Es ist eine wohlverbürgte Tatsache, daß die Stellen über den Menschen im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy viele Leute inspiriert und reich gesegnet haben. Was die Menschen sich gesehnt haben, über sich zu hören — wozu sie fähig sind, was ihnen bevorsteht, was sie in Wirklichkeit sind — haben ihnen diese Stellen (S. 258:11 bis S. 260:22; S. 475:6 bis 477:22 und S. 336:11 bis 338:37 u.a.) wissenschaftlich gesagt; und sowohl die Botschaft als auch deren Ergebnisse sind gewöhnlich besser gewesen als alles, was sie nur gehofft hatten.
Mrs. Eddy nahm die im 1. Kapitel des 1. Buchs Mose angedeutete Tatsache, daß der Mensch zu Gottes Gleichnis gemacht ist, geistig wahr. Die ihr zuteil gewordene Offenbarung der Art Gottes war vollständig und enthielt daher keine Unklarheit über die Art des Menschen. Sie erkannte, daß Gott „unkörperliches, göttliches, allerhabenes, unendliches Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit und Liebe” ist (Wissenschaft und Gesundheit, S. 465), und sie sah, daß der Mensch der Ausdruck dieses unendlichen Prinzips ist.
Die unermeßlichen Folgerungen aus diesen erhabenen und doch so einfachen Begriffen entfalten sich in natürlicher Weise jedem, der sie sorgfältig beachtet. Das unendliche göttliche Prinzip kann in keinerlei Begrenzung zum Ausdruck kommen. Es ist daher klar, daß der Mensch in seiner wirklichen Art, also die wahre Eigenart jedes Menschen, durchaus nicht begrenzt ist. Da Gott das unendliche Gemüt ist, ist Unwissenheit unmöglich für den Menschen, wie er wirklich ist. Da Gott der Geist ist, hat die Materie mit allem Mißklang und Verfall — die nur Anblicke dessen sind, was dem menschlichen Sinn als Materie erscheint — keinen Teil an des Menschen Sein oder Bewußtsein. Und als der Ausdruck des unendlichen und vollkommenen Lebens ist der Mensch von Natur unempfänglich für den Tod, für Krankheit oder sogar für Gefahr und kann sie nicht kennen.
Indem wir so das Wesen Gottes und des Menschen als Seines Ausdrucks oder Seiner Widerspiegelung betrachten, entfalten sich unser Verständnis und unsere Würdigung der göttlichen Wirklichkeit weiter.
Gewisse Fragen erheben sich natürlicherweise, und die Antworten kommen leicht durch die Christliche Wissenschaft, wenn man immer willig und begierig ist, sie zu finden.
Wo z.B. ist der Mensch als Gottes Widerspiegelung? Es ist klar, daß er in keiner Weise von Gott getrennt sein kann. Es kann nichts außerhalb der Unendlichkeit geben. Der Mensch als Kundwerdung oder Idee hat sein Sein ewig im Gemüt, in Gott. So werden solche inspirierenden Erklärungen wie die im 2. Buch Mose: „Mein Angesicht soll vorangehen; damit will ich dich leiten”, und die von Christus Jesus: „Und der mich gesandt hat, ist mit mir” als klare Behauptungen der Wissenschaft erfunden. Gott ist immer mit dem Menschen, Seiner Kundwerdung.
Das Gemüt braucht in der Tat nichts, was von ihm getrennt ist, um sich zu bekunden. Gerade durch seine Art bekundet es sich, und seine Bekundung seiner selbst ist der Mensch. „Der unsterbliche Mensch”, schreibt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 336), „war und ist Gottes Bild oder Idee, ja, der unendliche Ausdruck des unendlichen Gemüts, und der unsterbliche Mensch besteht zusammen mit diesem Gemüt und ist gleich ewig mit ihm”.
Ist dann der Mensch bloß an einem Punkt im Raum oder etwas Ähnlichem? Ist er in begrenztem Sinne örtlich oder irgendwie beschränkt im Sein oder in der Erkenntnis? Wir sehen, daß dies unmöglich ist. Das Gemüt kann nirgends ohne seine Kundwerdung sein, und der Mensch muß die Allgegenwart des Gemüts ausdrücken. Jede Schwierigkeit, die man über diesen Punkt zu haben glaubt, wird beseitigt, wenn man erkennt, daß der Mensch kein körperlicher Sterblicher, kein begrenztes Gemüt in einem begrenzten Körper ist, sondern daß Bewußtsein — das Bewußtsein des unendlichen Gemüts, das er widerspiegelt — sein Sein bildet. So zeigt es sich, daß er so wenig begrenzt oder endlich ist wie sein Denken, das durchaus nicht endlich ist — eine Tatsache, die dem menschlichen Sinn durch die Reichweite des menschlichen Gedankens in gewissem Maße veranschaulicht wird. „Wer im Guten lebt”, schreibt Mrs. Eddy (Pulpit and Preß, S. 4), „lebt auch in Gott — lebt in allem Leben, durch allen Raum”.
Blickt dann der Mensch in seinem wirklichen geistigen Selbst zu Gott empor? Wir sehen, daß er es nicht tut. Zu Gott emporblicken, kann in der menschlichen Erfahrung in der Tat nützlich und nötig sein. Gewiß ist es besser als sich für nichts Höheres oder Wahreres zu interessieren, als was in der unerleuchteten menschlichen Anschauung erscheint. Aber selbst dieses Emporblicken, wenn es recht geschieht, ist nur ein Schritt im Erwachen zu der erhabenen Tatsache, daß der Mensch ewig dort ist, wo Gott ist — daß er ewig mit dem göttlichen Leben, der göttlichen Wahrheit und der göttlichen Liebe zusammenbesteht. Er blickt daher nicht zu Gott empor, sondern sieht als Gottes Widerspiegelung das, was Gott sieht. Gott ist sein Gemüt.
Die Erkenntnis dieser inspirierenden Wahrheiten über den Menschen stellt natürlich keine Abweichung von der Demut dar. Sie bedeutet vielmehr deren Annahme. Denn eine solche Erkenntnis ist in Wirklichkeit die Anerkennung der unumschränkten Allheit Gottes und die Verneinung eines von Gott getrennten Selbst. Dies ist die wahre Demut, die Christus Jesus in seiner Erklärung: „Ich und der Vater sind eins” bekundete, und deren Übereinstimmung mit Herrschaft er bewies.
Auf die unermeßlichen praktischen Wohltaten, die sehr vielen Christlichen Wissenschaftern zuteil geworden sind, und die durch wissenschaftliches christliches Verständnis des Menschen als Gottes Gleichnis allen Menschen zugänglich sind, weist Mrs. Eddy mit folgenden Worten (Wissenschaft und Gesundheit, S. 265) hin: „Die Sterblichen müssen zu Gott hinstreben; ihre Neigungen und Ziele müssen geistig werden — sie müssen sich den umfassenderen Auffassungen vom Sein nähern und etwas von dem eigentlichen Sinn des Unendlichen gewinnen — damit sie Sünde und Sterblichkeit ablegen können. Diese wissenschaftliche Auffassung vom Sein, welche die Materie für Geist aufgibt, deutet keineswegs darauf hin, daß der Mensch in der Gottheit aufgeht und seine Identität einbüßt, sondern diese Auffassung verleiht dem Menschen eine erweiterte Individualität, eine umfangreichere Sphäre des Gedankens und der Tätigkeit, eine umfassendere Liebe, einen höheren und dauernderen Frieden”.
