Manchmal bekommen wir, wenn wir die Aufsätze in unseren Zeitschriften lesen einen plötzlichen Lichtblick, der eine unserer Erfahrungen in der Vergangenheit, die wir nicht recht verstanden haben, beleuchtet. Dies war bei mir der Fall, als ich im Christian Science Journal vom August 1941 den Leitartikel „Das Heim” las, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich dachte tief darüber nach, und ich habe das Gefühl, daß ich dem Verfasser großen Dank schulde.
Das Heim hatte für mich immer den Platz bedeutet, wo ich mit meinen Lieben wohnte; und es kam mir nie in den Sinn, über das „Heim” vom metaphysischen Gesichtspunkt aus nachzudenken. Meine liebe Mutter, die bei mir gewohnt hatte, und für die ich 20 Jahre lang beständig gesorgt hatte, war in ihren letzten Jahren etwas beunruhigt, weil sie mir im Haushalt nicht mehr helfen konnte; aber ich tröstete sie, indem ich ihr sagte, daß es ihre Aufgabe sei, dem Heim vorzustehen, und daß ohne ihre Anwesenheit unser Heim nur ein Haus, aber kein Heim sein würde.
Dies schien mir die Wahrheit zu sein; doch jetzt sehe ich, daß es dem geistigen Sinn gemäß falsch war. Und als meine Mutter neulich verschied, bemächtigte sich meiner eine schreckliche Trostlosigkeit, ein Gefühl, als sei ich entwurzelt und von denen, die ich liebte, abgeschnitten.
Wir kamen als eine Familie von fünf Personen in dieses Heim, und nun waren alle außer mir verschieden, und ich hatte das sonderbare Gefühl, abgesondert zu sein, nirgends hinzugehören. Sogar der Garten, der der Gegenstand meiner besonderen Fürsorge und Freude gewesen war, verlor jedes Interesse für mich.
Als ich eines Tages kurz danach ein schweres Möbelstück bewegte, überanstrengte ich meinen Rücken so stark, daß ich 5 Tage lang heftige Schmerzen hatte und ganz hilflos war. Ich rang die ganze Zeit hindurch nach geistiger Hilfe, und dann kam zu mir als Befreiungsengel ein Lied in unserem Liederbuch (Nr. 412):
O Träumer, laß das Träumen und wach auf,
Gefangener, steh auf und sing! Denn du bist frei.
Christus ist hier! Die Irrtumsträume sind zerstört.
Gelöst die Bande der Gefangenschaft.
Ich bat die Freundin die bei mir saß, es mir immer wieder vorzulesen, bis ich das Gefühl hatte, daß ich es mir wirklich zu eigen gemacht hatte; denn ich wußte, daß es mich heilen würde. Sie tat es gerne; aber sooft sie an den Vers kam:
Er kommt und gibt dir Freude statt Verlassenheit,
Schönheit anstatt der Asche schnell verfloss’ner Jahre;
Für jede Träne bringt Vergütung er in vollem Maße
Und gibt dir Zuversicht statt aller deiner Furcht,
konnte ich mich des Weinens nicht erwehren. Ich bat meine Freundin, weiterzulesen und nicht darauf zu achten; denn ich schien nicht Herr darüber zu werden, und sie wiederholte geduldig die Verse, bis ich meine Ruhe wiedergewonnen hatte.
Ich hatte nicht geweint, als meine einzige Tochter und ihr Mann ein Vierteljahr früher durch eine Bombe getötet worden waren, und es schien, als ob diese Tränen ein betäubendes Schmerzgefühl, dessen ich mir nicht voll bewußt gewesen war, wegwuschen. Dies war der Anfang der Heilung des mentalen und physischen Leidens, und sehr bald konnte ich wieder aufstehen und umhergehen und mich wieder in normaler Weise für Haus und Garten interessieren. Ich hatte das Gefühl, daß ich etwas von den verheißenen Gaben der „Freude statt Verlassenheit”, der „Schönheit anstatt der Asche schnell verfloss’ner Jahre” und die Erfüllung der letzten Zeile des Liedes: „Gefangene, erhebe dich, dein Erlöser kommt zu dir” erfahren hatte.
Ich habe seitdem oft mit Ehrfurcht und Dankbarkeit auf diese Heilung zurückgeblickt, hatte aber nie recht verstanden, was eigentlich der mentale Irrtum war, von dem ich befreit worden war, bis ich den oben erwähnten Leitartikel im Journal las. Dann sah ich, daß ich mich unwissentlich zu diesem Verlassenheitsgefühl verurteilt hatte, indem ich achtlos einen falschen Sinn des Heims gehegt und geäußert hatte, nämlich daß seine Freude und sein Friede von Personen abhänge, anstatt zu erkennen, daß es „ein bleibendes Bewußtsein der Harmonie — des Himmels — und ... inwendig im Menschen ist”, wie es in diesem Leitartikel heißt.
Ich sende diese etwas persönliche Erfahrung in der Hoffnung ein, daß sie anderen helfen möge, denen in dieser Zeit ihr menschlicher Begriff vom Heim vernichtet oder durch Verlust beeinträchtigt worden ist, daß auch sie „Freude statt Verlassenheit” und „für jede Träne Vergütung in vollem Maße” finden mögen.— Oxford, Oxfordshire, England.
