In der Bibel hören wir von Elias (1. Kön. 19:9, 11): „Und [er] kam daselbst in eine Höhle und blieb daselbst über Nacht. Und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm: ... Was machst du hier, Elia? ... Er sprach: Gehe heraus und tritt auf den Berg vor den Herrn!“
Vor einiger Zeit las eine sehr traurige und einsame Frau diese Worte. Sie war eine Christliche Wissenschafterin; aber ein Kummer, der fast zu schwer zu tragen schien, war in ihr Leben gekommen, und Selbstbedauern und Bitterkeit hatten von ihrem Denken Besitz ergriffen.
Doch nun las sie immer und immer wieder jene Worte aus dem Ersten Buch der Könige. Ihr war, als ob die Worte: „Was machst du hier, Elia?“ an sie gerichtet wären. „Ja, ich bin gerade wie Elias“, sagte sie zu sich selber. „Ich habe mich selbst in eine dunkle Höhle des Selbstbedauerns, der Furcht und der Enttäuschung verschlossen. Vielleicht sollte ich, ebenso wie Elias, auf Gott lauschen und versuchen, herauszukommen und auf dem Berge zu stehen.“
Sie las weiter, wie Elias den großen Wind bemerkte, der Herr aber nicht im Winde war; wie danach das Erdbeben kam, doch Gott nicht im Erdbeben war; und dann das Feuer, wie Gott jedoch auch nicht im Feuer war. Dann, nach dem Feuer, hörte Elias ein stilles sanftes Sausen.
Der erste Schimmer des Lichts, den sie seit Tagen geschaut hatte, begann in ihrem Bewußtsein aufzudämmern, eines Lichtes, das immer heller wurde in dem Maße, wie sie einen festeren Standpunkt auf dem Berge der Offenbarung einnahm. Auf jenem Berge konnte sie ihre Gedanken erhaben halten über dem Anspruch der kummervollen Sinne. Sie erkannte nun endlich ganz klar, daß Gott nicht in dem Wind des sterblichen Denkens war, noch in dem Erdbeben mit seinem Angriff materieller Suggestionen, noch in dem Feuer mit seiner Flamme der Furcht. Gott war in keinem dieser chaotischen Vorgänge; daher besaßen sie weder Wirklichkeit noch Macht. Und dann konnte sie in der Tat das stille sanfte Sausen der Liebe und der Wahrheit und des Lebens vernehmen.
Manchmal war sie versucht, wieder in die Höhle hineinzuschauen. Doch dann erinnerte sie sich jedesmal daran, wie die Frauen, die zu dem Grabe oder der Höhle gekommen waren, um Jesus darin zu finden, als sie hineinschauten, ihn nicht dort fanden — er war auferstanden. Und so sah sie ein, daß sie nicht zurückkehren konnte zu der dunklen Höhle der Vergangenheit im sterblichen Gemüt. Sie mußte „auf dem Berge“ stehen. Und jeden Tag, wenn sie auf die innere Stimme, das „stille sanfte Sausen“ der Stimme Gottes, lauschte, und das Licht widerspiegelte, das sie erschaut hatte, kam die Heilung, und mit dem Licht kamen Freude und Trost auch für andere.
Ist unsere Höhle eine Annahme von Krankheit oder Sünde, oder eine Furcht vor Mangel, vor dem Altern, vor Tod oder Krieg? Dann müssen wir herauskommen aus der Höhle und wie Elias auf das stille sanfte Sausen der Wahrheit lauschen. Auf Seite 323 des Lehrbuches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ sagt Mary Baker Eddy: „Entweder wenden wir uns von dieser Verkündigung ab, oder wir hören auf sie und rücken hinauf.“ Und welch wunderbaren Lohn empfangen wir, wenn wir lauschen! Gott schickt uns nicht in diese Höhle des dunklen Denkens des sterblichen Gemüts, und es ist nur das Denken des sterblichen Gemüts, das uns dort festzuhalten sucht. Die Wahrheit fragt: „Was machst du hier?“ Doch wie Elias entdeckte, und wie wir alle durch die Christliche Wissenschaft beweisen können, hatte das Chaos des Windes und des Erdbebens und des Feuers — oder wie der Irrtum sich auch nennen mag — keine Macht zu handeln oder uns zu regieren; denn Gott ist nicht in dem Chaos der Materie. Wir können heraustreten auf den Berg, wie Elias und jene kummervolle Frau, und beweisen, daß nur Gott, das Gute, uns regiert. Und in dem Sonnenschein der göttlichen Liebe wird alle Not gestillt.
Auf Seite 322 von „Wissenschaft und Gesundheit“ sagt uns Mrs. Eddy: „Die harten Erfahrungen der Annahme von dem angeblichen Leben der Materie, wie auch unsre Enttäuschungen und unser unaufhörliches Weh, treiben uns wie müde Kinder in die Arme der göttlichen Liebe. Dann fangen wir an, das Leben in der göttlichen Wissenschaft zu begreifen.“
Wir finden das Leben durch das Verständnis des ersten Kapitels der Genesis, wo wir lesen: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde“, und weiter, daß Er ihm Herrschaft verlieh, und schließlich, daß Er ansah „alles, was er gemacht hatte“ und es „sehr gut“ fand. Es gibt keine Materialität im göttlichen Leben, noch Schmerz, Kummer oder Tod. Das Bild und Gleichnis Gottes! Das ist nicht nur die Wahrheit unseres Seins, sondern auch das Gesetz unseres Seins — das göttliche Gesetz, das immer wirksam ist, und das uns immer befreit von den Annahmen eines materiellen sogenannten Daseinsbegriffs, der annimmt, der Mensch sei im Fleisch geboren, lebe im Fleisch und müsse aus dem Fleisch heraus sterben.
O laßt uns doch das „Leben in der göttlichen Wissenschaft“ wählen! In Wirklichkeit ist das das einzige Leben, das es gibt. Wir müssen aufgeschlossen sein, unser Denken der Aufnahme dieser wunderbaren Tatsache auftun, und uns dessen bewußt werden, was wir in Wirklichkeit sind — Ideen Gottes, die alles widerspiegeln, was Gott ist, und nur das, was Gott ist. Dann finden wir unsere wahre Selbstheit. Mrs. Eddy ruft in ihrem schönen Gedicht den Christus-Gedanken an (Gedichte, S. 29):
„Lebend'ger Liebe sanfter Strahl,
Todloses Sein !“
Keine dunkle Höhle wird in diesen Zeilen erwähnt, nur die Freude der unendlichen Widerspiegelung alles Guten. Und wir können ebensowenig von Gott, dem Guten, getrennt werden wie der Sonnenstrahl von der Sonne.
Laßt uns bewußt jeden Augenblick in den Armen der göttlichen Liebe verweilen, mit all ihrem heilenden Trost! Die stille sanfte Stimme schweigt niemals, doch in der dunklen Höhle des Selbstbedauerns und der Furcht können wir sie nicht vernehmen. Laßt uns also im Licht bleiben und „auf dem Berge stehen“. Selbst wenn das Chaos des Windes und des Erdbebens und des Feuers vorbeizustürmen scheint, können wir in dem Lichte der Wahrheit und Liebe auf dem Berge der Offenbarung verbleiben. Und wir können denselben Sieg erleben wie Jesus, als er zu dem Winde sagte: „Schweig und verstumme!“ (Mark. 4:39.) Denn in dem folgenden Bericht hören wir: „Der Wind legte sich, und es ward eine große Stille.“
