Der Frühling ist die Zeit der Erneuerung, wo die Erde erwacht aus der winterlichen Erstarrung und sich unter einem sonnigen Himmel mit leuchtenden Farben schmückt, wo die Vögel wieder ihre Lieder erschallen lassen. Es ist die Jahreszeit, wo die Natur sich anschickt, den Schöpfer zu preisen, und die Sterblichen voller Erwartung und Glauben den langen, warmen Sommertagen entgegensehen, wo die Früchte der Erde reifen und eine reiche Ernte und Fülle versprechen.
In dem Kapitel „Die Frucht des Geistes“ in ihrem Buch „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften) gibt uns Mary Baker Eddy folgende herrliche Schilderung des Frühlings (S. 329): „Der Frühling geht über Berg und Tal und weckt die Welt auf; er wiegt das wogende Gras hin und her, stärkt das zarte Zweiglein; läßt laue Lüfte wehen, bringt die ganze Natur in unaufhörlichen Fluß, mit, duftendem Atem und blühenden Wangen.‘“
Unsere geliebte Führerin verstand die Poesie der Sprache. Ihre Prosa hat Schönheit und Wohlklang, ja sie klingt oft geradezu wie Musik. Aber sie läßt uns nie in einer Welt der Empfindungen oder bei der Betrachtung sinnlicher Befriedigung stehen. Sie erhebt das Denken in das Reich des Geistes und enthüllt die Bedeutung des Frühlings, Frühlings, so daß Himmel und Erde schöner und befriedigender denn je werden, und das Leben zu einem neuen und herrlichen Erlebnis wird.
Wer würde nicht ein Sinnbild eintauschen für die Wirklichkeit, die es darstellt, wenn er wüßte, wie er es tun könnte? Wer würde sich damit begnügen, eine Statue zu bewundern, die die Freiheit oder die Gerechtigkeit darstellt, und nicht danach streben, die Segnungen der dargestellten Freiheit und Gerechtigkeit zu besitzen? Die Schönheiten des materiellen Weltalls lassen den Christlichen Wissenschafter die geistige Wirklichkeit ahnen, deren Sinnbild sie sind. Wir sehen im Erwachen des Frühlings die unaufhörliche Verheißung unserer Unsterblichkeit. Knospe und Blüte verkünden die geordnete Entfaltung von Gottes Plan für das Weltall und den Menschen.
Wir erkennen in der Natur ein Sinnbild des unaufhaltsamen Fortschritts geistigen Geschehens. Im Geist ist alles Harmonie; alle Tätigkeit und alles Sein drückt die göttliche Ordnung aus. Als ein Sinnbild erinnert uns der Frühling an die Herrlichkeit und Güte der Seele. In dem Herzen, das Gott gefunden hat, ist es immer Frühling. Mrs. Eddy schreibt in „Miscellaneous Writings“ (S. 330): „Mit jedem wiederkehrenden Jahr sollten höhere Freuden, heiligere Ziele, ein reinerer Friede und göttlichere Tatkraft dem Sein frischen Duft verleihen.“
Der Christus wurzelt tief in unserem Herzen; er wartet nur darauf, daß wir ihn anerkennen. Früher oder später wird der Frühling der Seele auf der ganzen Erde erkannt und anerkannt werden. Diese Erkenntnis sollte jetzt, noch in dieser Stunde, kommen. Viele Propheten haben das Kommen des Christus vorausgesagt und haben die mit diesem Erscheinen verbundene herrliche Entfaltung des Guten enthüllt. Im Buch des Propheten Jesaja lesen wir unter der Überschrift „Herrlicher Zustand des Volks Gottes“ (Jes. 35:1, 2): „Die Wüste und Einöde wird lustig sein, und das dürre Land wird fröhlich stehen und wird blühen wie die Lilien. Sie wird blühen und fröhlich stehen in aller Lust und Freude.“
Die Christliche Wissenschaft offenbart den Christus unserem Zeitalter. Wir stehen schon jetzt im Frühling geistigen Erlebens. Laßt uns in dieser Zeit unser Herz dem Frühling der Seele so leicht und natürlich öffnen, wie wir den Lenz willkommen heißen! Das Sinnbild umgibt uns; aber die Wirklichkeit, die unseres Erkennens harrt, ist in uns.
Vor nahezu 2000 Jahren stand auf unserem Planeten jemand von den Toten auf. Er war der Vorläufer anderer. Alle, die den Übergang, den sogenannten Tod, durchgemacht haben, müssen gefunden haben, daß der Tod eine Trugvorstellung ist. Wir leben und lieben nach dem Tode wie vorher, und wir gehen der Geistigkeit unserer Beweggründe entsprechend unserer Auferstehung entgegen. Christus Jesus wartete nicht, bis ihm der Tod enthüllte, daß er eine Trugvorstellung ist. Er diente dem Leben. Er lebte im Frühling der Seele. Der Winter der Vernachlässigung und der Verhöhnung konnten der Frische des geistigen Seins nichts anhaben. Er bewies hier und jetzt, daß der Mensch unsterblich ist. Er wurde nicht vom Tod überwunden, sondern er überwand den Tod. Er ist unser Wegweiser. Als Christliche Wissenschafter folgen wir ihm nach; es ist daher unsere Pflicht und unser Vorrecht, hier und jetzt die Erwartung der Unsterblichkeit zu hegen ohne irgendeinen Zweifel, ohne irgend welche Furcht hinsichtlich eines künftigen Zustandes, sondern in der geistigen Überzeugung, daß der Tod überwunden ist.
Im Reich der Natur scheint der Frühling zu kommen und zu gehen. Er weicht dem Sommer im Kreislauf der aufeinanderfolgenden Jahreszeite. Im Reich der Seele hört die Entfaltung geistiger Ideen nicht auf. Der Kreislauf der Jahreszeiten ist ein Sinnbild des ewigen Kreises des Gemüts. Es gibt keinen Tod. Dies ist die Erntestunde.
Die herrlichen Eigenschaften der Seele werden in jedem Herzen geweckt, das den Christus anerkennt. Die Entfaltung geistiger Ideen ist der Frühling, den wir in der Christlichen Wissenschaft willkommen heißen. Das erste hervorsprossende Grün mag unscheinbar sein. Unsere Hoffnungen auf Befreiung mögen noch unbedeutend sein; aber einer solchen berechtigten Hoffnung und einem solchen Glauben liegt die Macht des Christus zugrunde, die die ihr Erscheinen verzögernden Hindernisse beseitigt. Wenn wir in der Gnade der Seele wachsen, erstarkt in uns die Überzeugung, daß dem Erscheinen des Geistes und des geistigen Daseins nichts widerstehen kann.
Das Heute ist voll lichter Verheißung. Jedes Bemühen unserseits, die Gegenwart und Macht des Christus zu beweisen, beschleunigt die Stunde der allgemeinen und allumfassenden Annahme der Christlichen Wissenschaft. Es mag zuerst nur ein teilweises Anerkennen sein. Wenn der gefrorene Boden noch stellenweise mit Schnee bedeckt ist, dringt das tapfere Schneeglöckchen durch die kalte Decke hindurch; laßt uns aber nicht vergessen, daß dieses bescheidene Blümchen das Kommen des vollen Frühlings verheißt!
Wir sollten uns nie durch den äußeren Schein entmutigen lassen! Wenn wir den Frühling der Seele auch nur im geringsten in uns haben, werden andere sich uns bald anschließen und in der Christlichen Wissenschaft die Schönheiten und die Glückseligkeit des Geistes mit den mitfolgenden Zeichen suchen. Wenn der Frühling der Seele sich über die Erde verbreitet, werden wir sehen, wie ein Mensch nach dem andern sich seine herrliche Freiheit in Christus voller Freude zu eigen macht und sich aus dem Glauben an den Tod erhebt. Ein Volk nach dem andern wird zu dieser Erkenntnis des Christus kommen, bis die Zeit da ist, wo Habakuks Prophezeiung in Erfüllung geht (2:14): „Denn die Erde wird voll werden von Erkenntnis der Ehre des Herrn, wie Wasser das Meer bedeckt.“
    