Wahre Schönheit ist geistige Lieblichkeit und wohnt allem wahren Seine inne. Für die menschliche Wahrnehmung kommt Schönheit durch Menschen, durch Vögel und andere Tiere, Bäume und Blumen, Hügel und Täler zum Ausdruck. Man sieht sie in der Erhabenheit hoher Berge, weiter Seen und mächtiger Bäume, in einem Sandkorn, einem Grashalm, einem Bächlein, einem Wüstenstrauch.
Im menschlichen Charakter findet sie Ausdruck in Edelmut, Vertrauenswürdigkeit, Reinheit und Selbstlosigkeit. Um diese Schönheit betete der Psalmist, als er sang: „Laß deinen Knechten dein Walten sichtbar werden und ihren Kindern deine Herrlichkeit!“ (Ps. 90:16. Menge-Bibel.) Mögen doch Redlichkeit, Gleichmut und Güte alle unsere Gedanken und Handlungen kennzeichnen. Laßt uns christusähnlich sein, Gott lieben und unseren Nächsten wie uns selbst.
Wahre Schönheit hat ihren Ursprung in Gott; sie übt einen veredelnden Einfluß im menschlichen Denken aus, hebt das menschliche Leben und macht es glücklicher. Sinnliche sogenannte Schönheit, die materiell in Ursprung und Einfluß ist, gleichviel ob sie in Kunst, Musik oder menschlichen Wesen Ausdruck findet, ist trügerischer Natur. Das Unreine und Unedle hat kein Teil an der Würde und Anmut wahrer Schönheit.
Geistige Schönheit ist ein universelles Erbteil. Selbst individuell ausgedrückt, ist sie nicht persönlicher Besitz, sondern die Lieblichkeit des göttlichen Gemüts, die in Erscheinung tritt. Es steht einem jeden frei, erhabene Ideen im göttlichen Gemüt zu suchen und die natürliche Spontaneität der Liebe zum Ausdruck zu bringen.
Eitler Prunk und Äußerlichkeit sind weit entfernt von der Einfachheit und dem Liebreiz wahren Seins. Oberflächlichkeit hat kein Teil an der natürlichen Lieblichkeit, die in gesundem Gemüt, gesundem Körper und gesunden Sitten Ausdruck findet. Wahre Schönheit übersteigt alles oberflächliche Gepränge, das Eitelkeit oder Selbstverherrlichung je bewirken können. Das Bewußtsein von des Menschen Einssein mit Gott erleuchtet das menschliche Antlitz, verleiht dem menschlichen Benehmen Gleichmut und Stärke.
Als Moses sich zu der geistigen Höhe erhob, wo er das moralische und geistige Gesetz wahrnahm, das wir in den Zehn Geboten niedergelegt finden, strahlte sein Angesicht von geistigem Licht und geistiger Herrlichkeit. Eine neue Offenbarung hatte sich ihm entfaltet, eine Offenbarung, die bestimmt war, nicht nur seine eigenes Volk, sondern die ganze Welt in allen Zeitaltern zu segnen. Die geistige Erleuchtung, die sich in seinem Antlitz widerspiegelte, wurde von seinen Freunden wahrgenommen; denn es wird berichtet, daß „alle Kinder Israel sahen, daß die Haut seines Angesichts glänzte“ (2. Mose 34:30). Unsere Führerin Mary Baker Eddy schreibt in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 248): „Liebe wird niemals Lieblichkeit aus dem Auge verlieren. Ihr Glorienschein ruht auf ihrem Gegenstand. Es würde uns sonderbar vorkommen, wenn ein Freund uns je anders als schön erschiene.“ Es ist die Schönheit des Denkens, die rechte mentale Einstellung, die uns liebevoll und liebenswert macht.
Der natürliche Liebreiz des wirklichen Seins tritt in Erscheinung, wenn eine falsche Auffassung vom Selbst überwunden wird in einem freudigen Mitteilen des Guten an andere. Niemand, dessen Bewußtsein von der Freude christlichen Dienens erfüllt ist, kann sich scheu oder bedrückt fühlen. Wenn wir andern helfen, erlangen wir ein richtiges Verständnis für unsern eigenen Wert als Vertreter Gottes; Schüchternheit wird überwunden, und eine freiere und glücklichere Anteilnahme an dem Erleben anderer tritt an ihre Stelle. Wir lernen verstehen, daß unsere wahre Selbstheit in liebevoller, freudiger Eintracht mit der wahren Selbstheit eines jeden anderen verbunden ist. In dieser rechten Auffassung der Verbundenheit schwindet die Schüchternheit, und der Liebreiz eines frohen Lächelns, die Aufrichtigkeit wahrer Freundschaft und die Freude gutmütigen Humors finden spontanen Ausdruck. So werden beglückende Ereignisse — das Resultat innerer Lieblichkeit — Harmonie und Entspannung in den Kreislauf unserer täglichen Beziehung mit anderen Menschen bringen.
Wahre Schönheit strahlt in dem Glanz unvermindeter Stärke und Lebenskraft; doch diese wohnen nicht der Materie inne. Sie bedeuten vielmehr, daß die Seele ihren eigenen Ideen ihre eigenen Eigenschaften mitteilt. Da die Schönheit zeitlos ist, wird sie weder erhöht durch das, was das menschliche Gemüt Jugend nennt, noch vermindert durch das, was es mit Alter bezeichnet.
Wenn wir uns an jugendliche Materie klammern, um Schönheit und Kraft zu bewahren, so wird Mißerfolg das Resultat sein. Was einmal junge Materie zu sein schien, wird unvermeidlich alte Materie zu werden scheinen, deren Spannkraft und Stärke abnimmt, und deren vermeintliche Schönheit verwelkt und vergeht. Doch wahre Frische und Schönheit wohnen niemals der Materie inne und können daher nicht von der Materie angegriffen und zerstört werden. Wenn wir an der Kraft und Stärke gottähnlichen Denkens festhalten, so finden wir, daß unsere Erdentage sich verlängern und daß uns Gesundheit und Energie bewahrt bleiben.
Menschliche Schönheit nimmt mit vorrükkendem Alter vielmehr zu statt ab, wenn die geistige Entwicklung Schritt hält mit dem Verstreichen der Zeit. Unsere Führerin ist ein hervorragendes Beispiel für diese Tatsache. Ihre beliebtesten Bilder sind diejenigen ihrer späteren Jahre, welche die Kraft, Weisheit, Ausgeglichenheit und Liebe widerspiegeln, die sie in Jahren hingebender Arbeit für ihre große Mission erlangt hatte. Sie bewies die Wahrheit ihrer Erklärungen in „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 246): „Der Mensch, der vom unsterblichen Gemüt regiert wird, ist immer schön und groß. Jedes kommende Jahr bringt Weisheit, Schönheit und Heiligkeit zur Entfaltung.“
Das Denken, das in der Erkenntnis des wahren Seins fortschreitet, nimmt von Jahr zu Jahr zu an Weichheit, Freundlichkeit und der Reinheit geistiger Reife. Von Tag zu Tag lernen wir die Freude des Dienens besser verstehen, die Lieblichkeit einer sanften Antwort, die Nachsicht des Vergebens, den Liebreiz der Unschuld, die Anziehung des vergeistigten Seins und die Größe heiliger Gedanken. Wir lernen begreifen, daß Einfachheit, Stille und Güte Kennzeichen innerer Schönheit sind, daß auch Anstand, Bildung in Sprache und Benehmen, rücksichtsvolle Höflichkeit und Liebenswürdigkeit einbegriffen sind, in dem Ausdruck wahrer Schönheit.
Jemand mag denken, daß Schönheit ihm versagt sei, daß Häßlichkeit der Gestalt, des Umrisses oder der Farbe ihm durch Geburt oder durch irgendeine unglückliche Erfahrung auferlegt worden sei, und daß es ihm daher nicht möglich sei, Schönheit und Anmut zum Ausdruck zu bringen. Doch das ist nicht der Fall; denn Gestalt, Umriß, Farbe und Symmetrie sind nicht abhängig von der leblosen Materie, sondern werden von der göttlichen Liebe regiert. Es sind geistige Eigenschaften, die vom vollkommenen Gemüt ausgehen, und niemand kann der Möglichkeit beraubt werden, ihnen Ausdruck zu verleihen. Mrs. Eddy schreibt (ebd., S. 247): „Schönheit ist ein Ding des Lebens, sie wohnt immerdar in dem ewigen Gemüt und spiegelt den Zauber Seiner Güte in Ausdruck, Gestalt, Umriß und Farbe wider. Liebe ist es, die das Blumenblatt mit tausend Farben malt, die in dem warmen Sonnenstrahl glänzt, die über der Wolke den Bogen der Schönheit wölbt, die die Nacht mit Sternjuwelen ziert und die Erde mit Lieblichkeit deckt.“
Die Christliche Wissenschaft stempelt jede Phase der Häßlichkeit als unwirklich, als nicht im Reich Gottes noch in Seinem Vertreter, dem Menschen, vorhanden. In dem Maße wie der Christliche Wissenschafter sich weigert, den falschen Zustand, den die sterbliche Annahme ihm auferlegen möchte, anzuerkennen, und aufrichtig und hingebungsvoll die göttliche Liebe widerzuspiegeln sucht, entdeckt er, daß Lieblichkeit lebenskräftig und tatkräftig in der menschlichen Erfahrung vorhanden ist. Dadurch drückt er nicht nur persönlich mehr die Schönheit der Seele aus, sondern auch seine Umwelt und seine Umgebung werden immer schöner und befriedigender.
Der Ausdruck wahrer Schönheit und die Freude daran stehen allen frei. Jedermann kann sein Denken schön erhalten, indem er die Wirklichkeit betrachtet — da die Wirklichkeit immer schön ist. So werden alte Freunde und alte Szenen dem erwachten geistigen Denken als in neues Licht und neue Lieblichkeit getaucht erscheinen, und die Schönheit der Heiligkeit wird eine lebendige Gegenwart und Macht sein.