In ihrem Aufsatz „Wissenschaft und Philosophie“ in „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften, S. 366) sagt Mary Baker Eddy: „Die Sünde und ihre Folgen zu zerstören, ist das Amt des Christus, der Wahrheit — gemäß der göttlichen Heilmethode in der Christlichen Wissenschaft; und dies geschieht täglich.“ Heute erfüllt der Christus, die Wahrheit, durch die Christliche Wissenschaft sein allumfassendes Amt in der täglichen Zerstörung des Bösen, indem er des Menschen geistige Gotteskindschaft, seine geistige Abstammung von Gott, offenbart. Empfängliche Herzen allerorten finden, daß der Christus ihre eigene Unsterblichkeit ans Licht bringt, indem er Gottes Allheit offenbart und des Menschen wahre Selbstheit als Seinen vollkommenen Ausdruck, dessen Wesen und Sein vollständig im Geist beruht und von ihm abstammt. Heilung folgt. Denn in dem Verhältnis, wie die Wahrheit dieser geistigen Idee der Existenz oder der göttlichen Abstammung sich im individuellen Bewußtsein entfaltet, wird der sogenannte Materialismus, mit seinen Folgen der Krankheit und des Todes, aufgedeckt und zerstört.
Als die Offenbarung, durch welche die Heilkraft des Christus oder der Wahrheit heutzutage allen zugänglich gemacht worden ist, begegnet die Christliche Wissenschaft dem gleichen allgemeinen Mißverstehen, das den Meister während seines Wirkens umgab. Gar viel davon kann unseren fehlerhaften Erziehungssystemen zugeschrieben werden, die dazu neigen, das Heilen der körperlichen Leiden durch geistig mentale Mittel mit einer Wolke des Geheimnisvollen und Übernatürlichen zu umgeben. In Wirklichkeit ist jedoch das wahre geistige Heilen nicht geheimnisvoller und übernatürlicher als die Berichtigung eines Rechenfehlers. Denn im Grunde sind sowohl Rechenfehler wie körperliche Beschwerden Verneinungen, Resultate falschen Denkens; und beide verschwinden durch die Erkenntnis der Wahrheit.
Ebenso natürlich, wie die Erkenntnis einer mathematischen Wahrheit mathematische Irrtümer oder Fehler zerstört, überwindet die Erkenntnis der geistigen Abstammung des Menschen — die Wahrheit, daß der Mensch ewig auf dem Punkt geistiger Vollkommenheit existiert — die Disharmonien des Seins. Die Wirksamkeit des Christus oder der Wahrheit im menschlichen Bewußtsein ist wie das Aufdämmern eines neuen Tages: es heilt spontan und löst die Disharmonien auf, etwa wie das Licht die Dunkelheit verscheucht. Christus Jesus faßte dies alles in einer kurzen doch machtvollen Erklärung zusammen, als er sagte (Joh. 8:32): „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“
Die Hauptforderung, die unsere Empfänglichkeit für die Wahrheit über uns selbst bedingt, ist die gleiche wie die, die unsere Empfänglichkeit für die Wahrheit über jeden anderen Gegenstand bedingt. Nämlich Demut — die Bereitwilligkeit, die Wahrheit anzunehmen, wenn sie uns dargeboten wird. Der Meister war sich dessen bewußt, denn er sandte seiner Verheißung der Freiheit durch die Erkenntnis der Wahrheit die notwendige Bedingung für ihre Erfüllung voraus. Er sagte: „Wenn ihr bleiben werdet in meiner Rede“ — wenn ihr meine Auffassung der Existenz annehmt.
Wenn diese Idee, geistige Vollkommenheit als eine wirkliche Tatsache anzunehmen, ehe wir sie auch nur annähernd verstanden haben, unser Denken verwirrt, so sollten wir uns daran erinnern, daß unser ursprüngliches Annehmen des Lehrsatzes, daß eins und eins zwei ist, auch auf einer bloßen Voraussetzung beruhte. Als wir diesen Lehrsatz jedoch als wahr annahmen, und ihn zur Prämisse machten, von der andere mathematische Schlußfolgerungen abgeleitet werden konnten, erlangten wir bald ein anwendbares Verständnis von dem betreffenden Prinzip, das sich in richtigen Lösungen auswirkte. Hätten wir dagegen diesen Lehrsatz verworfen und vorgezogen zu glauben, daß eins und eins drei oder vier oder irgendeine andere Zahl ergäbe, so würden wir immer noch in mathematischer Unwissenheit umherirren und als Resultat eine falsche Lösung nach der anderen ernten.
Ebenso werden alle diejenigen, welche bereit sind, die Wahrheit über unsere geistige Wesenheit anzunehmen und ihr entsprechen zu leben, finden, daß auch wir ein anwendbares Verständnis von dem betreffenden göttlichen Prinzip finden können, das sich menschlich in solch rechten Lösungen wie Gesundheit, Frieden, Wohlstand und Langlebigkeit auswirkt.
Ein junger Mensch geriet einmal in einen Gemütszustand, wo er den Willen zum Leben verloren hatte. Ein Ungemach nach dem anderen hatte ihn befallen und zu einem Zustand beständiger Enttäuschung und Entmutigung geführt. Gerade als die dunkelste Stunde gekommen schien, kam er mit der Christlichen Wissenschaft in Berührung; und da er ahnte, daß sie die Lösung seiner Probleme bringen könnte, nahm er das Suchen nach der Wahrheit auf.
Er verbrachte viele Stunden des Tages in einem Lesezimmer der Christlichen Wissenschaft, wo er über die in der Bibel, in „Wissenschaft und Gesundheit“ und in anderen autorisierten christlich-wissenschaftlichen Schriften dargelegten Wahrheiten über Gott und den Menschen nachdachte. Die Offenbarung von der geistigen Abstammung des Menschen war eine frohe Botschaft für ihn, und er nahm sie eifrig auf, indem er sich aufrichtig bestrebte, nur die gottähnlichen Eigenschaften auszudrücken, die das wahre Menschentum ausmachen.
Sofort setzte ein Wandel zum Besseren ein. Vorher war sein ganzes Denken unbewußt auf dem Zeugnis der materiellen Sinne aufgebaut. Doch nun wurde seine Denkweise durch das Annehmen der Wahrheit von der geistigen Abstammung des Menschen in neue Bahnen gelenkt, und er begann, seine Schlußfolgerungen immer mehr von dem Ausgangspunkt des Christus abzuleiten, der nur Gutes kennen und erleben kann. Die Gewohnheiten des Rauchens und des Trinkens verschwanden gar bald. Unliebsame Charakterzüge wurden überwunden, einer nach dem andern. Kurz darauf wurde ein glückliches Heim gegründet und befriedigende Beschäftigung gefunden. Christus, die Wahrheit, hatten den ganzen Lebenslauf dieses jungen Menschen umgewandelt.
Kann es jemals einen Rechenfehler geben, den die mathematische Wahrheit nicht berichtigen könnte? Doch gewiß nicht! Kann es jemals einen unharmonischen Zustand geben, den der erneuernde Einfluß des Christus oder der Wahrheit nicht erreichen könnte? Ebensowenig! Der Christus oder die Wahrheit steht uns immer zur Verfügung, stets bereit, uns zu heilen und zu segnen. Dabei gibt es nur eine Frage: Tun wir unser Teil, indem wir unsere Herzen der Wahrheit aufschließen? Tatsächlich ist es doch nur durch das Veranschaulichen des Christus oder der Wahrheit in unserem täglichen Leben, daß die praktischen Demonstrationen möglich werden. Mrs. Eddy sagt uns in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 496): „Wir alle müssen lernen, daß Leben Gott ist. Frage dich: Lebe ich das Leben, das dem höchsten Guten nahe kommt? Demonstriere ich die heilende Kraft der Wahrheit und Liebe? Wenn dem so ist, dann wird der Weg immer lichter werden, bis auf den vollen Tag'.“
Laßt uns danach streben, das Heute, ja jeden Tag, zu jenem „vollen Tag“ zu gestalten, indem wir unsere Gotteskindschaft, unsere geistige Abstammung, zum Ausgangspunkt unseres Denkens und Lebens machen. So finden wir das heilende Prinzip des Christus, der Wahrheit, und werden Zeugen der erlösenden Kraft seines großen Amtes.
