Zwei Bekannte begegneten einander in Neuyork. Der eine fragte den andern im Vorbeigehen, wo er logiere. Da dieser sah, daß sein Frager nicht wirklich auf seine Antwort horchte, antwortete er scherzweise: „Ich logiere in Madison Square Garden”. Der unachtsame Frager rief im Weitergehen zurück: „Ich werde dich morgen anrufen”. (Manche in Neuyork nicht bekannte Leser mögen nicht wissen, daß Madison Square Garden kein Hotel ist. Es ist Neuyorks größtes Versammlungsgebäude.)
Manchmal scheinen wir zu horchen, aber nicht zu hören. Neulich bat ich die Telefonauskunftstelle um eine Nummer, die mir ganz klar gegeben wurde. Aber ich fand, daß ich um Wiederholung der Nummer bat, und ich erinnerte mich, daß ich dies auch früher getan hatte. Warum? Weil ich nicht gehorcht hatte. Viel Zeit wird vergeudet, und viel Nützliches wird nicht gehört, weil wir nicht horchen. Dies trifft besonders zu, wenn wir nicht auf die Stimme Gottes in uns, auf die „stille sanfte Stimme” der Eingebungen der Liebe und der Führungen des Gemüts — die eine intelligente führende Kraft für den Menschen — horchen. Was ist das Gewissen anders als Seine Stimme?
Eine Schriftstellerin, deren Schriften vielen Leuten viel Inspiration gaben, wurde gefragt, wie sie so oft und so hilfreich schreiben könne. Sie antwortete: „Ich habe horchen gelernt”. Sie hatte durch die Christliche Wissenschaft gelernt, daß das Gemüt, Gott, zu Seiner Kundwerdung, dem Menschen, spricht; daß diese allintelligente Gegenwart nie unhörbar, sondern immer hörbar, fähig und willig ist, dem Menschen die positiven, rechten Ideen mitzuteilen, die sein natürliches Sein sind.
Wir haben die Bibel, weil Männer und Frauen in früheren Jahrhunderten willig waren zu horchen, was Gott dem Menschen mitteilte und offenbarte. Mose mußte horchen lernen, ehe er die Israeliten aus Ägypten führen konnte. Als er früher einen Ägypter wegen Mißhandlung eines Israeliten erschlug, gab er einem gemütlosen Antrieb nach, statt auf das Gemüt zu horchen. Aber nach jahrelangem Aufenthalt mit Jethros Schafen in der Wüste, mit Gelegenheit zu ruhigem Nachdenken, wurde Mose demütig genug, auf die Stimme des großen Hirten zu horchen. Er hörte die Aufforderung, nach Ägypten zurückzukehren und seine Leute auszuführen. Er hörte Gottes Rat, wann und wie er handeln, was er reden und wie er ihre Befreiung vollbringen sollte. Als sich während ihrer jahrelangen Wanderung scheinbar unlösbare Probleme darboten, fragte Mose, und Gott antwortete. Mose empfing die Gebote, weil er auf den einen Gesetzgeber horchen gelernt hatte.
Aber Gott spricht nicht zu einem oder zu einigen, sondern zu jedem einzelnen — ja, zu uns allen. In der einen wirklichen Schöpfung spricht nur Gott. Seine Stimme ist die einzige Stimme, die es zu hören gibt. Wie unsere geistige und vollkommene wahre Individualität der individuelle Ausdruck des Lebens ist, das Gott ist, so muß jeder die Sprache Gottes, die mit diesem Leben übereinstimmt, individuell ausdrücken. Des Gemüts Sprechen muß so gewiß und so unablässig wie des Gemüts Sein individualisiert werden. Etwas von dieser Wahrheit fühlte der Evangelist, als er von Jesus schrieb: „Es hat nie ein Mensch also geredet wie dieser Mensch”.
Furcht, tierisches Wesen oder Eigendünkel möchten diese Tatsache verdunkeln und unsere Ohren unempfänglich machen, damit wir nicht hören und nicht gehorchen. Durch Vergeistigung unseres Bewußtseins zerstört die Christliche Wissenschaft Schritt für Schritt diese verneinenden Hindernisse. Wie oft doch die Sterblichen wehklagen: „Was soll ich tun? Welchen Weg soll ich einschlagen? Hilflos stehe ich vor einer Steinmauer und weiß nicht aus noch ein”. Aber dem ist nicht so. Es gibt immer einen Ausweg, und es ist kein verborgener Pfad. Gott, das Gemüt, die Liebe, kennt ihn gut und wird ihn uns zeigen, sobald wir willens sind, demütig auf die „stille sanfte Stimme” in uns zu horchen.
Eine Frau hatte sich von mehreren Ausübern helfen lassen, wurde aber nicht geheilt. Sie war in tiefster Verzweiflung. In ihrer finstersten Stunde wandte sie sich von ganzem Herzen vorbehaltlos an Gott und bat Ihn, ihr Seinen Weg zur Gesundheit und Freiheit zu zeigen. Sie legte Furcht und das Selbst ab und horchte auf Seine Stimme. Bald, während einer Mittwochabendversammlung, fühlte sie sich bestimmt veranlaßt, zu einem Ausüber zu gehen, den sie bisher nicht gekannt hatte. Sie gehorchte, und in 14 Tagen war sie geheilt.
Ein Geschäftsmann in England war für die Ausarbeitung eines Programms einer erfolgreichen Reklame für ein vielgebrauchtes Erzeugnis verantwortlich. Seine Arbeit erforderte Originalität und Vielseitigkeit. Jahrelang verfolgte ihn die Furcht, daß ihm eines Tages die Ideen ausgehen könnten und er erfolglos und mittellos werden würde. Sein Leben wurde durch diese Furcht der Sicherheit und des Glücks beraubt.
Dann fand er die Christliche Wissenschaft. Er lernte verstehen, daß der Mensch keinen einzigen Gedanken hervorbringt. Der Mensch drückt Gottes Gedanken aus. Das eine positive Gemüt, Gott genannt, schafft unendliche Ideen, die alle widerzuspiegeln und auszudrücken der Mensch existiert. Sie stehen unter dem unaufhaltsamen Antrieb des Gemüts, auf immer in seinem Leben und seinem Bewußtsein erscheinend und sie bildend. Als er diese einfache, wissenschaftliche Tatsache einigermaßen erkannte, verschwand die grundlose Furcht. Wie konnte er einen Mangel an Ideen befürchten, wenn er wußte, daß das unendliche göttliche Gemüt sein Gemüt war, und daß sein einziges wirkliches Bewußtsein dessen Ausdruck war, auf immer damit vereinigt war? Sein Leben und seine Arbeit wurden freudig, furchtlos, frei; denn er hatte auf die Verleihungen des Gemüts horchen gelernt. Das war sein Teil der Arbeit.
In Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mary Baker Eddy (S. 308): „Die von der Seele inspirierten Patriarchen vernahmen die Stimme der Wahrheit und redeten so bewußt mit Gott, wie der Mensch mit dem Menschen redet”. Wenn der Mensch und Gott zu einer Zeit in der Geschichte so leicht und natürlich miteinander redeten, was ist dann geschehen, das die Grundwahrheiten so änderte, daß sie es heute und jeden Tag nicht mehr tun sollten? Es ist für das Gemüt so natürlich, uns die Ideen mitzuteilen, die alle unsere Bedürfnisse befriedigen und unser wahres Sein bilden, wie es für das Gemüt natürlich ist zu sein. Eine Schöpfung anzunehmen, in der die intelligente Ursache manchmal mitteilsam, manchmal stumm ist und der Mensch manchmal hört, aber öfters aus Stumpfsinn taub ist, ist anomal.
Möge dann jeder einzelne die uns von Gott gegebene Fähigkeit beanspruchen, die laute Stimme des materiellen Sinnes und Selbst zum Schweigen zu bringen, und mit offenem Gemüt die Engelgedanken hören, mit denen Gott Seine Fürsorge für uns ausübt, unsere ganze Erfahrung zu leiten, zu schützen, gesund, glücklich und harmonisch zu machen!
Entweder horchen wir auf die teuflischen, niederreißenden Einflüsterungen des einen Bösen, des sterblichen Gemüts, oder wir horchen auf die weisen, liebenden, stützenden Ideen des göttlichen Gemüts. Wenn uns durch geistige Arbeit und Gebet die geistigen Tatsachen des Seins wirklicher werden als die materielle Fabel, wenn Stolz, Eigendünkel und überhebliches Denken der demütigen Willigkeit zu sein, was der allweise Schöpfer uns zu sein macht, Sein Sohn und Sein Bild, Raum geben, werden wir bereit und fähig sein, die Stimme der Wahrheit und der Liebe zu hören. Dies ist die natürliche Kraft der göttlichen Intelligenz, die ihren Vertreter, den Menschen, befähigt, seinen Platz in der menschlichen und der göttlichen Ordnung der Bestimmung seines Schöpfers gemäß freudig, erfolgreich und sicher auszufüllen.
Das kurze und bündige Gebot des Meisters besteht immer noch: „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!”
