Bei Tagesanbruch stehen manchmal dunkle Wolken am östlichen Himmel; aber sobald die Sonne aufgeht, gibt ihr leuchtender Strahlenglanz ihnen mühelos unbeschreiblich herrliche Färbungen. Da ist kein Kampf, kein Widerstand, keine Anklage, keine Mißgunst; die Sonne sendet ihre Strahlen aus und sie segnen die Erde, daß sie von leuchtender Schönheit erstrahlt. Beim Betrachten eines solchen Anblicks erfassen wir einen Schimmer der Liebe Gottes. Wir gewahren den Rhythmus des Geistes. Wir fühlen die Schönheit der Seele und begreifen einigermaßen die Freundlichkeit und Reinheit der Liebe.
Der von Gott erschaffene Mensch lebt, um zu segnen und gesegnet zu werden. Dies ist ein Gesetz der Liebe, des göttlichen Wesens Gottes. Wir können die Wirkungen dieses Gesetzes ringsumher sehen in liebevollem und freundlichem Handeln, in herrlichen Blüten, prächtigen Sonnenuntergängen, im Gesang der Vögel, in reich mit Früchten beladenen Bäumen. Jesu Leben zeigte uns den Vater und Sein göttliches Wesen. Mary Baker Eddy arbeitete jahrelang, um uns ihre Offenbarung und Entdeckung, die Christliche Wissenschaft, zu geben und diese heilige Sache auf Erden zu gründen. Diese Bekundungen von „Gott mit uns“ lassen Sein Gesetz des Segens, der Liebe, der Ordnung, des Ebenmaßes und der Harmonie erkennen. Gott hat Seiner Schöpfung nie gesagt, daß sie krank oder in Not sei. Diese Einflüsterungen entspringen dem nachahmenden oder sterblichen Gemüt. Jede Einflüsterung einer Unvollkommenheit des von Gott erschaffenen Menschen und des Weltalls ist nur eine vergängliche Auffassung vom Unvergänglichen.
Die Christliche Wissenschaft lehrt ihre Anhänger, daß sie die gesegneten Söhne und Töchter Gottes sind. Gott erschuf keine Sterblichen, weil Er das unsterbliche Leben ist. Gott ist die Liebe, und Er segnet nur. Sein Gemüt, das einzige Gemüt, ist das göttliche Bewußtsein, das der Mensch widerspiegelt. In diesem göttlichen Bewußtsein gibt es keine Feindschaft, keinen Fluch, keine Widersetzlichkeit; denn sein Ursprung ist das Prinzip, die Liebe. Im Gemüt besteht nur Selbstlosigkeit, Reinheit, Wohlwollen, Segen, Schönheit und Gutes. „Für das Gute ist das Böse nie gegenwärtig; denn das Böse ist ein anderer Bewußtseinszustand. Gott warnte nicht vor dem Bösen, sondern davor, Böses zu kennen. Er wohnt im Licht, und im Licht sieht Er Licht und kann keine Finsternis sehen“, schreibt Mrs. Eddy auf Seite 367 in „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften).
Die Verfasserin sehnte sich lange danach, das Erste Gebot und die Beziehung der Gebote zu den Seligpreisungen besser zu verstehen. Wie konnte das Verbieten von Sünde eine Beziehung haben zu gegenwärtigem Gesegnetsein? Die Erhörung dieses Verlangens oder Gebets wurde ihr eines Morgens in der Frühe zuteil. Sie erkannte, daß das Erste Gebot (2. Mose 20:3): „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“, nicht nur Gehorsam von uns verlangt, sondern als notwendige Folgerung die Harmonie Gottes oder der Liebe erklärt, verheißt und verkündigt. Sie sah, daß es nicht eine persönliche Forderung, nicht der Wille eines persönlichen Vaters war, den Er einem Kind gegenüber aussprach, das sündigen kann, sondern daß es die sich selber äußernde Wahrheit ist, die Gottes göttliches Wesen und Gesetz verkündet.
Sie überlegte, daß Gott, der einzige Gott, gut ist und daher kein Übel kennt. Als das göttliche Gemüt, die Seele, die Liebe, ist Er sich nur Seiner eigenen Vollkommenheit bewußt; Er kennt die dem sogenannten sterblichen Gemüt erscheinenden Vorspiegelungen des Bösen nicht. Sie sah, daß die in sieben der Zehn Gebote vorkommenden Wörter „sollst nicht“ nicht nur Sünde verboten, sondern auch erklärten, daß nur der Geist durch seine Reinheit und die Seele durch ihre Schönheit anziehend und wirklich sind. Der Mensch kennt kein Übel, keinen Fluch; er hat nur Gutes, nur Segnungen; denn er ist der geliebte Sprößling der Liebe.
Paulus schrieb in seinem Brief an die Römer (14:13, 14): „Darum lasset uns nicht mehr einer den andern richten; sondern das richtet vielmehr, daß niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis darstelle. Ich weiß und bin gewiß in dem Herrn Jesus, daß nichts gemein ist an sich selbst; nur dem, der es rechnet für gemein, dem ist's gemein.“ Wie sollen wir angesichts scheinbarer Selbstsucht, Ungerechtigkeit, Unehrlichkeit und so weiter Verständnis haben und nicht richten? Diese Irrtümer kommen nicht von dem göttlichen Gemüt, sondern sie sind irrige Annahmen, und wer an diesen Annahmen festhält, befindet sich schon in Finsternis, und Verdammung oder Entrüstung bringt weder ihnen noch uns Erleuchtung.
Schenkte Jesus, als der Besessene nach dem Bericht im 5. Kapitel des Evangeliums des Markus und im 8. Kapitel des Evangeliums des Lukas antwortete, er heiße Legion, dieser Lüge irgend welchen Glauben? Nein. Er heilte den Mann. Jesus entschuldigte Sünde nie, sondern wies sie oftmals offen zurecht; vor seiner Kreuzigung bat er Gott jedoch, den Übeltätern zu vergeben, da er sagte (Luk. 23:34): „Sie wissen nicht, was sie tun.“ Jeder Christliche Wissenschafter wird schließlich zu der Einsicht kommen, daß er diese Lügenannahmen deshalb anscheinend erlebt, weil er Sünde und Krankheit in seinem eigenen Denken nicht verneint. Ein bloßes gesprochenes Verneinen genügt nicht. Das wirksame Verneinen besteht darin, daß man sich sofort, bestimmt und beständig weigert, solche Gegenteile des Guten, Gottes, zu hegen oder für wirklich zu halten. Schließlich werden wir alle sehen, daß eine Null oder tausend Nullen doch nur null, nichts, ist.
Was veranlaßt unehrliches, selbstsüchtiges oder ungerechtes Handeln? Ist es nicht ein sterblicher Sinn der Unvollständigkeit; ein Sinn des Getrenntseins von Gott, dem Guten; die Furcht, daß etwas verlorengehen könne oder daß nicht genug Gutes für alle vorhanden sei? Solche Furchtgedanken entstehen aus Unkenntnis der immergegenwärtigen Liebe, die Gott ist, und die Christliche Wissenschaft zeigt uns, wie wir sie überwinden können.
In Gottes Weltall gibt es keinen unvollendeten, vorzeitigen, verspäteten, verkehrten oder verführten Sprößling. Der Mensch wird nicht von Sterblichen, sondern von dem unendlichen Gemüt erzeugt, und Gott segnet Seine Idee, den Menschen. Der Mensch ist nicht verflucht oder sterblich; die Annahme, daß er verflucht sei, ist die Lüge des sterblichen Gemüts. Der Mensch bedarf keiner Zeit zu seiner Entwicklung. Er braucht nicht Irrtum von sich abzuschütteln oder etwas zu sich hinzuzufügen, da er als Gottes Widerspiegelung schon vollständig ist und alles hat. Der Mensch ist eine vollständige geistige Idee, er ist nie nur ein Bruchteil dieser vollständigen Idee. Ebenso, wie die Zahl sieben immer sieben bleibt und nie weniger, etwa sechs und siebenachtel wird, auch nie mehr wird, etwa sieben und einachtel, so ist der Mensch unversehrt und drückt beständig geistige Eigenschaften aus.
Der Mensch ist Gottes Widerspiegelung. Unablässiges, aufrichtiges Gebet hilft uns dies verstehen, bis keine unharmonischen Bilder mehr in Erscheinung treten. Gott, unser Urheber, unser großer Urquell, hat uns alles Gute verliehen. Der Mensch kann also nicht verdammen, verfluchen oder Leiden verursachen; er kann nur segnen. Bileam bestätigt diese Tatsache (4. Mose 23:8, 20): „Wie soll ich fluchen, dem Gott nicht flucht? Wie soll ich schelten, den der Herr nicht schilt?. .. Siehe, zu segnen bin ich hergebracht; er segnet, und ich kann's nicht wenden.“
Wer mit der Bibel vertraut ist, weiß, was Moses und Jakob erlebten. Im 4. Kapitel des 2. Buchs Mose ist berichtet, wie Moses vor dem, was eine Schlange zu sein schien, floh; als er aber Gott gehorchte und sie ergriff, fand er, daß sie ein Stab oder ein Stecken war, worauf er sich stützen konnte, ein Segen für ihn und andere. Im 32. Kapitel des 1. Buchs Mose finden wir ferner den Bericht, wie Jakob die ganze Nacht mit einer Schwierigkeit rang, gegen Tagesanbruch jedoch erkannte, daß sie einen Segen für ihn in sich schloß, und er ließ nicht davon ab, bis er den Segen empfangen hatte. „Leid hat seinen Lohn. Es läßt uns niemals da, wo es uns gefunden hat. Der Schmelzofen trennt das Gold von den Schlacken, damit das Bild Gottes in das kostbare Metall eingegraben werde“, schreibt Mrs. Eddy auf Seite 66 und 67 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift.“ Und Jesus sagte (Matth. 5:3, 4): „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr. Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“
Laßt uns eine Schwierigkeit, vor der wir zu stehen scheinen, als eine Erfahrung betrachten, durch die wir ein Segen sein und gesegnet werden können! Dadurch lernen wir die Vorstellung vom Bösen aufgeben und gewähren der Liebe Einlaß in unser Bewußtsein, daß sie uns benütze und durch uns leuchte. Die Verfasserin fand, daß es ihr eine Hilfe war, darum zu beten, daß jeder der auf Seite 587 in „Wissenschaft und Gesundheit“ erwähnten sinnverwandten Ausdrücke für Gott in ihr leben möge.
Vergessen wir nicht, welch herrliche Färbungen die Sonne bei Tagesanbruch den Wolken gibt! Wenn wir von der Sonne aus hinausschauen könnten, würden wir das ganze Sonnensystem in Sonnenlicht gebadet sehen. Da wäre nichts Finsteres oder Düsteres vorhanden. So müssen der menschliche Wille und das sterbliche Denken, die unaufgeklärt oder Finsternis sind, verschwinden, wenn Gottes Herrschaft auf Erden kommt wie im Himmel.
Unsere Führerin gibt den Rat (Miscellaneous Writings, S. 14): „Trenne dein Denken also von der sterblichen und materiellen Ansicht, die im Widerspruch steht zu der Allgegenwart und Allmacht des Guten; gib nur die diese Eigenschaften in sich schließenden unsterblichen Tatsachen zu, und wo kannst du Böses sehen oder fühlen oder dessen Bestehen für den Ursprung oder das Endziel des Guten nötig finden?“
    