Die Weltlichgesinnten meinen immer, daß Fortschritt seinen Ausdruck in materiellem Gewinn finden müsse. Folglich glauben sie, daß die Menschen daran arbeiten müssen, größere materielle Kraft zu entwickeln, um mit deren Hilfe die Begrenzungen niederzureißen, welche die Materie auferlegt. Das war jedoch nicht das Vorgehen unseres Meisters Christus Jesus. Er bemühte sich, die Menschheit durch das wahre Verständnis von Gott und dem Menschen von der Knechtschaft der Materie und ihrer Gesetze zu befreien.
Wir können die Ergebnisse von Jesu geistigem Verfahren nicht außer acht lassen. Er stillte den Sturm, begab sich augenblicklich von einem Ort zum andern, verwandelte Wasser in Wein und überwand Sünde, Krankheit und Tod — alles Dinge, welche die Naturwissenschaft, mit all ihren Erfindungen, auch heute noch nicht zuwege bringt. Schließlich erhob sich Jesus, über das sterbliche Sehvermögen hinaus, in den Himmel des Geistes, dessen Immergegenwärtigkeit er predigte, und man sah ihn nicht mehr. Er hinterließ die Botschaft, daß wir die Werke tun sollen, die er tat — ja sogar noch größere.
Es ist ganz klar, daß der Meister nicht vom Augenschein der materiellen Sinne aus folgerte. Er wies jenen Augenschein zurück und sah über ihn hinaus auf die Gegenwärtigkeit eines großen, allumfassenden und einigenden Gesetzes hin — den Willen Gottes, der die Harmonie zur Wirklichkeit des Seins macht.
Die Christliche Wissenschaft führt heute viele Menschen dazu, das falsche Folgern aufzugeben, das die Materie zu etwas machen will, das vom Bewußtsein getrennt ist, und sie lernen verstehen, daß jeder materielle Begriff eine begrenzte Denkweise bedeutet. Sie fangen an, Gott, den Geist, als das Alles-in-allem zu begreifen, und den Menschen als den Ausdruck des Geistes, also geistig. Dieses Verstehen gibt ihnen in immer größerem Maße Macht über die Materie, da es ihren begrenzten Gedankengängen ein Ende macht. So finden sie, daß ihre sündhaften Gedanken zum Schweigen gebracht werden, daß ihre Gesundheit wiederhergestellt wird, daß ihre Versorgungslage sich bessert. Sie dringen vorwärts, um die geistige Vollkommenheit und Macht des Menschen, wie sie der Wegweiser Christus Jesus darlegte, zu beweisen. Sie haben teil an der Besserung und Umwandlung des Menschengeschlechtes. Dies alles erfordert klare Vernunft, die sich auf beweisbare geistige Wahrheiten gründet.
Mary Baker Eddy sagt in „The People's Idea of God“ (S. 1): „Jede Stufe des Fortschritts ist eine geistigere Stufe. Das große Element der Besserung wird nicht aus menschlicher Weisheit geboren und verdankt das Leben keinen menschlichen Organisationen; vielmehr ist es das Abbröckeln materieller Elemente von dem Denken, die Zurückübertragung des Gesetzes in seine ursprüngliche Sprache — das göttliche Gemüt, und die endgültige Verbundenheit zwischen dem Menschen und Gott.“
Wenn man über den geistigen Fortschritt der Menschheit nachdenkt, kann man erkennen, daß dieses „Abbröckeln materieller Elemente von dem Denken“ immer einen richtigeren Begriff von Gottesverehrung entfaltete. So war, zum Beispiel, die jüdische Religion nicht etwa ein Ergebnis der Abgötterei, sondern eine Stufe, die erreicht wurde, als das Denken sich immer mehr vergeistigte, und durch Offenbarung Gott als das unsichtbare Gute enthüllt wurde. Die folgende Entfaltung wahrer Gottesverehrung war eine allmähliche Abkehr von ritualistischen Bräuchen, die dem materiellen Denken zugesagt hatten. Das Ausmerzen materialistischer Elemente aus der Gottesverehrung gipfelte in der Offenbarung der Christlichen Wissenschaft, die Gott als das absolute und unendliche Gute enthüllt, das sich nur Seiner selbst und Seiner vollkommenen Schöpfung göttlicher Ideen bewußt ist.
Wenn in der Gottesverehrung Fortschritt erzielt wird, sind stets materielle Elemente des Denkens abgebröckelt und haben so die Menschheit der Demonstration des göttlichen Gesetzes und der ewigen Verbundenheit, die dieses Gesetz zwischen Gott und Seinem Bild, dem Menschen, herstellt, näher gebracht.
Während dieser Vorgang des Abbröckeins stattfand, hat jeder wahrhafte Fortschritt das Gute, das sich schon bekundet hatte, beibehalten, während er die materialistischen Elemente aufgab, die auf eine Begrenzung des Guten hinzielten. So lehrte Christus Jesus zum Beispiel Gehorsam gegenüber dem moralischen Gesetz, obgleich er darauf bestand, daß man es im Geiste befolge und nicht nur dem Buchstaben nach. Er sagte (Matth. 5:17): „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.“ Und er gab uns sein „neu Gebot“: einander zu lieben, wie er uns liebte (siehe Joh. 13:34).
Der Fortschritt des Christlichen Wissenschafters vollzieht sich auf der gleichen Linie der Abkehr von materialistischen Folgerungen wie bisher. Er hört auf, von der Basis aus zu folgern, daß er ein Sterblicher sei, der Sünde, der Krankheit und dem Tode unterworfen. Er erkennt das materielle Dasein als eine Täuschung der körperlichen Sinne. Er vergegenwärtigt sich, daß jeder sterbliche Irrtum — Selbstsucht, Unreinheit, Sündhaftigkeit und Krankheit — das Ergebins falscher, materieller Gedankengänge ist, und er beeilt sich, sie an ihrem Ausgangspunkt zu berichtigen. Wenn er sich der Verbundenheit von Gott und Seiner Schöpfung bewußt wird, ist er besser ausgerüstet, die unbegrenzten Möglichkeiten des göttlichen Gesetzes zu demonstrieren. Mrs. Eddy sagt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 494): „Wenn die Vernunft richtig geleitet wird, dient sie dazu, die Irrtümer des körperlichen Sinnes zu berichtigen; doch werden Sünde, Krankheit und Tod wirklich scheinen (geradeso wie die Erfahrungen des Traums im Schlafe wirklich scheinen), bis die Wissenschaft der ewigen Harmonie des Menschen die Illusion von Sünde, Krankheit und Tod durch die unverletzte Wirklichkeit des wissenschaftlichen Seins zerteilt.“
Es muß noch viel Materialismus vom Denken abbröckeln, ehe alle, die sich Christliche Wissenschafter nennen, dem Beispiel des Meisters, das göttliche Gesetz zu demonstrieren, durchweg nachfolgen. Dem materialistischen Denken scheint eine bessere Annahme als Ziel hoch genug — bessere Gesundheit, schnellere Verkehrsmittel, Schutz vor Stürmen statt Stillung von Stürmen, Langlebigkeit anstelle von Unsterblichkeit.
Obwohl es wahr ist, daß solche Besserungen von dem Fortschreiten der Menschheit zu höheren Bereichen des Gedankens zeugen, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß geistiger Fortschritt nicht auf den Formen und Eigenschaften der Materie beruht. Wirklicher Fortschritt wird nur dann erzielt, wenn wir die Materie als eine Täuschung erkennen und beweisen, daß der Geist und seine Gesetze alles ist, dessen wir bedürfen, um die Menschheit aus der Sterblichkeit zu erlösen.
„Die Zurückübertragung des Gesetzes in seine ursprüngliche Sprache — das göttliche Gemüt,“ wird schneller erreicht werden, wenn die Befriedigung in der Materie um der reinen Freuden des Geistes willen aufgegeben wird. Dann wird das Vertrauen auf menschliche Mittel und Methoden dem Vertrauen auf das göttliche Gesetz weichen, und die Verbundenheit des Menschen mit Gott wird in der unmittelbaren, liebreichen Fürsorge des Vaters demonstriert werden.
