Des Meisters eindeutig klare Verkündung und Demonstration der unlöslichen Verwandtschaft des Menschen mit Gott wurde nicht nur mißverstanden, sondern sie entfachte auch beständig die heftige Opposition der falschen Theologie, was im Widerstand der Rabbiner und in der dogmatischen Ablehnung der Pharisäer zum Ausdruck kam. Als sie seine Kreuzigung verlangten, riefen sie (Joh. 19:7): „Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz soll er sterben; denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht.“
Nicht nur, daß Jesus die geistige Idee der Sohnschaft, den Christus, dartat und durch sein Leben und seine Werke bewies, er erklärte und verkündete auch diese geistige Idee der Sohnschaft für die ganze Menschheit. Im Evangelium des Johannes sagt der Meister (5:20–26): „Der Vater aber hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut, und wird ihm noch größere Werke zeigen, daß ihr euch verwundern werdet. Denn wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, also auch der Sohn macht lebendig, welche er will.. .. Denn wie der Vater das Leben hat in ihm selber, also hat er dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in ihm selber.“
Die falsche Theologie seiner Zeit wies diese Lehre zurück; die falsche Theologie unserer Tage — da sie den Menschen als ein materielles, sündiges menschliches Wesen sieht, von Gott getrennt und materieller Religionssysteme bedürfend um Erlösung zu finden — widersetzt sich infolgedessen der Lehre vom unkörperlichen geistigen Sein des Menschen, das eins mit Gott und untrennbar von Ihm ist. Die Lehre der Christlichen Wissenschaft enthüllt klar des Menschen gegenwärtiges, ewiges und unlösliches Einssein mit dem Vater. Es war von eben diesem Standpunkt aus, daß Christus Jesus seine geistige Einheit mit Gott erklärte. Hierzu schreibt Mary Baker Eddy in ihrem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 333): „Das göttliche Bild, die göttliche Idee oder Christus war, ist und wird immerdar von dem göttlichen Prinzip, Gott, untrennbar sein. Jesus nahm auf diese Einheit seiner geistigen Identität mit folgenden Worten Bezug:, Ehe denn Abraham ward, bin Ich‘., Ich und der Vater sind eines‘., Denn der Vater ist größer denn Ich.‘ Der eine Geist schließt alle Identitäten in sich.“
Es ist bemerkenswert, daß Jesus sich selbst nie als Gott bezeichnete, sondern als den Sohn Gottes. Damit machte er einen klaren Unterschied zwischen Gott und dem Menschen, zwischen dem Gemüt und der Idee, zwischen Ursache und Wirkung. Die Wissenschaft zeigt jedoch klar das Einssein von Gott und dem Menschen, ihre vollkommene Einheit, ihre Untrennbarkeit und ihr Zugleichbestehen. Über diese Tatsache schreibt auch Mrs. Eddy (ebd. S. 361): „Der Christ, der an das erste Gebot glaubt, ist ein Monotheist. Auf diese Weise vereinigt er sich dem Wesen nach mit des Juden Glauben an einen Gott und erkennt, daß Jesus Christus nicht Gott ist, wie Jesus selbst erklärte, sondern daß er der Sohn Gottes ist. Wenn diese Erklärung Jesu verstanden wird, so widerspricht sie durchaus nicht einem andern seiner Aussprüche:, Ich und der Vater sind eines‘ — d.h. eins in Qualität, nicht in Quantität. Wie ein Wassertropfen eins ist mit dem Ozean, wie ein Lichtstrahl eins ist mit der Sonne, so sind Gott und der Mensch, Vater und Sohn, eins im Wesen. In der Heiligen Schrift lesen wir:, Denn in ihm leben, weben und sind wir‘.“
Hier liegt die Frage nahe: „Meinte Jesus, als er erklärte:, Ich und der Vater sind eins‘, daß er und Gott eins waren, aber daß du oder ich mit Gott nicht eins seien?“ Was meinte er, als er sagte (Joh. 17:5–21): „Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.. .. Und alles, was mein ist, das ist dein, und was dein ist, das ist mein; und ich bin in ihnen verklärt.. .. Sie sind nicht von der Welt, wie denn auch ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit. .. auf daß sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir, und ich in dir; daß auch sie in uns eins seien, auf daß die Welt glaube, du habest mich gesandt.“ Es zeigt sich hier, daß inkorrekte Religionslehren auf der vermeintlichen Trennung von Gott und dem Menschen beruhen; und dennoch ist ihre vollständige Einheit, ihr völliges Einssein die einzige Basis, von der aus das Göttliche anwendbar, heilsam und uns verfügbar werden kann, gerade da, wo wir im Augenblick zu sein scheinen. Da Jesus die Wahrheit der göttlichen Widerspiegelung, seine unwandelbare Einheit mit Gott, verstand und demonstrierte, können auch wir erklären und wissen: „Ich und der Vater sind eins; ich und Gemüt sind eins; ich und Geist sind eins; ich und Liebe sind eins.“ Dieses Einssein Gottes und des Menschen bedeutet das Einssein oder die Einheit des Gemüts und seiner Idee. Niemals sind sie von einander geschieden.
Dieses Verständnis der wahren Verwandtschaft Gottes mit dem Menschen findet in natürlicher Weise seinen Ausdruck im Einssein des Menschen mit Gesundheit, in seinem Einssein mit Versorgung, in seinem Einssein mit Sicherheit. Tatsächlich beruht unser Einssein mit Gott auf der Einheit und der Unendlichkeit des Guten. Gott ist Alles-in-allem; können wir da je außerhalb Gottes gelangen? Es gibt kein „außerhalb“.
Es war des Meisters Verständnis von seiner Einheit und seiner unzertrennlichen Verbindung mit Gott, was ihn befähigte, Kranke zu heilen, Sünder zu erlösen und Tote aufzuerwecken. Von dem mentalen Bild, das ihm die materiellen Sinne zeigten, wandte er sich voll und ganz ab. Sein geistiges Bewußtsein des unendlichen, vollkommenen Seins, der Entfaltung und Offenbarung des Menschen und des Universums, jeder Idee des Seins, deren ewige Identität und Vollkommenheit er sah und festhielt — dies war das Gemüt, das in Christus Jesus war.
Auch der Apostel Paulus verstand die Notwendigkeit, das Einssein Gottes und des Menschen geistig zu erfassen und sich des einen vollkommenen Seins bewußt zu bleiben. Er wußte, dies war der innere Vorgang, der modus operandi, durch den göttliche Vollkommenheit demonstriert werden konnte und würde. Er schrieb an die Korinther (2. Kor. 4:18): „Wir sehen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“ Und im 3. Kapitel (Vers 18) desselben Briefes zeigt Paulus, wie wir durch Widerspiegelung die Wiedergeburt in dem Maße erleben können, wie wir das wahre Selbst des Menschen verstehen. Er sagt: „Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der andern, als vom Herrn, der der Geist ist.“
Vernunft und göttliche Logik lassen uns erkennen, daß die Einheit von Gott und dem Menschen, von Gemüt und seiner Idee, weder das Aufgehen des Menschen in Gott bedeutet, noch die Zerstörung oder Auflösung einer einzigen Idee des Gemüts. Niemals bedeutet es Verlust von Identität oder Individualität. Die Christliche Wissenschaft lehrt ewig währende Erhaltung und Fortdauer aller Identitäten.
Die aus dem Orient stammenden philosophischen und metaphysischen Begriffe, daß Gott und der Mensch ein und dasselbe seien und daß die Ideen des Gemüts die ihnen eigene Identität verlieren, entsprechen nicht der Christlichen Wissenschaft; wir haben nichts mit ihnen gemeinsam. Mrs. Eddy sagt in dem Artikel „Science and Philosophy“ (Wissenschaft und Philosophie), der auf Seite 361 in „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften) erscheint: „Gott ist das einzige Gemüt, und das geistige Universum, einschließlich des Menschen und aller ewigen Individualität, ist Seine Offenbarwerdung. Gott, die einzige Substanz und das göttliche Prinzip der Schöpfung, ist in keinem Fall der schöpferische Teilhaber der Firma Irrtum, genannt Materie oder sterbliches Gemüt. Gott macht Seine eigene Idee klar, worin Prinzip und Idee, Gott und der Mensch nicht ein und dasselbe, wohl aber als Ursache und Wirkung untrennbar sind. Wären sie eines, wer könnte dann sagen, wer der, Eine‘ ist?“
    