„Und es erhob sich ein Streit im Himmel: Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen; und der Drache stritt und seine Engel, und siegten nicht, auch ward ihre Stätte nicht mehr gefunden im Himmel”. Bibelleser mögen manchmal verblüfft gewesen sein, daß nach diesen Versen aus der Offenbarung des Johannes „Streit im Himmel” sein konnte, da der Himmel doch allgemein als ein Ort oder Zustand vollständiger Harmonie gilt.
Insbesondere Christliche Wissenschafter mögen sich über diese Bibelstelle gewundert haben, weil Mary Baker Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 587) „Himmel” auslegt als „Harmonie; die Herrschaft des Geistes; Regierung durch das göttliche Prinzip; Geistigkeit; Glückseligkeit; die Atmosphäre der Seele”.
Es ist klar, daß es in einem vom göttlichen Prinzip regierten Bewußtseinszustand keinen Platz für Krieg oder Streit irgendwelcher Art gibt, und daß daher alles Kriegerische, das vorhanden zu sein scheint, nicht im geistigen Reich des reinen, göttlichen Bewußtseins, sondern in einem mutmaßlichen Reich des sogenannten menschlichen Bewußtseins vorkommt.
Vom Standpunkt der unbedingten Wahrheit oder Wirklichkeit aus gesehen ist alles, was Krieg genannt werden kann, eine unwirkliche Annahme des sogenannten sterblichen oder fleischlichen Gemüts, das Paulus als „Feindschaft wider Gott” bezeichnet. Alles, was dieses fleischliche oder sterbliche Gemüt weiß oder zu wissen glaubt, einschließlich seines Glaubens an das Vorhandensein von Streit und Disharmonie, ist unwirklich.
Aber Mrs. Eddy schreibt vom Standpunkt der menschlichen Erfahrung aus (Miscellaneous Writings, S. 118): „Seid gutes Muts; der Kampf mit sich selber ist erhaben. Er gibt einem reichlich Beschäftigung, und das göttliche Prinzip arbeitet mit euch,—und Gehorsam krönt beharrliches Bemühen mit ewigem Sieg”. In diesem Kampf mit sich selber — mit dem falschen Glauben, daß es ein Selbst getrennt von dem, das Gott ausdrückt, gebe — finden die Sterblichen reichlich Gelegenheit, den anmaßenden Einflüsterungen des materiellen Sinnes entgegenzutreten und sie zu überwinden. In diesem Kampfe muß man sich beharrlich und gewissenhaft darauf verlassen, daß außer der einen unendlichen Intelligenz, dem göttlichen Gemüt, dem Leben, der Wahrheit und der Liebe tatsächlich nichts als Macht oder Wirklichkeit gegenwärtig ist oder gegenwärtig sein kann.
In Besprechung der Bibelstelle, mit der dieser Aufsatz beginnt, schreibt unsere Führerin (Wissenschaft und Gesundheit, S. 566, 567): „Das Alte Testament weist den Engeln, den göttlichen Botschaften Gottes, verschiedene Ämter an. Das Kennzeichen Michaels ist geistige Stärke. Er führt die himmlischen Heerscharen gegen die Macht der Sünde, gegen den Satan, und kämpft die heiligen Kriege. Gabriel hat die friedlichere Aufgabe, einen Sinn der Allgegenwart der dienenden Liebe mitzuteilen”. Und in unserer menschlichen Erfahrung kann sich die durch Michael veranschaulichte geistige Stärke oft als das erweisen, was uns am meisten not tut, den Sieg über die anmaßenden Vorwände des fleischlichen Gemüts zu gewinnen, die uns zu entmutigen und unsere gerechten Anstrengungen, die Unwirklichkeit und Machtlosigkeit der Sünde und der Krankheit zu beweisen, zu vereiteln trachten.
Es ist jedoch nicht das Ringen mit dem Irrtum und seinen Vorwänden, was uns befähigt, diese zu überwinden und so ihre Machtlosigkeit zu beweisen, sondern die bewußte Vergegenwärtigung der Allheit, der Allgegenwart der göttlichen Liebe. Gelassenes, ruhiges, freudiges Wissen der Allgegenwart, der Alltätigkeit des unendlich Guten wird schließlich die völlige Unwirklichkeit und Machtlosigkeit von allem beweisen, was dem Guten unähnlich ist. So finden wir, daß uns Gabriel dadurch zu Hilfe kommt, daß er „einen Sinn der Allgegenwart der dienenden Liebe mitteilt”. Bewußtes Gewahrwerden der Gegenwart der Liebe schließt die Möglichkeit des Glaubens aus, daß Haß, Furcht, Zorn, Groll und Rache gegenwärtig seien oder tatsächlich Macht, Wesenheit oder Gemüt haben. Wirkliches Bewußtsein ist das Gemüt; und das eine unendliche Bewußtsein, das wir Gott, das Gute, nennen, anerkennt nicht, daß es etwas gebe, was ihm unähnlich ist.
Der Mensch, der Ausdruck Gottes, kann sich nicht des Vorhandenseins von etwas bewußt sein, was Gott, das göttliche Gemüt, nicht kennt. Daher kennt der Mensch, die Widerspiegelung Gottes, nichts, was nicht die unbedingte, vollkommene, geistige, unsterbliche Art seines göttlichen Prinzips, der Liebe, ausdrückt. Aus diesem Grunde kennt der Mensch weder Sünde, Krankheit, Haß, Furcht, noch irgend einen der unharmonischen Zustände, die die Menschen in menschlichen Streit zu verwickeln scheinen.
Um sich des Vorhandenseins von etwas bewußt zu sein, was seinem göttlichen Prinzip unähnlich ist, müßte der Mensch ein Gemüt haben, das von Gott, dem unendlichen göttlichen Gemüt — dem einzigen Gemüt — getrennt ist. Und das ist undenkbar; denn das allwissende Gemüt, Gott, ist die eine schöpferische Kraft, daher die einzige Quelle und der einzige Ursprung der Fähigkeit des Menschen, zu wissen. Der Mensch ist sich nur dessen bewußt, worin sein wahres Sein als Ausdruck Gottes besteht.
