Der Anhänger der Christlichen Wissenschaft wird sich meistens bald bewußt, daß Fortschritt und Vervollkommnung in seiner Erfahrung — seiner Gesundheit, seinen Fähigkeiten, seinen menschlichen Beziehungen und seinem Erfolg, kurz in allem, was ihn anbetrifft — nicht von äußeren Umständen abhängig sind, über die er keine Macht hat. Er gewinnt ein neues Verständnis von sich selbst, und er erkennt, daß er nicht begrenzt ist, wie er geglaubt hatte. Er sieht ein, daß er mehr Herrschaft über seine gegenwärtigen Verhältnisse sowie auch über seine Zukunft auszuüben vermag, als er bisher gewußt hatte.
Solch ein Wandel in der Einstellung ergibt sich ganz natürlich aus den Lehren der Christlichen Wissenschaft und wird oft augenblicks durch schlagende Beweise in der Heilung von Krankheit und der Überwindung anderer Schwierigkeiten unterstützt. Wenn man im Verständnis wächst, so häufen sich die Beweise, und selbst der Anfänger erkennt bald, daß die vor ihm liegenden Gelegenheiten unbegrenzt sind. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Gelegenheit zur Erhebung seines Denkens, und wenn er begreift, was von dieser Tatsache alles umfaßt wird, so fühlt er sich gewöhnlich angespornt und inspiriert wie nie zuvor. Seine Probleme scheinen nicht länger aus materiellen Umständen zu stammen — dem Denken und Handeln anderer Menschen oder anderen Umständen, über die er keine oder anderen Umständen, über die er keine oder wenig Macht hat. Er erkennt, daß seine Probleme von seinem eigenen Denken abhängig sind, und daß diese Probleme in dem Maße gelöst werden, wie er sein eigenes Denken in der Art klärt und erleuchtet, die die Christliche Wissenschaft als sowohl möglich wie auch natürlich dargelegt hat.
Der Wissenschafter erkennt somit, daß kein Zustand schwieriger zu berichtigen ist, soweit es ihn anbetrifft, als sein eigenes Denken darüber demonstrieren kann. Zuerst mag diese Entdeckung als beinahe unglaubhaft glücklich erscheinen, besonders im Hinblick auf die ebenfalls von dieser Wissenschaft enthüllte Tatsache, daß die notwendige Erhebung des Denkens natürlich für ihn ist, und daß sie nicht durch früher von ihm angewandte Mittel herbeigeführt werden muß, sondern daß sie spontan durch eine neue Erkenntnis der Intelligenz erscheint, die ihm in Wirklichkeit schon zu eigen ist. Wenn diese Erhebung des Denkens jedoch so ist, wie sie sein soll und sein kann, so erfordert sie die Hingabe und Widmung des Besten in uns an diese Aufgabe. Wenn man sich ihr jedoch von ganzem Herzen weiht, so ist ein reicher Lohn die Folge.
Die Grundlage dieser Lehre und die Beweise, die sie erbringt, sind dargelegt in der biblischen Lehre von der Allheit Gottes, des Guten, sowie von des Menschen wahrem Selbst als Seinem Gleichnis, einschließlich der wahren Selbstheit eines jeden von uns. Dies ist eine Lehre, die in der Christlichen Wissenschaft im vollsten Sinne sowohl als wissenschaftlich wie auch als religiös anerkannt wird. Diese Wissenschaft legt dar, daß alles, was in Wirklichkeit erkannt werden kann, das unendliche Gute ist — Gott und Seine unendliche Kundwerdung im Menschen und im Universum — eine Tatsache, die beständig in der Erfahrung der Christlichen Wissenschafter bestätigt wird. In dem Maße, wie sich unser Denken durch die Anerkennung der Wahrheit über uns selbst, unseren Nächsten und unsere Umgebung, wie sie uns in dieser Wissenschaft offenbart wird, emporhebt und erweitert, ändert sich der vor uns liegende Augenschein. Wir ernten dementsprechende Beweise, daß wir selbst und andere die Unendlichkeit des Guten zum Ausdruck bringen und nichts kennen, das dem Guten unähnlich ist.
Man erkennt, daß das, was sie anders erscheinen ließ, lediglich die begrenzte, irrtümliche Vorstellung der körperlichen Sinne und der mit ihnen verbundenen illusorischen Mentalität war, die in der Christlichen Wissenschaft sterbliches Gemüt genannt wird. In dem Maße, wie die Wahrheit erkannt wird, läßt diese anscheinende falsche Vorstellung derselben immer mehr nach, bis sie schließlich verschwindet.
Für den Wissenschafter ist es außerordentlich ermutigend, zu begreifen und tatsächlich zu erleben — wie dies in seiner fortschreitenden Arbeit in der Wissenschaft der Fall ist — daß solches Erkennen der geistigen Wahrheit nichts anderes ist, als die Enthüllung der Tatsache, daß Gott, der Allwissende, sein Gemüt ist, und daß dieses unendliche Gemüt in ihm „wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach Seinem Wohlgefallen“, wie die Bibel sagt (Phil. 2:13).
Eine weitere Tatsache, die in zunehmendem Maße selbst von Naturwissenschaftlern bemerkt und die in der Christlichen Wissenschaft gänzlich klargestellt wird, ist in solchen Demonstrationen eingeschlossen und trägt zu ihrer Erklärung bei — nämlich, die Tatsache, daß materielle Zustände nicht das sind, was sie zu sein scheinen, sondern daß sie einen Ausdruck des Denkens darstellen. Es ist offenbar, daß man, wenn man materielle Zustände auf die gewöhnliche menschliche Weise betrachtet, nicht unmittelbar der Zustände selbst gewahr wird, sondern seiner eigenen Eindrücke davon. Doch die Christliche Wissenschaft geht sogar noch weiter und erklärt, daß man nichts anderes als seine eigenen mentalen Vorstellungen sieht — oder vielmehr Vorstellungen, die man irrigerweise als seine eigenen angenommen hat.
Daher schreibt Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 86): „Das sterbliche Gemüt sieht, was es glaubt, ebenso gewiß, wie es glaubt, was es sieht.“ Und weiter sagt sie (ebd., S. 220): „Das sterbliche Gemüt bringt seine eignen Phänomene hervor und schreibt sie dann irgend etwas anderm zu — wie ein Kätzchen, das sich im Spiegel sieht und ein andres Kätzchen zu sehen glaubt.“
Da das, was wir sehen, unsere Gedanken sind, so ist es klar, daß in dem Maße, wie sich das erhebt, was wir unser eigenes Denken nennen, auch der vor uns liegende Augenschein gehoben wird, und hierin besteht die inspirierende Gelegenheit, die sich dem Anhänger der Christlichen Wissenschaft bietet. Er bemerkt, daß Mrs. Eddy klar zu ihm sagt (ebd., S. 261): „Halte den Gedanken beständig auf das Dauernde, das Gute und das Wahre gerichtet, dann wirst du das Dauernde, das Gute und das Wahre in dem Verhältnis erleben, wie es deine Gedanken beschäftigt.“
Wenn man diesen Rat befolgt, so sind die Wirkungen nicht unähnlich den Traumerfahrungen im Schlafe. Im Traum mögen Menschen, Häuser, Berge und dergleichen außerordentlich wirklich, und die mit ihnen verbundenen Probleme absolut unlösbar erscheinen. Mit einer Veränderung des Denkens jedoch — einem Erwachen — verändert sich auch der Augenschein. Genau so weichen und verschwinden Krankheit, Mangel und andere der göttlichen Wirklichkeit unähnliche Zustände durch das wissenschaftlich geistige Erwachen, welches dadurch zustande kommt, daß das Denken auf das Wahre gerichtet bleibt.
All dies macht es ganz klar, daß allein das eigene Denken, das Ausmaß der eigenen Erkenntnis der Wahrheit, unsere Erfahrungen bestimmt. Es bedeutet, daß man durch das falsche Denken andrer nicht berührt werden kann, sofern man seinem eigenen Denken nicht erlaubt, in falscher Weise darauf einzugehen. Es bedeutet weiter, daß unser Fortschritt nicht auf den Fortschritt andrer zu warten braucht, und es bedeutet außerdem, daß unsere gegenwärtige Erfahrung durch unser gegenwärtiges Denken bestimmt wird. Obgleich unsere Vergangenheit eine große Rolle in unserer gegenwärtigen Erfahrung zu spielen scheint, so kann sie dies nur durch ihren Einfluß auf unser gegenwärtiges Denken, und wir haben jederzeit dieselbe Gelegenheit, unsere Erfahrung zu heben, wie wir unser Denken erheben können.
Es bedeutet weiterhin, daß unser eigenes geistig wissenschaftliches Denken und Beten uns Beweise auch im größten Ausmaß erbringen kann; daß es unsere Vorstellung sowohl von Umgebung als auch von persönlicher Gesundheit vervollkommnen kann, und von Weltregierung ebensowohl wie von Heim oder Geschäft, und daß all diese größeren Beweise sich uns in dem Maße natürlich entfalten, wie wir die universale Regierung Gottes erkennen.
Unser Fortschritt in der Demonstration der göttlichen Wirklichkeit macht uns jedoch nicht weniger der Bedürfnisse anderer bewußt oder weniger hilfreich ihnen gegenüber, und zwar in der Weise, in der sie darauf eingehen können. Dies wurde während der ganzen Laufbahn Jesu Christi klar beweisen, der noch am Tage seiner Himmelfahrt — seiner Erhebung über alle Materialität und Begrenzung — seine Jünger darüber beriet, was sie zur Förderung ihrer selbst und der Menschheit tun könnten. Unser Fortschritt in der Wissenschaft segnet andere im Verhältnis zu ihrer Aufgeschlossenheit für die Wahrheit, die wir erkennen.
Wer nach besonderer Führung in der Vervollkommnung seines Denkens ausschaut, wird hilfreiche Weisungen in Mrs. Eddys Schriften finden. Was sie beständig in modernen, wissenschaftlichen Ausdrücken und in einer Art und Weise, die den verschiedenen Formen menschlicher Bedürfnisse entspricht, zum Ausdruck bringt, ist dasselbe, was Jesus lehrte: nämlich, daß unser Denken sich dem Wesen Gottes, dem göttlichen Gemüt, dem göttlichen Leben und der göttlichen Liebe anpassen muß. Der Meister faßte es in diese einfachen Worte zusammen (Matth. 6:33): „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ In der Christlichen Wissenschaft ist es klar, daß, wenn wir zum Verständnis der Eigenschaften Gottes erwachen und sie als unsere eignen beanspruchen — die wir zum Ausdrück bringen können — diese in unserer Erfahrung in Erscheinung treten, und das Böse und die Begrenzungen verschwinden.
Eine einfache Inangriffnahme solch glücklicher Aufgaben, eine Einstellung, die stets mit erstaunlichen, weittragenden Wirkungen verbunden ist, ist der Weg der Liebe. Es kann wohl ohne Einschränkung gesagt werden, daß es keine menschliche Lage gibt, die nicht durch mehr Liebe gebessert werden könnte — mehr echte intelligente und selbstlose Liebe, die die Natur Gottes ausdrückt.
Wenn Sie nach einem kürzlichen Sturm der typische Einwohner eines gewissen Landbezirks gewesen wären, so hätten Sie sich wegen Stromstörungen einer Reihe von Unbequemlichkeiten gegenüber gesehen. Sie wären ohne Heizung und ohne Kochstrom gewesen, ohne das gewohnte elektrische Licht am Abend, ohne Kühlschrank und ohne Trinkwasser; denn all die vielen Häuser in diesem Gebiet sind von elektrischem Kraftstrom abhängig. Es ist schwer einzusehen, wie diese mannigfachen Bedürfnisse auch nur einigermaßen befriedigt werden könnten. Tagelang wäre es eine schwierige Aufgabe gewesen, das Haus bewohnbar zu halten. Doch mit der Regelung der elektrischen Stromversorgung würden all diese Schwierigkeiten verschwunden sein. Sie würden sofort wieder alle gewohnten Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten ihres Heims genießen.
Unter allen Umständen kann unsere Erfahrung bei Anwendung von Liebe der obigen nicht unähnlich sein. Mit einem klareren, echteren Begriff von Liebe wird die Szene in jeder Beziehung unfehlbar aufgehellt werden, wie immer sie auch vorher erschienen sein mag. Mitunter sind die Wirkungen sogar für denjenigen überraschend, der bereits viele ähnliche Erfahrungen gemacht hat.
Warum ist dies so? Weil Liebe die wahre Intelligenz ist. Es ist die Intelligenz, die allein die Wirklichkeit erfassen und erleben kann. Um sich der Unendlichkeit des Guten, — und seiner selbst und andrer als Ausdruck des Guten — mehr bewußt zu werden, braucht man nur die große Tatsache völliger anzuerkennen, daß Gott, die göttliche Liebe, unser Gemüt ist; man braucht nur berechtigten Anspruch darauf zu erheben, das zu sehen, was dieses Gemüt sieht, und dementsprechend zu lieben, was dieses Gemüt liebt. Es ist die Lehre der Christlichen Wissenschaft, daß jeder hinreichend hierzu imstande ist, um seine gegenwärtigen und zukünftigen Bedürfnisse zu befriedigen.
Ihr waret weiland Finsternis; nun seid ihr ein Licht in dem Herrn. Wandelt wie die Kinder des Lichts. — Epheser 5:8, 9.
