Jeder Neujahrstag regt an zu einem nachdenklichen Vergleich unseres Fortschritts im alten Jahre mit den Hoffnungen und Zielen des neuen Jahres. Die Christliche Wissenschaft definiert Fortschritt als geistiges Wachstum und lehrt uns, wie wir dessen Widerspiegelung der göttlichen Macht erhöhen können. Mary Baker Eddy zögerte nicht, auf das vergangene Jahr zurückzuschauen, um das neue Jahr besser auszunutzen. Sie sagt in ihrem Werk „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften, S. 330): „Es ist gut, mit den vergangenen Stunden zu sprechen und zu erfahren, was sie uns berichten, und wie sie vielleicht von größerem geistigem Wachstum hätten berichten können. Mit jedem neuen Jahre sollten höhere Freuden, heiligere Ziele, ein reinerer Frieden und göttlichere Kraft den Duft des Seins erneuern.“
Die Christliche Wissenschaft offenbart, daß Fortschritt in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes für den Menschen steht — Sein geistiges Ebenbild. Diese Wahrheit in Bezug auf den Fortschritt bedeutet, daß es kein Stehenbleiben in der Erfahrung des wirklichen Menschen gibt. Seine Wesenheit entfaltet sich immerdar, um die unendliche Natur Gottes, die der Mensch widerspiegelt, zum Ausdruck zu bringen. Als Vertreter Gottes bezeugt der geistige Mensch die Tatsache, daß es für die Wirksamkeiten des Vaters und die Güte Seines Wesens keine Grenzen gibt. Alles menschliche Wachstum zum Geiste hin beruht auf diesen Wahrheiten; und ein Verstehen dieser immer weiteren Entfaltung von Liebe und Reinheit und Intelligenz durch die wahre Wesenheit des Menschen bricht den sterblichen Bann, in welchem der Fortschritt ein ungewisses Element zu sein scheint.
Der Christliche Wissenschafter strebt danach, die wahre Ordnung des Seins, wie Gott sie verordnet hat, ans Licht zu bringen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, muß er das sterbliche Selbst prüfen, das er gemäß den körperlichen Sinnen darstellt, und zwar mit rückhaltloser Ehrlichkeit. Blindheit gegenüber dem Anspruch des Bösen, eine sterbliche Selbstheit erschaffen zu haben und sie dann im Gegensatz zu dem Willen Gottes zu beeinflussen, hindert die Offenbarung unserer wahren Wesenheit. Eine ehrliche Untersuchung der Ansprüche des materiellen Daseinsbegriffs, verbunden mit der Fähigkeit, sie unpersönlich zu machen, indem wir sie als aggressive mentale Suggestionen erkennen, ist ein großer Schritt vorwärts zur Demonstration wirklichen Fortschrittes hin. Dieser Vorgang ist höchst wesentlich beim Beweisen der Nichtsheit und Machtlosigkeit irgendwelcher Stockung, oder Sünde oder Krankheit, die Anspruch darauf erhebt, unseren Fortschritt aufzuhalten.
Ein anderer Schritt vorwärts wird die Bereitwilligkeit sein, die individuelle Verantwortung auf sich zu nehmen, aus dem eigenen Denken jedwede Spur von Sünde auszumerzen, und niemals auch der geringsten Suggestion des Bösen Einlaß zu gewähren. Wenn wir die individuelle Verantwortung auf uns nehmen, über allem zu wachen, das Einlaß in unsere Erfahrung begehrt, und niemals die Irrtümer, die wir hegen, zu rechtfertigen, werden die verfließenden Stunden von geistigem Fortschritt berichten. „Göttlichere Kraft“ wird uns in der Tat „den Duft des Seins erneuern“.
Nur zu oft erkennen die Menschen ihre Fehler an, um dann in einen Zustand der Selbstverdammung zu verfallen. Doch solch ein Gemütszustand verstärkt die Täuschung des falschen Daseinsbegriffs, und solch ein Vorgehen ist nicht die Methode der Christlichen Wissenschaft. In der Wissenschaft erkennt man seine Irrtümer nur an, um damit aufzuhören, sie weiter zu dulden und fürderhin Zeugen der Annahme zu sein, daß ein böses Gemüt und ein sterbliches Selbst existiert. Mrs. Eddy sagt in „Rückblick und Einblick“ (S. 67): „Das Selbst zum Schweigen bringen, mit andern Worten, sich über die Körperlichkeit erheben, wandelt den Sünder um und zerstört die Sünde. In dem Grade, wie das Zeugnis des körperlichen persönlichen Sinnes aufhört, verringert sich die Sünde, bis der falsche Anspruch, den wir Sünde nennen, aus Mangel an Zeugen schließlich verschwindet.“
Wir sind Zeugen der Sünde, wenn wir sündigen. Wir sind Zeugen der Krankheit, wenn wir krank sind. Wir hören auf, Zeugen der Ansprüche des sterblichen Gemüts zu sein, wenn wir uns weigern zu glauben, daß wir Sterbliche sind, und uns demütig den vollkommenen Menschen, wie Gott ihn erschaffen hat, vergegenwärtigen, nämlich als geistig, unberührt von der Materie und dem Bösen. Wenn der materielle Daseinsbegriff uns nicht mehr irreführt, sind wir imstande, einen guten Bericht von Fortschritt abzugeben.
Nicht nur einmal im Jahre, sondern alle Tage, zu jeder Stunde, kann man von neuem damit anfangen, sich zu vergegenwärtigen, daß wir nicht zwei Selbstheiten haben, sondern nur eine — die geistige. Ohne diese richtige Identifikation des eigenen Selbst, schwingen unsere Gedanken hilflos auf und ab, zwischen dem Vorsatz, an der Wahrheit festzuhalten, und der Aufnahme der Irrtumssuggestionen. Gleichgewicht und echter Fortschritt werden erlangt, wenn die Selbst-Identifikation auf die Wissenschaft gegründet ist und niemals von der Wahrheit abirrt. Christus Jesus sagte zu Nikodemus (Joh. 3:6): „Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist.“ Was sind wir? Wir können nicht beides sein.
In „Nein und Ja“ erklärt unsere Führerin, daß der Meister Zuflucht nahm zu seinem höheren Selbst und seiner Verbundenheit mit Gott. Sie sagt (S. 36): „Dieses Sichzurückziehen von der körperlichen zur geistigen Selbstheit stärkte ihn zum Sieg über Sünde, Krankheit und Tod.“ Es war dieses Sichzurückziehen, das mit vollster Überzeugung und Aufrichtigkeit geschah, was den Duft seines Seins erneuerte und jedes Jahr seines Wirkens zu einem Beweis des Fortschritts machte. Es war dieses Sichzurückziehen, was ihn schließlich befähigte, über die Annahme des materiellen Daseins hinaus fortzuschreiten und sich darüber zu erheben. Unser Zurückziehen vom körperlichen Dasein und Zufluchtnehmen in unserer geistigen Wesenheit wird uns mit der „göttlicheren Kraft“ der Liebe und Macht ausstatten, die geistigen Fortschritt als die normale Tätigkeit des Menschentums demonstriert.
Es ist wissenschaftlich und richtig, über unseren Fortschritt im vergangenen Jahre nachzusinnen, in verständnisvollerer Weise die Fehler, die wir begangen haben, unpersönlich zu machen, und uns dann vorzunehmen, daß das neue Jahr Zeuge davon sein soll, daß wir immer mehr die Selbstheit demonstrieren, die den göttlichen Vorsatz entfaltet. Die geistige Selbstheit bleibt unberührt. Sie ist sich nur Gottes und Seiner vollkommenen Schöpfung bewußt. Wenn wir zu diesem individuellen Bewußtsein der Wirklichkeit Zuflucht nehmen und von Stunde zu Stunde nur die göttlichen Eigenschaften bekunden, können wir nicht umhin, befriedigendes geistiges Wachstum zu erleben. Wir werden dann jeden Tag die Allheit und Macht Gottes bezeugen. Wir werden durch Demonstration beweisen, daß Fortschritt etwas Natürliches für die geistigen Kinder des Vaters ist.