Was ist Güte? Es ist eine Eigenschaft der göttlichen Liebe und kann als Freundlichkeit, Rücksicht und Gutherzigkeit definiert werden. In dem Buch „die Sprüche Salomos“ spricht der Prediger von Güte in Verbindung mit seiner Schilderung eines tugendsamen Weibes. Er stellt sie als wachsam, fleißig und selbstlos dar und sagt dann (31:26): „Sie tut ihren Mund auf mit Weisheit und auf ihrer Zunge ist das Gesetz der Güte“ (engl. Bibelübers.).
Das Gesetz der Güte ist ein Gesetz Gottes, und der Mensch der Schöpfung Gottes hört niemals auf, Wohlwollen und herzliche Zuneigung auszudrücken, weil sie ewige und unzerstörbare Eigenschaften seines Seins sind. Der Mensch Gottes kann nicht ungut sein. Das Gesetz der Güte regiert sein Denken und Handeln. Die Erkenntnis des immergegenwärtigen Wirkens dieses Gesetzes bereichert die menschliche Erfahrung und übt einen starken, heilenden und harmonisierenden Einfluß auf sie aus.
Eine der früheren Definitionen von „gütig“ war: „Von guter Abstammung und Herkunft.“ Hieraus ersehen wir, daß wahre Güte nicht etwas ist, das man sich wie eine Politur auflegen kann, sondern daß es echte, von der göttlichen Liebe ererbte Vortrefflichkeit ist. Durch das beständige Anwenden des wissenschaftlichen Gesetzes der Güte im täglichen Leben, identifiziert sich der Christliche Wissenschafter mit dem Christus, seiner wahren geistigen Natur. Wie die Sonnenstrahlen, die allen Menschen Licht und Wärme spenden, ungeachtet der Hautfarbe, des Glaubensbekenntnisses oder der Stellung, so ist das Gesetz der Güte und Vortrefflichkeit objektiv und universell in seiner Reichweite. Wie ein stetiger Strom fließt Güte mit unbegrenzter Kraft und heilender Wirkung aus dem Bewußtsein, das von dem Christus erfüllt ist.
Das Gesetz der Güte schließt weder Schwäche, Ungerechtigkeit noch eine rein persönliche Auffassung von Gutsein in sich. Es leitet seine Macht nicht von materiellen Dingen her, sondern infolge seines geistigen Ursprungs verleiht es dem Menschen die Fähigkeit, mit Vollmacht, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit zu sprechen, sowie mit Barmherzigkeit, Rücksicht und Liebe.
Der mißverstandene Begriff von Güte ist manchmal einseitig und begrenzt. Oft häuft er materielle Gaben auf seinen Auserwählten mit einer Selbstzufriedenheit, die den Spender sowohl wie den Empfänger versklavt. Aber reine Gedanken, von Selbstlosigkeit und geistigem Verständnis beschwingt, segnen Geber und Empfänger und identifizieren beide mit dem Christus.
Der Materialismus und die Selbstsucht, die heute in der Welt an der Tagesordnung sind, möchten das Gesetz der Güte ersticken. Die schlechte Behandlung, die Kindern, alten Leuten und Tieren widerfährt, deutet darauf hin, daß die Welt dieses Gesetz der Güte, wie die Christliche Wissenschaft es offenbart, anerkennen und befolgen muß. Männer und Frauen, die im Geschäfts- und Gesellschaftsleben große Güte und Rücksicht zeigen, behandeln manchmal ihre Angehörigen mit Groll und Unhöflichkeit und umgekehrt. Vielleicht betrachtet jemand ein Kind, einen Angestellten oder einen alten Menschen als schwierig oder als eine Last und behandelt ihn mit Unwillen. Wir sollten nicht von jemand, mit dem wir in Berührung kommen, erwarten, daß er in kurzer Zeit die hohe Lebensnorm erreicht hat, die wir beanspruchen, ohne sie nach Jahren des Strebens selbst erreicht zu haben. Die Anwendung des Gesetzes der Güte vertilgt die falschen mentalen Persönlichkeitsvorstellungen und anerkennt den geistigen Beweis vom Menschen als gehorsam, hilfreich und stets die Eigenschaften wahren Seins entfaltend.
Ein Christlicher Wissenschafter, der sich eine Reihe von Jahren der Kindererziehung widmete, machte sich Mrs. Eddys Offenbarung des Menschen zu eigen, die ihn als Bild und Gleichnis des Geistes und daher als frei von irgendeiner falschen Annahme der Sterblichkeit zeigt. Auf dieser Grundlage hielt er daran fest, daß Widerspenstigkeit, Ungehorsam oder irgendwelche andere unerwünschte Charakterzüge in Wirklichkeit nicht den Kindern angehörten, die er zu betreuen hatte. Er weigerte sich, anzunehmen, daß es je einen „bösen“ Jungen oder ein „böses“ Mädchen geben konnte. Wenn er genötigt war, einen Schüler zu bestrafen, dann sprach er ruhig und in gütiger Weise mit dem Kind darüber und machte ihm die Wirkungen irrigen Denkens und die Segnungen der engelgleichen Gedanken des Geistes klar. Am Schluß der Unterredung brachte dann immer das Kind, das zurechtgewiesen werden mußte, Dankbarkeit für die Zurechtweisung zum Ausdruck und bekundete eine höhere Auffassung von Gehorsam und Gutwilligkeit.
Jesus gab uns das Beispiel der Güte. Seine Liebe zu kleinen Kindern, seine Geduld mit unbegabten Jüngern, seine sanfte Achtung vor Maria Magdalena, der Reuevollen, und seine liebevolle Fürsorge für seine Mutter am Kreuz — alles zeigt die heilende Wirkung des Gesetzes der Güte, wenn es beständig im täglichen Leben angewendet wird.
Auch Mrs. Eddy veranschaulichte das Gesetz der Güte. Eine ihrer hervorragenden Eigenschaften war das große Sehnen, gut zu sein und Gutes zu tun. Wenn sie ihre Nachfolger zurechtweisen mußte, so geschah es immer, um sie zu segnen und ihr Denken zu vergeistigen. Sie sagt uns (Miscellaneous Writings, S. 127): „Weise Redensarten und Geschwätz mögen verklingen, ohne das Ohr und Herz eines Hörenden zu erreichen; aber ein warmes Gefühl, ein gütiges, im rechten Augenblick gesprochenes Wort werden niemals vergebens ausgesandt.“ Und im Hinblick auf den Ausdruck von Zuneigung, die der Güte verwandt ist, sagt sie (ebd. S. 250): „Sie ist die milde, selbstlose Tat, die im Verborgenen geschieht; das stille Beten ohne Unterlaß; das überströmende Herz, das sich selbst vergißt; die verhüllte Gestalt, die sich heimlich entfernt, um Barmherzigkeit zu üben; die die Straße entlang trippelnden Füßchen; die gütige Hand, die die Tür öffnet, hinter der Mangel und Elend, Krankheit und Leid seufzen, und so die finstern Orte der Erde erhellt.“
Möge jeder Christliche Wissenschafter dieses Gesetz der Güte in seinem täglichen Leben zur Anwendung bringen und so beweisen, daß das Himmelreich — das Reich der Harmonie, des Wohlwollens und der eingeborenen Güte — immerdar zur Hand sind. Mögen wir immer Paulus’ Rat eingedenk sein (Eph. 4:31, 32): „Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung sei ferne von euch samt aller Bosheit. Seid aber untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem andern, gleich wie Gott euch vergeben hat in Christo.“
