte gegangen war, ehe er erkannte, daß er ohne die geringste Schwierigkeit ging.
Dies ist vielleicht eine Lehre, die auch wir uns zunutze machen können. Verbinden wir nicht allerlei Formen des Bösen mit Personen und lassen uns dann umherstoßen? Mrs. Eddy beginnt ihren inspirierenden Aufsatz „Liebet eure Feinde” auf Seite 8 in „Miscellaneous Writings” mit der treffenden Frage: „Wer ist dein Feind, den du lieben sollst? Ist er ein Geschöpf oder ein Ding außerhalb deiner eigenen Schöpfung?” Um ganz wahr zu sein, müssen wir mit „Nein” antworten. Wir lesen im Evangelium des Johannes: „Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist”, und im 1. Buch Mose: „Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut”. Mit dieser göttlichen Erklärung kann der Christliche Wissenschafter versichert sein, daß außer Gott, dem Guten, und dem, was Ihn ausdrückt, nichts wirklich ist. Jede andere scheinbare Gegenwart ist nur eine falsche Annahme. Diese Trugvorstellung muß zerstört werden.
Hiefür gibt es vielleicht nirgends ein eindrucksvolleres Beispiel als in der biblischen Geschichte von Daniels Befreiung aus der Löwengrube. Als Daniel in die Grube geworfen wurde, hielt er es nicht für notwendig, daß die Löwen umgebracht werden. Trieb er nicht vielmehr Gedanken der Verbitterung, der Eifersucht, des Hasses, der Bosheit—Gedanken tierischen Wesens—aus seinem eigenen Bewußtsein aus und machte so die Löwen unschädlich? In der biblischen Geschichte heißt es: „Und sie zogen Daniel aus dem Graben, und man spürte keinen Schaden an ihm; denn er hatte seinem Gott vertraut”. „Keinen Schaden”! Daniel hegte keinen Groll, keine Verbitterung gegen diejenigen, die daran schuld waren, daß er sich dieser Probe unterziehen mußte, kein Selbstbedauern!
Wenn wir das nächstemal in Versuchung kommen, uns wegen Unfreundlichkeit oder vielleicht wegen ungerechten Tadels verletzt zu fühlen, sollten wir an Daniel denken; denn wir sehen den Grund, warum „man keinen Schaden an ihm spürte”, kurz zusammengefaßt in die Worte: „Denn er hatte seinem Gott vertraut”. Daniel vertraute auf Gott, vertraute, daß Gott in der Tat gut ist. Er lehnte es ab, dem Bösen dadurch Wirklichkeit, Macht oder Gegenwart beizumessen, daß er glaubte, daß es durch Personen oder Geschöpfe wirken könne.
In dem Verhältnis, wie wir erkennen, daß es nichts außer Gott und Seiner Widerspiegelung gibt, werden wir jene wunderbare Erklärung auf Seite 468 im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy verstehen können: „Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem”.
Ich kümmere mich um das, was meine Freunde glauben oder verwerfen, so wenig, wie es mich interessiert, ob sie arm oder reich sind; ich liebe sie.