Durch das Studium der Christlichen Wissenschaft lernen wir verstehen, daß der wirkliche und einzige Mensch, den Gott erschaffen hat, die Freiheit des göttlichen Gemüts widerspiegelt. Wir lernen verstehen, daß das Sein oder die Existenz nicht materiell, sondern geistig ist. Wir erkennen in gewissem Maße und demonstrieren dementsprechend, daß unsere Wesenheit mental ist, und daß die Fähigkeit zu denken oder zu wissen eine Gottesgabe ist. Wir sollten diese Gabe würdigen und schätzen. Wir sollten unsere Denkkraft schätzen, denn selbst vom menschlichen Standpunkt aus ist sie ein Hinweis darauf und ein Beweis, daß der Mensch geistigen Ursprunges ist.
Die Psychologen, die Philosophen und die Naturwissenschaftler aller Zeiten haben noch niemals erklärt, warum und wodurch wir denken. Kein einziger hat unser Denkvermögen erklärt, noch seinen Ursprung offenbart. Für sie ist und bleibt das, was wir Bewußtsein nennen, ein Geheimnis; und doch geben alle zu, daß diese Denkfähigkeit existiert, und daß es ohne Gedanken keinen Beweis eines bewußten Seins gäbe.
Die Christliche Wissenschaft allein kann uns eine rationelle und intelligente Antwort auf diese Fragen geben. Sie erklärt, daß Gott das einzige aus sich selbst existierende und unendliche Gemüt ist; sie offenbart die untrennbare Beziehung zwischen Idee und Gemüt. Sie zeigt, daß unsere wahre Wesenheit in dem Kennen oder Widerspiegeln jenes Gemüts Ausdruck findet und die individuelle Entfaltung unendlicher Ideen darstellt. Sie erklärt weiter, daß das geistige Bewußtsein alles ist, das existiert oder zu existieren braucht. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß in dem Maße, wie man dieses Bewußtsein durch Widerspiegelung als sein eigenes Bewußtsein erkennt und beansprucht, seine wirkliche individuelle, unkörperliche Wesenheit wahrnimmt. Das wahre Sein des Menschen wird also als geistig mental, nicht physisch oder materiell, erkannt; und wenn man den Menschen als geistig auffaßt, so erlangt man eine immer klarere und absolutere Erkenntnis seiner mentalen Wesenheit und wird dadurch befähigt, die Suggestion zurückzuweisen, daß er in einem materiellen, sterblichen Körper wohnt.
Jemand sagt, und mit Recht so: „Ich bin bewußt.“ Darauf könnte man fragen: Wessen bist du dir bewußt? Bewußt zu sein bedeutet vor allem, sich mental des Seins oder der Existenz bewußt zu werden. Wenn unser Daseinsbegriff materiell objektiv zu sein scheint — das heißt, wenn wir die Annahme haben, daß wir sterbliche, körperliche Wesen sind, die unter materiellen Bedingungen leben und von anderen materiellen Wesen mit persönlichen Gemütern und Meinungen umgeben sind — dann haben wir ganz offenbar keine geistige Herrschaft über die Umstände. Solange das Leben als materiell und körperlich objektiv angesehen wird, ist es uns nicht möglich, es zu beherrschen, denn es scheint uns ja außerhalb und unabhängig von uns zu existieren. Andrerseits, wenn dieses Gedankenbild subjektiv aufgefaßt wird, das heißt, wenn es als ein gänzlich irriges Gedankenbild im individuellen menschlichen Bewußtsein erkannt wird, dann haben wir es, wo es verstanden werden kann; und dann kann seine Unwirklichkeit durch die Widerspiegelung Gottes, des göttlichen Gemüts, demonstriert werden.
Wir sehen also, daß bei allem, was uns auch immer entgegentritt, nur das wichtig ist, was wir selber denken, nicht aber, was jemand anders zu denken scheint. Da wir in gewissem Sinne unsere eigene Gedankenwelt bilden oder aufbauen, scheint sie nur das darzustellen, was wir uns ausdenken können. Eine der erstaunlichsten Erklärungen, und gleichzeitig eine der hilfreichsten, die Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, je gemacht hat, erscheint auf Seite 403 ihres Lehrbuches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“, wo sie sagt: „Du bist Herr der Situation, wenn du verstehst, daß das sterbliche Dasein ein Zustand der Selbsttäuschung ist und nicht die Wahrheit des Seins.“
Wenn ein Mensch einen falschen Daseinsbegriff für wirklich hält, so ist dieser mentale Zustand offenbar einer Selbsttäuschung zuzuschreiben, und nicht der Wirklichkeit oder Wahrheit des Seins. Wenn unser Bewußtsein jedoch die Widerspiegelung der Wirklichkeit ist — die geistige Erkenntnis der Ewigkeit des Lebens, der Allgegenwart der Liebe und des All-Wirkens des Gemüts — dann wird die Wahrheit oder die Wirklichkeit aller Dinge subjektiv festgestellt und aufrecht erhalten. Gott, das eine und einzige Bewußtsein, wird angenommen und widergespiegelt.
Da das eine göttliche Bewußtsein unendlich und allumfassend ist, wird es ganz klar, daß ein Bewußtsein genug für alle ist und sein muß. In seinem Brief an die Römer (Röm. 12:4, 5) schreibt Paulus, der Apostel der Heiden: „Gleicherweise als wir in einem Leibe viele Glieder haben, aber alle Glieder nicht einerlei Geschäft haben, also sind wir viele ein Leib in Christo, aber untereinander ist einer des andern Glied.“ Und dann wieder erklärt er die Einheit des bewußten Seins, wenn er an die Epheser schreibt (4:4–6): „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater unser aller, der da ist über euch allen, und durch euch alle und in euch allen.“ Weiter schreibt Paulus (1. Kor. 10:1, 3, 4): „Unsre Väter ... haben alle einerlei geistliche Speise gegessen und haben alle einerlei geistlichen Trank getrunken; sie tranken aber von dem geistlichen Fels, der mitfolgte, welcher war Christus.“
So lernen wir also in der Christlichen Wissenschaft verstehen, daß wir alle in unserm wahren Sein das eine Leben, das eine Gemüt, die eine Liebe widerspiegeln und ausdrücken; denn wir haben durch Widerspiegelung nur das eine unendliche Bewußtsein. Unser Wachstum in der Christlichen Wissenschaft hängt in großem Maße von unserm intelligentem Verständnis davon ab, daß das Sein geistig ist, und das Wesen des Gedankens subjektiv. Mit Bezug hierauf schreibt unsere Führerin in ihrem Buch „Unity of Good“ (Die Einheit des Guten, S. 8): „Alles ist so wirklich wie du es machst, nicht mehr. Was du siehst, hörst, fühlst, ist eine Form des Bewußtseins und kann keine andere Wirklichkeit haben als die Vorstellung, die du davon hegst.“ Man kann sich selbst eigentlich nicht verstehen, bis man seine wahre Wesenheit als eine individuelle Widerspiegelung des göttlichen Bewußtseins erkennt.
Wir werden finden, daß wir dann geistige Herrschaft besitzen und „Herren der Situation“ sind; denn wir weigern uns, durch mentale Erscheinungen oder Wahnbilder der Selbsttäuschung zu verfallen und sie für wirklich zu halten, — sei es nun Krankheit, Sünde, Disharmonie im Heim, oder, in weiterem Sinne, Disharmonie unter den Völkern. Wenn Wahrheit wirklich erkannt und widergespiegelt wird, dann kann das Böse nicht mehr wirklich erscheinen. So sind wir imstande, in verständnisvoller Weise die folgende Erklärung unsrer Führerin auf Seite 14 des Buches „Wissenschaft und Gesundheit“ zu würdigen und zu demonstrieren: „Gänzlich getrennt von der Annahme und dem Traum des materiellen Lebens ist das göttliche Leben, welches geistiges Verständnis und das Bewußtsein von des Menschen Herrschaft über die ganze Erde offenbart. Dieses Verständnis treibt Irrtum aus und heilt die Kranken, und mit ihm kannst du sprechen, wie einer, der Vollmacht hat‘.“
So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis auf die Zukunft des Herrn. Siehe, ein Ackermann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und ist geduldig darüber, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid ihr auch geduldig und stärket eure Herzen; denn die Zukunft des Herrn ist nahe. ... Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben. — Jakobus 5:7, 8, 11.
