Das sanfte Gebot Christi Jesu: „Sehet zu und erschrecket nicht” ist wie eine Stimme, die zu jedem spricht, in dessen Herz Furcht oder Bestürzung zu gelangen sucht. Blindes Hoffen auf das Gute oder Erwartung des Guten befreit die Menschen nicht von Beunruhigung. Nur wer den Grund solcher Befreiung sieht und geistig erkennt, wird inmitten scheinbarer Finsternis und Niederlage, scheinbaren Verlusts und Leidens stets vertrauensvoll, klarblickend und gelassen bleiben.
Jahrhunderte ehe Jesus diese Norm des Glaubens und das Verständnis der Allerhabenheit des Guten festgesetzt hatte, hatte der Verfasser des Buchs Hiob die aufrüttelnde Frage geäußert: „Wenn er Frieden gibt, wer will verdammen?” Dies ist in der Tat die eine Herausforderung an alles materielle Denken mit seiner Vorhersage menschlichen Vollbringens oder Mißlingens, von Belohnung oder Strafe, Gesundheit oder Krankheit, die auf Voraussetzungen gegründet sind, die Gott nicht anerkennen, Ihm nicht treu sind. Das göttliche Gesetz der Stille, des inneren Friedens und der Kraft wohnt dem Menschen als dem Zeugen und Vertreter Gottes unveräußerlich inne. In diese innere Festung der Seele kann keine Unruhe gelangen. Wer die Wirklichkeit, die Herrlichkeit des Werkes Gottes, erfüllt und vollkommen sehen will, wird kein stürmisches oder listiges Eindringen in seine Festung zulassen. Keine Annahme des sterblichen Zeugnisses darf seinen Blick trüben und seine Schutzwehr schwächen.
Auf Seite 276 in „Miscellaneous Writings” hat Mary Baker Eddy geschrieben: „Ich bete, daß alle meine Schüler ihre Lampen in Ordnung und zur Mitternachtsstunde brennend haben, daß kein einziger von ihnen Öl entlehnt und bei der Materie anstatt beim Geist Licht sucht oder irrtümlich arbeitet und so das geistige Licht ausschließt”. Und sie fügt hinzu: „Irrtum gibt kein Licht, und er verschließt sich selber die Tür”.
Der Verfasser des Buchs Hiob sah klar, wie der Inhalt des 34. Kapitels dieses Buchs zeigt, daß die von Gott verliehene Stille, deren Quelle und Verleihung gänzlich von sterblichen Fälschungen der Stille getrennt sind, nur der besitzt, der sieht, wo Macht und daher Verlaß zu suchen ist. „In Ordnung und brennend”, ermahnt uns unsere Führerin, müssen unsere Lampen sein. Und wenn wir dafür gesorgt haben, daß sie es sind, wenn unser Licht tatsächlich nicht durch Vernachlässigung oder Ungenüge trübe ist; wenn wir nicht erwarten, daß andere unsern Beweis für uns erbringen oder die Materie uns befreie, sondern uns an den Geist mit seiner göttlichen Versicherung der Allerhabenheit wenden, warum sollte dann „die Mitternachtsstunde”, ja sogar die dunkelste Stunde der Anmaßung des Bösen, uns zu beunruhigen, Furcht verursachen?
Laßt uns ernstlich, beständig, mit der Wachsamkeit, der Heiligung, der Hingebung, die die Haupterfordernisse sind für den, der ruhig bleiben will, bestrebt sein, daß wir zu dem Licht, das Befreiung, Gleichberechtigung, Erlösung für die Menschheit bedeutet, unser volles Maß beitragen!
Christus Jesus sagte seinen Nachfolgern nicht, daß sie nur aus Gottes Befreiung von allem, was beunruhigt, zu warten brauchen. Er hieß sie auf ihren Gedankenzustand achten. Nur geistiges Wahrnehmen bewahrt, sichert Unempfänglichkeit für Unruhe. Wir sollten uns dem Irrtum nicht einmal vorübergehend oder auch nur halbwegs unterwerfen. Wir dürfen keinen Augenblick, was auch die Lage sei, oder was für Forderungen an unsern Glauben und an unsere Ausdauer gestellt werden mögen, unser Licht ausgehen oder auch nur trüben lassen.
Beständig muß der Christliche Wissenschafter die Lampe, die seinen Pfad erhellt und anderen den Weg erleuchtet, nachfüllen und mit tiefinnerem Erforschen des Beweggrunds und der Absicht auf sie achten. Wie hätte Christus Jesus inmitten der Voraussage großen und schrecklichen Unheils, das über die Menschheit hereinbrechen würde, seinen Nachfolgern sagen können, daß sie zusehen sollen, daß sie nicht erschrecken, wenn er ihnen nicht das unfehlbare Heilmittel gegeben hätte? Andernfalls wäre sein Gebot ein leerer Hohn gewesen. Wie hätte unsere Führerin beten können, daß ihre Schüler inmitten materieller Finsternis ihr geistiges Licht bewahren möchten, wenn sie nicht überzeugt gewesen wäre, daß ihr Gebet erhört würde? Ja, wir wissen, daß ebenso wie der Verfasser der Offenbarung sah, daß alles Böse gestürzt und der Verkläger verworfen wurde und die Stadt Gottes, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfuhr, auch sie dies in bewußter gegenwärtiger Erfüllung seiner Botschaft und deren Bedeutung sah. Wir haben die Versicherung davon in ihren Worten auf Seite 574 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”: „Beachte, daß gerade die Botschaft oder der schnellbeschwingte Gedanke, welcher Haß und Qual ausgoß, auch die Erfahrung mit sich brachte, die den Seher zuletzt erhob, so daß er die große Stadt sah, deren vier gleiche Seiten vom Himmel gegeben sind und den Himmel geben. Denke daran, lieber Leser, denn es wird dir die Binde von den Augen nehmen, und du wirst die sanftbeschwingte Taube auf dich niederschweben sehen”.
Wer sich in einer „Mitternachtsstunde” durch Furcht und Niedergeschlagenheit, Schrecken und Rachsucht vorübergehend hat blenden lassen, wird sich erheben, wenn er mit erhöhtem, gereinigtem und gestärktem Denken den Ruf des Christus hört. Er wird das gewahr werden, was in der Stille geistigen Wissens nie beunruhigt werden kann; er wird wachsam sein, wie Jesus seine Nachfolger wachsam sein hieß, daß sein Blick trotz allem materiellen Augenschein, trotz jeder Erprobung seines Glaubens und Muts klar ist, weil die Binde des Glaubens an das Böse von seinen Augen genommen ist.