In ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ stellt Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, einen Lehrsatz auf, den sie „den Hauptfaktor in der Gemüts-Wissenschaft“ nennt. Er lautet, daß „Gemüt Alles ist, und daß die Materie nichts ist.“ Das gesamte Zitat lautet (S. 108, 109): „Meine Entdeckung, daß das irrende, sterbliche Gemüt, fälschlicherweise Gemüt genannt, den ganzen Organismus und die ganze Tätigkeit des sterblichen Körpers hervorbringt, regte meine Gedanken an in neuen Kanälen zu arbeiten und führte mich zu meiner Demonstration des Satzes, daß Gemüt Alles ist, und daß die Materie nichts ist, als zu dem Hauptfaktor in der Gemüts-Wissenschaft.“
Obgleich der Lehrsatz, „daß Gemüt Alles ist, und daß die Materie nichts ist“, der allgemeinen Sinneswahrnehmung ganz und gar entgegengesetzt ist und äußerst radikal und revolutionär erscheinen mag, so ist er im Grunde doch nur eine andere Fassung des Ausspruches Christi Jesu (Joh. 6:63): „Der Geist ist's, der da lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze.“ Jesus erwähnte beim Lehren und Predigen Dinge und Erscheinungen, die allen bekannt waren — Blumen, Vögel und Felder — als Erläuterungen und Hinweise auf die geistigen Tatsachen und Gesetze, die die Grundlage seiner heilenden und erlösenden Sendung waren. Seine Erklärungen und Lehren sind heute so hilfreich und mächtig wie je, und es sind deren Offenbarungen und die sich daraus ergebenden Erfahrungen der Menschheit, die das menschliche Gemüt auf eine noch tiefere Zergliederung und Schätzung der individuellen Erfahrung und der Anerkennung der ganz und gar mentalen Natur allen Seins vorbereitet haben.
Zum Beispiel: wenn man vom Schlaf erwacht, wird man sich scheinbar eines physischen Körpers und einer Umgebung physischer Dinge und Dimensionen bewußt. Schläft man jedoch wieder ein, so verschwindet das ganze Bewußtsein von Körperlichkeit oder Materialität, und für den Schläfer selbst existiert es nicht mehr, bis er wieder zu diesem Bewußtseinszustand aus dem Schlaf erwacht. Bewußtsein ist somit offenbar fundamental für alle Erfahrung. Ohne Bewußtsein existiert gar nichts, weder für uns noch für andere. Unsere Erfahrung ist daher eine individuelle bewußte Erfahrung. Dies ist selbstverständlich.
Ganz von selbst erhebt sich die Frage: Kann das Bewußtsein die Materie als materielle Substanz in irgendeiner Art oder Form einschließen? Offensichtlich nicht. Das, wovon das Bewußtsein Kenntnis hat, existiert in der Natur des Bewußtseins oder der Wahrnehmung. Es ist wesentlich mental und muß so sein, und es muß und wird schließlich von all und jedem als mental erkannt und verstanden werden.
Der Rat Christi Jesu (Matth. 6:26): „Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater nährt sie doch,“ führt zu der Anerkennung, daß die ganze Schöpfung als Wirkung existiert und durch ihre Ursache oder ihren Schöpfer getragen und unterhalten wird. Eine ruhige, logische und vernünftige Erwägung der Natur der eigenen Identität sowie Erfahrung bringt einem die Erkenntnis, daß die eigene Identität und alles was sie einschließt mental ist, nicht physisch. Dies ist ein notwendiger erster Schritt und ein notwendiges Eingeständnis zum Verstehen der Gemüts — Wissenschaft. Es liegt auf gleicher Linie mit Mrs. Eddys Erklärung (Wissenschaft und Gesundheit, S. 123): „Die göttliche Wissenschaft, die sich über die physischen Theorien erhebt, schließt die Materie aus, löst Dinge in Gedanken auf und ersetzt die Gegenstände des materiellen Sinnes durch geistige Ideen.“
Um sich klar und erfolgreich mit Situationen und Verhältnissen auseinandersetzen zu können, müssen sie in einen mentalen Brennpunkt gerückt werden. Die Art und Methode, in der man sich mit den Verwicklungen und augenscheinlichen Widersprüchen der menschlichen Erfahrung auseinandersetzt, sind in dem eben erwähnten Zitat klar dargelegt: „Die göttliche Wissenschaft ... ersetzt die Gegenstände des materiellen Sinnes durch geistige Ideen.“ Die Gemüts-Wissenschaft enthüllt, daß die Materie keine Substanz besitzt, sondern ein objektiver Zustand des materiellen Sinnes ist, indem sie das Denken zur Würdigung und zum Verständnis der Tatsache leitet, daß das Gemüt Alles ist. Der materielle Sinn ist niemals substantiell; er enthält keine Substanz, denn Substanz ist Geist, Gott. Offensichtlich kann an oder in den „Gegenständen des materiellen Sinnes“ keine Substanz sein, und der Anspruch, daß dies so wäre, ist ganz und gar erdichtet und trügerisch. Durch die Tätigkeit des Christus, der Wahrheit, ersetzt die Gemüts-Wissenschaft in der individuellen Erfahrung die trügerischen und illusorischen Vorstellungen des materiellen Sinnes durch geistige Ideen, die ewigen Tatsachen des Seins. Diese geistigen Ideen sind die Gedanken oder Ideen, die vom göttlichen Gemüt ausströmen und dennoch ewig im göttlichen Gemüt bleiben. Sie sind der Ausdruck der eigenen Natur, Substanz und ewigen Vollkommenheit des Geistes, des Gemüts. Das unendliche Gemüt und seine zahllosen Ideen, oder Selbstoffenbarungen, machen die einzig wahre und wahrhaft mentale Existenz aus — den einzigen Gott und Menschen. Dies ist der Grund, weshalb Gemüt Alles ist.
Obgleich es nötig ist, für sich selbst zu entdecken und zu verstehen, daß das, was Materie und materielle Erscheinungsformen zu sein beansprucht, keinesfalls Materie ist, sondern höchstens mentale Täuschung und Illusion, so ist dies nicht genug, so weit der Lehrsatz „Gemüt ist Alles und Materie ist nichts“ in Betracht kommt. Wir hören und lesen immer öfter, daß Gelehrte, Physiker und Ärzte herausfinden, daß sogenannte mentale Faktoren in der individuellen Erfahrung und Gesundheit eine Hauptrolle spielen. Einige geben sogar zu, daß Krankheit ganz und gar mental ist, das Ergebnis von Unwissenheit, Furcht, Haß, Neid, Hemmungen und so weiter. Solche Zugeständnisse sind jedoch, obgleich sie Schritte in der rechten Richtung darstellen, nicht in wirklichem Einklang mit der wahren Gemüts-Wissenschaft. Die Gemüts-Wissenschaft zeigt und beweist, daß das einzig wahrhaft mentale oder Gemüts-gleiche Dasein, das es gibt, das göttliche Gemüt selbst ist, welches seine eigene unendliche Intelligenz, Reinheit und Selbstvollständigkeit, seinen eigenen unendlichen Frieden und sein eigenes unendliches Verständnis umfaßt.
Das unendliche Gemüt kennt keine Unwissenheit, keine Furcht, keinen Haß, keinen Neid, keine Enttäuschung oder Vereitelung; diese sind daher nicht mental im echten Sinne des Wortes und haben kein wirkliches Dasein. Gemüt ist Alles und Materie, was nur ein Deckname für den materiellen Sinn, das sterbliche Gemüt ist, einschließlich all seiner sogenannten materiellen Erscheinungsformen — all der Voraussetzungen wie Gut und Böse, Freud und Leid, Gesundheit und Krankheit, Armut und Reichtum — ist nichts. Die Materie ist nicht einmal mental. Sie ist niemals irgend etwas. Das Zeugnis sowohl wie die Beweisführung, welche den Anspruch erheben, daß die Materie oder der materielle Sinn etwas seien, ist genau so wie die anscheinend weltweite Annahme dieser Beweisführung ganz und gar mesmerisch. Obgleich dieser Anspruch völlig falsch und wissenschaftlich unmöglich ist, so kann dieser Mesmerismus doch nur durch die wirkliche, geistige und individuelle Anerkennung, daß „Gemüt Alles ist und daß die Materie nichts ist“ gebrochen werden.
Der Verfasser hat in zahlreichen Fällen Beweise für die Richtigkeit des Vorhergehenden erlebt, und zwar in Situationen von verschiedenen Graden von Wichtigkeit. Ein einfacher Fall passierte eines Nachmittags, als eine Menge verschiedener Verpflichtungen seine sofortige Aufmerksamkeit erforderten. Im Laufe des Nachmittags schien sich ein Fieber, verbunden mit öfterem Niesen zu entwickeln. Bis Büroschluß widmete er seiner Arbeit seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Als er nach dem Fahrstuhl läutete und auf ihn wartete, mußte er zweimal heftig niesen und er hatte solch ein Gefühl von Hitze, als ob er von Kopf bis zu Füßen in Flammen stünde.
Er dachte bei sich selbst: es ist aber Zeit, daß ich etwas dagegen tue. Dann kam die Frage: „Ist dies irgend etwas, dessen ich mir bewußt oder dessen ich gewahr bin?“ Und die Antwort: „Ja; wie könnte ich sonst irgend etwas davon wissen? Also — es ist mental und nicht körperlich oder materiell.“ Dann kam eine weitere Frage: „Ist das Gemüt, das einzige unendliche göttliche Bewußtsein, dessen gewahr oder macht Gemüt die Erfahrung?“ „Nein!“ „Na also, wenn das Gemüt sich dessen nicht bewußt ist, wer ist es dann?“ „Niemand!“ Und das war das Ende der Sache. Alle Anzeichen von Unbehagen und Krankheit waren verschwunden, als der Fahrstuhl ein paar Augenblicke später kam. Sie waren im Lichte der Allheit des göttlichen Gemüts als nichts erfunden worden.
Das soeben Gesagte ist eine einfache Erläuterung des allumfassenden Lehrsatzes, welcher die Befreiung von allen und die Lösung aller unharmonischen Zustände einschließt, wie groß, verwickelt oder bedrohlich sie auch erscheinen mögen. In jeder Situation können wir fragen: „Ist das etwas, dessen ich gewahr oder mir bewußt bin?“ Die Antwort muß unausweichlich sein: „Ja; denn wenn ich mir dessen nicht bewußt wäre, könnte es keine schwierige Lage für mich geben.“ Dies „löst Dinge in Gedanken auf“ und beweist, daß es sich hier nicht um eine Frage der Materie oder Körperlichkeit handelt. Fortfahrend können wir erkennen, daß das, dessen wir gewahr sind, nur insoweit wirklich existiert und Gegenwart, Substanz und Identität besitzt, als es augenscheinlich die Intelligenz, Vollkommenheit, Schönheit, Ewigkeit, Reinheit und Harmonie des unendlichen göttlichen Gemüts, der einzigen Ursache und des einzigen Schöpfers, zum Ausdruck bringt. Alles andere ist nichts, sowohl als Gemüt als auch als mentale oder physische Erscheinungsform. Wenn das geistige Verständnis den mesmerischen Nebel des materiellen Sinnes verscheucht, so tut die individuelle bewußte Erfahrung ihre ewige göttliche Quelle und Substanz entsprechend kund, das Gemüt, welches alles und allharmonisch ist.
Reicher und dauernder Lohn ist das Ergebnis eines gründlichen Studiums dessen, was Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit auf Seite 108, Zeile 19, bis Seite 110, Zeile 12, geschrieben hat. In diesen Stellen erklärt sie, was „der Satz, daß Gemüt Alles ist, und daß die Materie nichts ist“ in einem Augenblick höchster Not für sie tat. Sie erklärt auch, weshalb dies „der Hauptfaktor in der Gemüts-Wissenschaft“ ist — in der Wissenschaft, die dazu bestimmt ist, alle Unwissenheit, allen Aberglauben, alle Sünde und alles Leiden zu verscheuchen und das Denken zu der Allheit Gottes, des Gemüts, und Seiner vollkommenen Kundwerdung zu erwecken.
    