Die Würdigung des gegenwärtigen Augenblicks ist von höchster Bedeutung. Obwohl von kurzer Dauer, dient dieser Augenblick als Bindeglied zwischen der Zukunft und der Vergangenheit. Auf diese Weise betrachtet, macht dieser einmalige gegenwärtige Augenblick das aus, was wir „jetzt“ nennen, ein Wort, das für den Apostel Paulus von großer Bedeutung war, denn er erklärte (2. Kor. 6:2): „Jetzt ist der Tag des Heils.“
Die Bibel macht die Tatsache klar, daß die Ewigkeit gegenwärtig ist. So schreibt zum Beispiel der Prediger Salomo (3:15): „Was geschieht, das ist zuvor geschehen, und was geschehen wird, ist auch zuvor geschehen; und Gott sucht wieder auf, was vergangen ist.“
Wenn immer der Verfasser die Frage der Juden las (Joh. 8:57): „Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?“ und Jesu Antwort: „Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Ehe denn Abraham ward, bin ich,“ konnte er lange Zeit nicht begreifen, warum Jesus in der Gegenwart sprach. Es erschien dem Verfasser als ein grammatischer Fehler, und er glaubte, daß der Satz wie folgt korrigiert werden sollte: „Ehe denn Abraham ward, war ich.“ Jetzt jedoch, mit der Erleuchtung, die die Christliche Wissenschaft ihm gebracht hat, freut sich der Verfasser in dem Verständnis, daß es die Absicht Jesu war, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf die ewige Gegenwart des Christus zu lenken, des Menschen wahre Selbstheit, die erhaben über und jenseits der chronologischen Erwägungen des menschlichen Gemüts besteht.
Dieser Ausspruch des Meisters ist von unschätzbarem Wert in seiner Wirkung auf das Geschick der ganzen Menschheit. Da er die Bestätigung einschließt, daß es keinen Anfang für den geistigen Menschen gibt, der zum Bilde Gottes geschaffen ist und mit dem Jesus seine wahre Selbstheit identifizierte, beweist dieser Satz die Ungereimtheit der materiellen Fabel über den ersten Mann und die erste Frau in Gestalt von Adam und Eva und verwirft diese Fabel vollkommen. Das Ausschließen von Adam und Eva aus dem Schöpfungsbericht zieht die Ausschließung aller Materialität nach sich, wie Geburt, Wachstum, Verfall und Tod. Kurz, wenn das menschliche Bewußtsein dem geistigen Gesetz weicht und aufhört, sich mit den begrenzenden Gesetzen zufriedenzugeben, die gänzlich falschen Vorstellungen entspringen, so erlangt es die volle Freiheit der Kinder Gottes, und das Paradies des Geistes wird als eine gegenwärtige Wirklichkeit erfunden.
Mary Baker Eddy erkannte dies; sie schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 171): „Durch das Erkennen des geistigen Gegenteils der Materialität, das Erkennen des Weges durch Christus, Wahrheit, wird der Mensch mit dem Schlüssel der göttlichen Wissenschaft die Tore des Paradieses wieder öffnen, welche die menschlichen Annahmen verschlossen haben, und er wird sehen, daß er nicht gefallen, sondern rechtschaffen, rein und frei ist, daß er keine Kalender zu befragen braucht hinsichtlich seiner Lebensaussichten oder hinsichtlich des Wetters; daß er es nicht nötig hat, Gehirnologie zu studieren, um in Erfahrung zu bringen, in wie weit er Mensch ist.“
Die Erklärung Jesu (Luk. 11:20): „So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt ja das Reich Gottes zu euch“, versichert uns, daß das Reich Gottes, das Paradies des Geistes, auch heute noch als gegenwärtig angesehen werden kann.
Durch die Lehren der Christlichen Wissenschaft, die ausschließlich auf denen der Bibel und besonders auf den Lehren Jesu beruhen, haben wir die Gewißheit, daß der Mensch geistig ist. Da er geistig ist, ist er in keiner Weise an den Verwicklungen des materiellen Traums beteiligt, der sich anscheinend von Jahrhundert zu Jahrhundert fortsetzt, gleichsam als wollte er ein Lügengewebe spinnen, das dazu bestimmt ist, die wahre Schöpfung zu verbergen. Der wirkliche Mensch ist daher von dem Verstreichen der Zeit unabhängig. Da er zum Gleichnis Gottes geschaffen ist, braucht sich seine ewiglich vollkommene geistige Selbstheit nicht den Gesetzen von Fortschritt zu unterwerfen, bevor er seine endgültige Vollkommenheit erlangt. Ein kurzer Augenblick ist ausreichend, um einen Schimmer seines wahren Wesens zu erhaschen, das mit Gott verbunden ist wie das Tageslicht mit der Sonne. Solch eine Offenbarung ist nicht das Vorrecht besonderer Verstandesgaben. Alle Menschen können durch sie erleuchtet werden, wenn ihr geläutertes Bewußtsein sie für die göttliche Liebe empfänglich macht.
In „Wissenschaft und Gesundheit“ gibt Mrs. Eddy die folgende Erklärung für „Jahr“ (S. 598):
„Ein Sonnenzeitmaß; Sterblichkeit; Frist zur Reue.
,Ein Tag vor dem Herrn ist wie tausend Jahre‘. (2. Petr. 3, 8.)
Ein Augenblick göttlichen Bewußtseins oder das geistige Verständnis von Leben und Liebe ist ein Vorschmack der Ewigkeit. Diese erhabene Anschauung, die erhalten und festgehalten wird, wenn die Wissenschaft des Seins verstanden ist, würde die Zwischenzeit des Todes mit geistig erkanntem Leben überbrücken, und der Mensch würde in dem vollen Bewußtsein seiner Unsterblichkeit und seiner ewigen Harmonie sein, wo Sünde, Krankheit und Tod unbekannt sind. Die Zeit ist ein sterblicher Gedanke, ihr Teiler ist das Sonnenjahr. Die Ewigkeit ist das Gottes-Maß seelenerfüllter Jahre.“
Da seine Gottes-Gleichheit die Selbstheit des Menschen ebenso unwandelbar macht wie die Ewigkeit selbst, kann der Mensch nicht mit Krankheit verknüpft sein, noch mit irgend etwas Unharmonischem oder Unvollkommenem. Die Schnelligkeit, mit der Heilung in der Christlichen Wissenschaft vor sich geht, gibt uns eine Vorstellung von der wunderbaren Natur des wirklichen Menschen und beweist, daß er über die Zeit erhaben ist und daß ihm materielle Begrenzungen, Formen, Ausdehnungen oder Erscheinungen irgendwelcher Art fremd sind. Die ehrliche und beständige Anerkennung dieser Tatsachen des geistigen Daseins bewirkt hier und jetzt bessere Gesundheit und größere Zufriedenheit und Wohlfahrt für die Menschen.
Der Verfasser litt einst mehrere Tage an wiederkehrenden Schmerzen in den Handgelenken. Da er sich jedoch nicht allzusehr belästigt fühlte, nahm er sich nicht die Zeit für gebeterfüllte metaphysische Arbeit, um die Beschwerde zu überwinden. Während er jedoch mit einer redaktionellen Arbeit beschäftigt war, kehrten die Schmerzen verstärkt zurück und schienen nicht nur beharrlich zu sein sondern auch schlimmer zu werden und sich auf verschiedene Stellen in Händen und Fingern auszudehnen. Es dauerte nicht lange, bis er die Notwendigkeit erkannte, dem Irrtum entgegenzutreten, und er wandte seine Gedanken der Wahrheit des Seins zu. Dann öffnete sich sein Verständnis einer Idee, die ihn durch ihre einfache Klarheit fast blendete. Es war die Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks, in sich selbst erkannt. Die volle Herrlichkeit des Menschen war gegenwärtig als die völlige Widerspiegelung Gottes in alle Ewigkeit. Obgleich diese Vision nur den Bruchteil einer Sekunde währte, war ihr Ergebnis doch das Verschwinden der rheumatischen Schmerzen.
Laßt uns daher lernen, in vollstem Maße selbst in den kürzesten Augenblicken die uns gebotenen Gelegenheiten zu würdigen. Sie können uns zu den Höhen des Christus-Bewußtseins führen — ohne doch den Verfolg unserer normalen Tagesarbeit zu behindern. Wenn wir uns wünschen, daß uns unsere Vorstellung von dem Wort „jetzt“ teurer und fruchtbringender werde, zum Vorteil der ganzen Menschheit, so laßt uns Inspiration aus dieser schönen biblischen Versicherung schöpfen (1. Joh. 3:2): „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder, und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist." Laßt uns daher zu der Erkenntnis eilen, daß uns nichts von der Gewißheit abhalten kann, daß wir hier und jetzt, an diesem Tage, im Paradies des Geistes weilen.
