Wer von uns hat nicht in einem gewissen Augenblick gefühlt, daß er tatsächlich in der Gegenwart Gottes war! Wir mögen sogar dieses Gefühl gehabt haben, wenn wir es am wenigsten erwarteten, wenn auf einmal die menschliche Umwelt um uns her versank und wir eine innere Freude empfanden, die allen materiellen Sinn überstieg. Eine besondere Heilung mag in solch einem Augenblick stattgefunden haben, denn eine Inspiration dieser Art hat weittragende Macht, Irrtum aller Art zu verbannen. Sang doch David schon vor alters (1. Chron. 16:27): „Es stehet herrlich und prächtig vor ihm und gehet gewaltig und fröhlich zu an seinem Ort.“
Die Christliche Wissenschaft bringt das Christentum zur Anwendung, und dadurch empfinden wir die Gegenwart Gottes in unserm täglichen Leben. Die Bibel offenbart Gott als unendliches Gemüt, als Geist, Leben, Wahrheit und Liebe. Er ist der einzige Schöpfer, und er erschuf den Menschen zu Seinem Bild und Gleichnis. Daher ist der Mensch rein geistig und kann unmöglich seine vollkommene Selbstheit verlieren. Irgendwelche materielle Erscheinung, die Anspruch darauf erhebt, wahres Menschentum darzustellen, ist nur eine irrige Vorstellung des sterblichen Gemüts, und muß von dem Menschen losgelöst werden, um die heilige und liebliche Widerspiegelung Gottes wahrzunehmen, die immerdar sicher in der Gegenwart Gottes verweilt.
Als Moses die Kinder Israel zum Gelobten Land führte, machte ihm häufig das Murren des Volkes zu schaffen, das der Prüfungen, die es durchzumachen hatte, müde wurde. Er bewies Gottes liebende Fürsorge, indem er dem Volk Wasser und Manna verschaffte, doch die Zeit kam, wo es der Gesetze bedurfte, um sein Handeln zu regeln. Dann wurde Moses von Gott berufen, auf den Berg Sinai zu gehen, wo er die Zehn Gebote auf zwei steinernen Tafeln empfing. Als er vom Berge herabkam, fand er, daß sein Bruder Aaron unter dem Einfluß derer, die wegen seiner langen Abwesenheit ungeduldig geworden waren, ein goldenes Kalb gemacht hatte; und in einem Anfall von Zorn zerbrach er die Gesetzestafeln.
Doch später empfing Moses weitere Weisungen von Gott. Ihm wurde versichert, daß ein Engel vor ihm her gehen werde, und er erhielt die Verheißung: „Mein Angesicht soll vorangehen; damit will ich dich leiten.“ Dann bat Moses darum, Gottes Herrlichkeit zu sehen. Und er erhielt die Antwort: „Ich will vor deinem Angesicht alle meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen des Herrn Namen vor dir. Wem ich aber gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wes ich mich erbarme, des erbarme ich mich.“
Das war es gerade, dessen Moses bedurfte, um das Volk weiterführen zu können — das Verständnis von Gottes Gnade und Seinem Erbarmen. Er erhaschte einen Schimmer von Gottes Liebe. Gesetz ohne Liebe ermangelt der Geistigkeit. Die göttliche Liebe trieb offenbar Moses' Furcht aus, und er ging wieder auf den Berg hinauf, wo die Zehn Gebote von neuem geschrieben wurden.
Im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ schreibt Mary Baker Eddy (S. 323): „Angesichts der unendlichen Aufgaben der Wahrheit halten wir inne — warten auf Gott. Dann dringen wir vorwärts, bis der schrankenlose Gedanke voll Entzücken dahinwandelt, und der unbeschränkte Begriff sich beschwingt, damit er die göttliche Herrlichkeit erreiche.“ Die Aufgaben, mit denen wir betraut werden, mögen anfangs schwierig erscheinen, doch wir müssen dessen eingedenk bleiben, daß Gott, die göttliche Liebe, unendlich ist und imstande, jedwedes Hindernis aus dem Wege zu räumen. Gottes Gegenwart ist immer mit Kraft und Macht verbunden; und in dem Maße, wie wir Seine Allmacht verstehen lernen, wird der materielle Augenschein der Macht des unendlichen Gemüts weichen.
Christus Jesus brachte die Erleuchtung von der Herrlichkeit Gottes in höherem Maße zur Erde als irgendein anderer, der je gelebt hat. Die göttlichen Ideen, die er ausdrückte, und seine Heilungswerke bekundeten die Gegenwart Gottes. Er erkannte Gott allein als seinen Vater an und bewies, daß der Mensch die Herrlichkeit Gottes widerspiegelt. Er muß erkannt haben, daß er Sünde und Krankheit als unwirklich bloßstellen und alle heilen konnte, die seine Hilfe suchten, um von diesen Irrtümern befreit zu werden.
Saulus von Tarsus erschaute die Gegenwart Gottes, wo er es am wenigsten erwartete. Als er nach Damaskus wanderte, um dort die Nachfolger Jesu zu verfolgen, sah er plötzlich ein Licht vom Himmel, das ihn umleuchtete, und hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ Er bezeugte seine Bereitwilligkeit, sich führen zu lassen, indem er fragte, was er tun solle. Nachdem er drei Tage in Damaskus war, kam der Jünger Ananias zu ihm und gab seinen erblindeten Augen das Augenlicht wieder.
Nach seiner Bekehrung konnte Paulus, wie er später genannt wurde, schreiben (1. Kor. 1:27, 29): „Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, daß er die Weisen zu Schanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, daß er zu Schanden mache, was stark ist;. .. auf daß sich vor ihm kein Fleisch rühme.“ Nichts Materielles kann jemals geistig gemacht werden; doch wenn man sich abwendet von dem falschen Augenschein der materiellen Sinne, so findet man Schätze, die dem sterblichen Denken unbekannt sind. Paulus' falscher Begriff von Rechttun wich der Erleuchtung Gottes; und dann hörte er auf, seine Mitmenschen zu verfolgen. Im Gegenteil, er diente ihnen, indem er die Macht der göttlichen Liebe widerspiegelte. Er heilte den Lahmen zu Lystra, er erweckte Eutychus vom Tode, und er heilte den Vater des Publius von einem Fieber.
Wir können in Wirklichkeit nicht von der göttlichen Liebe getrennt werden. Da Gott allüberall ist, kann es keine andre Macht oder Gegenwart geben. Selbst wenn der materielle Sinn so stark zu sein scheint, daß es fast die göttliche Hilfe auszuschließen droht, ist Gottes Huld und Gnade doch noch bei uns, um alle irrigen Annahmen zu überwinden. Wenn wir demütig und selbstlos werden, finden wir Gottes Engel stets bereit, uns zu trösten und zu leiten. Sie erscheinen, wenn alle menschliche Hoffnung versagt hat; sie führen uns immer aufwärts und sagen es uns, wenn der Tag anbricht und die Gefahr vorüber ist.
Mrs. Eddy suchte lange und eifrig nach der Heilmethode, die Jesus anwandte. Doch erst nachdem sie einen Sturz erlitten hatte und in Lebensgefahr stehen sollte, entdeckte sie die Heilkraft der Wahrheit und Liebe. Als sie geheilt war, stand sie sofort auf und befand sich in besserer Gesundheit denn je zuvor. Ihr Denken war so erleuchtet, daß sie wußte, sie hatte den so lange erwarteten Erlöser gefunden.
Mrs. Eddy schreibt über ihre Erfahrung in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 351): „In jungen Jahren wurde die Verfasserin Mitglied der orthodoxen ‚Congregational‘ Kirche. Später sah sie ein, daß ihre eignen Gebete sie nicht zu heilen vermochten, ebensowenig wie die Gebete ihrer frommen Eltern und die der Kirche; als aber der geistige Sinn des Glaubensbekenntnisses in der Wissenschaft des Christentums erkannt wurde, da wurde dieser geistige Sinn eine gegenwärtige Hilfe. Es war die lebendige, pulsierende Gegenwart des Christus, der Wahrheit, welche die Kranken heilte.“
Unter göttlicher Führung schrieb Mrs. Eddy ein Lehrbuch, das ihre Entdeckung erläutert, und gründete die christlich-wissenschaftliche Kirche. Seit der Zeit haben unzählige Menschen Erlösung sowohl von Sünde wie von Leiden gefunden, die fast alle uns bekannten Krankheiten in sich schließen. Sie haben sicherlich gefühlt, wie die Gegenwart Gottes sie in das Verständnis der immergegenwärtigen Vollkommenheit und Vollständigkeit führte, in einer Weise, die über alles menschliche Begreifen hinausging. Sie können mit dem Psalmisten sagen (16:11): „Du tust mir kund den Weg zum Leben; vor dir ist Freude die Fülle und liebliches Wesen zu deiner Rechten ewiglich.“ Sie haben gelernt, daß wahre Freude geistig ist, das Ergebnis der Entfaltung rechter Ideen vielmehr als irgendeines materiellen Geschehens.
Die Freude der göttlichen Gegenwart steht allen zur Verfügung, wenn sie aus dem Traum des Lebens in der Materie erwachen. Unsere geliebte Führerin schreibt in ihrem Werk „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 356): „Wann wird die Welt zu dem Vorrecht der Gotteserkenntnis erwachen — der Freiheit und Herrlichkeit Seiner Gegenwart — wo
‚Er schreitet über die Wogen
und reitet auf dem Sturm‘.“
Solch ein Erwachen muß sicherlich kommen. Die Christus-Wissenschaft hat die Bahn frei gemacht. Laßt uns für die Treue ihrer Anhänger beten; laßt uns darum beten, daß sie ihr Licht hell scheinen lassen, bis die Herrlichkeit der Gegenwart Gottes auf der ganzen Erde gesehen und gefühlt wird.
