Ein kleines Mädchen und seine Mutter gingen eines Tags spazieren. Nach einer kurzen Strecke Wegs kamen sie an einen Platz, wo farbige Glasscherben umherlagen. Das kleine Mädchen bückte sich und hob einige Stückchen auf.
„O Mutter”, lachte sie, als sie sich ein Stückchen blaues Glas vor die Augen hielt, „ich sehe eine blaue Welt!”
„Eine blaue Welt?” erwiderte ihre Mutter. „Nimm einmal das braune Glas und sieh, was für eine Welt du dann hast”.
„Jetzt ist sie braun!” rief das Kind. „Nun wollen wir es mit allen Farben versuchen!”
Blaßrotes Glas zeigte eine blaßrote Welt, grünes Glas eine grüne Welt, dunkelrotes Glas eine dunkelrote Welt.
„Natürlich gibt es in Wirklichkeit nicht vielerlei Welten”, sagte das kleine Mädchen nachdenklich, „ich sehe sie nur so. Wahrscheinlich würde ich durch ein krummes Glas eine krumme Welt sehen”.
„Ja”, antwortete die Mutter, „und wenn es ein krankes Glas gäbe, würdest du eine kranke Welt sehen. Das ist eine der größten Lehren, die wir alle lernen müssen — immer recht zu sehen, selbst wenn unser menschlicher Blick das Gegenteil darzubieten versucht. Denn wenn unser mentaler Blick finster und umwölkt, durch Leid, Haß oder Furcht getrübt ist, sehen wir eine umwölkte, unglückliche, furchterfüllte Welt. Wenn unser Blick aber klar und hell ist und von Liebe und Freude erstrahlt, sehen wir eine Welt dieser Art.
„Betrachte mich durch deine farbigen Glasscherben und sieh, ob ich die Farbe wechsle”.
„Ja”, sagte das Kind, „du siehst anders aus”.
Liebevoll und nachdenklich, da sie einander sehr verehrten, sprachen sie dann über einige der Lehren, die sie beide in der christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule gelernt hatten: wie die Christliche Wissenschaft oder das Verständnis Gottes denen, welche die Lehren dieser Wissenschaft befolgen, jenen klaren, wahren Blick gewinnen hilft, der einen befähigt, die Vollkommenheit des Menschen und des Weltalls zu sehen, wie Gott sie sieht.
Sie setzten sich auf einen weichen Rasen, und die Mutter las dem kleinen Mädchen aus dem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mrs. Eddy die Erklärung vor (S. 476, 477): „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eigenes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken”.
„Hätte Jesus einen lahmen, kranken, blinden, verkrüppelten oder toten Menschen gesehen, so hätte er die Kranken nicht heilen können”, erklärte die Mutter.
Gott, das Gute, ist immer gegenwärtig und allmächtig. Gottes nie versagende Liebe und Beschützung, Seine unendliche Weisheit und Führung sind überall, allezeit und unter allen Umständen bei uns.
„‚Öffne mir die Augen, daß ich sehe’ ist für uns alle ein gutes Gebet, denke ich”, sagte das kleine Mädchen.
„Ja”, erwiderte ihre Mutter sanft, „und wahres Gebet wird immer erhört”.
Nur die Großherzigen können wahre Freunde sein; die Gemeinen und die Feigen können nie wissen, was wahre Freundschaft ist.—
