Es ist interessant, unsere Vorstellungen von Raum zu prüfen, der notwendigerweise unendlich ist und alles einschließt. Es ist eine der Neigungen des menschlichen Gemüts, den Einzelmenschen von dem übrigen Universum abzutrennen. Diese Neigung möchte den Einzelmenschen seines Rechtes berauben, sich als zum Ganzen der Schöpfung gehörig zu betrachten. Außerdem würde sie ihn von der Sicherheit der universalen Ordnung trennen, in welcher der Mensch untrennbar ist von dem unendlichen Geist, Gott, der allen Raum erfüllt und alles, was es gibt, umschließt. Die folgende Erfahrung mag zur Erläuterung dienen, wie wir uns in Gedanken beständig mit der geistigen Wahrheit verbinden können, welche uns durch die Entfaltung unserer wahren Identität den augenblicklichen Schutz Gottes offenbart.
Bei einem abendlichen Spaziergang auf dem Lande fühlte ich mich beim Anblick der unermeßlich vielen Sterne, die in den dunklen Himmelsfernen sichtbar waren, tief bewegt. Gerade dann fiel mir ein, daß ich früher einmal gelesen hatte, daß die alten Gallier befürchteten, der Himmel würde ihnen auf die Köpfe fallen. Ein paar Augenblicke lang war es schwierig, mein Denken über die Einflüsterung zu erheben, die den Menschen als schwach und unbedeutend darstellt, Mächten und Verhängnissen ausgeliefert, denen er sich widerstandslos und voller Furcht unterwerfen müsse.
Als sich mein Denken wieder ausgerichtet hatte, und ich über die geistige Natur des Menschen nachdachte, kam die Inspiration des achten Psalms zu mir. Er beginnt: „Herr unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen, du, den man lobet im Himmel.“ Und er enthält den folgenden Satz: „Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk; alles hast du unter seine Füße getan.“
Es war als hätte ich gelesen: „Der unendliche Raum ist von Gottes Gegenwart erfüllt, und es gibt keinen Platz, wie klein auch immer, an dem man sich Gottes Abwesenheit vorstellen könnte. Wir sind daher ununterbrochen, Tag und Nacht, ob wir es wissen oder nicht, in der Allheit des göttlichen Raumes, und das Bewußtsein dieser Wahrheit gibt uns die Sicherheit, vor allen Drohungen und Gefahren beschützt zu sein, seien sie internationaler, kollektiver oder individueller Natur.“
Ich kann das Glücksgefühl, das mich überkam, kaum in Worten beschreiben. In meiner Umgebung hatte kein Wechsel stattgefunden, dennoch hätte ich sagen können, daß ich ins Himmelreich emporgetragen worden war.
Die folgende Stelle aus „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mary Baker Eddy brachte mir zusätzliche Freude (S. 331): „Gott ist individuell, unkörperlich. Er ist das göttliche Prinzip, Liebe, die universale Ursache, der einzige Schöpfer; es gibt keine andere Selbstexistenz. Er ist allumfassend und wird von allem Wirklichen und Ewigen widergespiegelt und von nichts anderm. Er erfüllt allen Raum, und es ist unmöglich sich eine solche Allgegenwart und Individualität anders, denn als unendlichen Geist oder unendliches Gemüt vorzustellen. Daher ist alles Geist und alles geistig.“
All diese soeben zitierten Worte standen wie in Marmor gemeißelt vor mir. Jedoch die Worte „Er erfüllt allen Raum“ erschienen mir wie eine gänzlich neue Offenbarung, obgleich ich sie während meines Studiums der Christlichen Wissenschaft wohl tausend mal gelesen hatte.
Wenn es uns schwierig erscheint, an einen Gott zu glauben, der allen Raum erfüllt, so liegt es daran, daß wir an zwei Schöpfungen glauben, die einander entgegengesetzt sind und Beschränkungen, Trennungen und Widersprüche einschließen. Es braucht nicht betont zu werden, daß Rassenhaß, soziale Ungerechtigkeiten, politischer Zwiespalt und andere Nöte der Menschheit, die Folgen dieses falschen Glaubens sind. Die Vergegenwärtigung von des Menschen Untrennbarkeit von Gott verleiht uns die Gewißheit der Einheit, Sicherheit und des Friedens in ewiger Vollkommenheit.
Wenn der Raum uns nicht länger als ein Abgrund des Unbekannten vorkommt, wenn unsere Treue zur Christlichen Wissenschaft uns befähigt, den Menschen als die vollkommene Widerspiegelung Gottes zu erkennen, dann werden wir nicht länger vor der Unermeßlichkeit des Raumes zittern. Wir brauchen uns nicht länger mit Bezug auf unsere Mitmenschen unsicher zu fühlen, genau so wenig wie mit Bezug auf den Raum selbst, da wir imstande sein werden, sie nicht mehr als durch Zufall erscheinende Sterbliche zu sehen und zu erkennen, sondern als ewige Ideen des göttlichen Gemüts, das ihnen durch seine beständige Gegenwart Leben, Frieden, Freiheit und Wohlbefinden verleiht.
Als ich vor einigen Tagen meinen täglichen Bibelabschnitt las, erregte die folgende Stelle meine Aufmerksamkeit (1. Chron. 4:10): „Und Jaebez rief den Gott Israels an und sprach: Ach, daß du mich segnetest und meine Grenze mehrtest und deine Hand mit mir wäre und schafftest mit dem Übel, daß mich's nicht bekümmere! Und Gott ließ kommen, was er bat.“ Der erste Teil dieser Erklärung enthielt eine klare Botschaft für mich. Dies Gebet mit seinem tiefen Verlangen nach einer Erweiterung des geistigen Verständnisses rührte mein Herz. Es half mir zu verstehen, daß meine eigenen „Grenzen“ vermehrt — erweitert — werden würden, um Platz zu schaffen für größere mentale Fähigkeiten, für eine breitere Vision des von Gott und Seinen Ideen erfüllten Raumes und von den Möglichkeiten des zum Gleichnis seines Schöpfers erschaffenen Menschen. Dieses Gebet schien mir gleichbedeutend mit den erhabenen Worten Christi Jesu zu sein (Luk. 17:24): „Wie der Blitz oben vom Himmel blitzt und leuchtet über alles, was unter dem Himmel ist, also wird des Menschen Sohn an seinem Tage sein.“
Durch das Studium der Bibel und der Werke Mrs. Eddys vervollkommnen die Schüler der Christlichen Wissenschaft mit jedem Tage ihre Vorstellung des Raumes, der durch das unsterbliche Gemüt regiert wird und erwerben auf diese Weise ein sich stets vergrößerndes Verständnis der göttlichen Liebe. Wenn sie in der Atmosphäre des ewigen Guten leben, so sehen sie die verschiedenen Anmaßungen des Bösen aus ihrer Erfahrung verschwinden. Mit reiner Freude können sie alsdann von ganzem Herzen an der Wahrheit der folgenden Worte aus „Wissenschaft und Gesundheit“ festhalten (S. 469): „Es kann nur ein Gemüt geben, weil es nur einen Gott gibt. Wenn die Sterblichen auf kein anderes Gemüt Anspruch erheben und kein anderes Gemüt annehmen würden, dann würde die Sünde unbekannt sein. Wir können nur ein Gemüt haben, wenn dieses eine unendlich ist. Wir begraben den Begriff der Unendlichkeit, wenn wir zugeben, daß, obwohl Gott unendlich ist, das Böse in dieser Unendlichkeit eine Stätte hat, denn das Böse kann keine Stätte haben, wo doch aller Raum von Gott erfüllt ist.“