Die Menschheit braucht nicht ein Gefangener der Geschichte zu sein. Es wird die weitverbreitete Ansicht vertreten, daß das gegenwärtige Entwicklungsstadium von Menschen und Völkern — ebenso wie ihr zukünftiges — in hohem Maße oder ausschließlich durch die Vergangenheit bestimmt ist; aber das ist ein Fehler.
Die allgemein bekannte Entwicklungstheorie zum Beispiel erklärt alle gegenwärtigen Lebensformen als das Ergebnis primitiverer Urformen. Der Erblichkeit werden solche Dinge wie gewisse Krankheiten oder die Haarfarbe des Menschen zugeschrieben. Die Geschichtsschreiber neigen dazu, die heutigen Ereignisse nur als ein Stadium in einem langen, sich ständig wiederholenden Kreislauf anzusehen, in welchem Weltreiche entstehen und wieder untergehen. Und die Schlußfolgerung, die man daraus zieht, ist, daß wenig oder gar nichts getan werden kann, um diesen Vorgang zu ändern.
Jeder Christliche Wissenschafter sollte auf der Hut sein vor diesen Ansprüchen. Die Bibel erklärt wiederholt, daß Gott allein regiert. In Gottes Schöpfung gibt es keinen Raum für eine böse Kraft in irgendeiner Form. Das Naturgesetz ist das Gesetz Gottes, und es rührt her von der Wirksamkeit des göttlichen Prinzips und nicht von unwiderstehlichen psychologischen oder wirtschaftlichen Anlässen. Jesaja sagte (2:22): „So lasset nun ab von dem Menschen, der Odem in der Nase hat; denn für was ist er zu achten?“ Und wiederum warnt uns das erste Gebot ausdrücklich davor, andere Götter — andere mutmaßliche Quellen einer regierenden Gewalt — anzunehmen.
Da das Naturgesetz das Gesetz Gottes ist, befreit uns diese Tatsache von der Furcht vor ihm; denn die Bibel versichert uns immer wieder der Liebe Gottes. Der Psalmist betete (Ps. 119:77): „Laß mir deine Barmherzigkeit widerfahren, daß ich lebe; denn ich habe Lust zu deinem Gesetz.“ Darüberhinaus haben wir einen überwältigenden Beweis von der Liebe Gottes in den Worten und Werken Christi Jesu, der einer umnachteten Welt erschien, um sie von ihren falschen Vorstellungen zu erlösen.
Der Apostel Paulus faßt die Mission Christi in diesen Worten kurz zusammen (2. Kor. 5:17): „Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!“
Welch eine herrliche Versicherung! „Es ist alles neu geworden!“ Damit ist niemand an die Vergangenheit gebunden. Das Verhalten keines Menschen braucht unumgänglich durch nationale Tradition oder eine Familiengeschichte festgelegt zu sein. Die Arbeit keines Menschen braucht durch unaufhörliche Reibereien oder Berichte schlechter Leistungen behindert zu werden. Niemand ist hoffnungslos verfangen in den Plagen schlechter Gewohnheiten oder negativer Charakterzüge. Alle können durch das Verständnis der Wissenschaft des Christentums in ihrer praktischen Bedeutung befreit werden.
Die Christliche Wissenschaft offenbart diese praktische Bedeutung. Mrs. Eddy hat klargemacht, welche Mittel zur Berichtigung unharmonischer Zustände angewendet werden können. In „Wissenschaft und Gesundheit“ schreibt sie über die Erblichkeit (S. 178): „Erblichkeit ist kein Gesetz. Die fernliegende Krankheitsursache oder -annahme ist nicht gefährlich auf Grund ihrer Priorität und auf Grund des Zusammenhangs der sterblichen Gedanken der Vergangenheit mit denen der Gegenwart. Die vorbereitende Ursache und die erregende Ursache sind mental.“
Hier also wird die fundamentale Lehre der Christlichen Wissenschaft dargelegt: daß in Wirklichkeit Gott, das Gute, der Urheber aller Dinge, in Seiner ganzen Schöpfung durch Harmonie und Wohlbefinden widergespiegelt wird. Disharmonie ist daher die Folge falscher Annahmen. Ändere diese Annahmen durch wissenschaftliches Verständnis — nicht durch Willenskraft oder wunscherfülltes Denken — und die uranfängliche Harmonie wird dann in die Erscheinung treten. Die Disharmonie wird verschwinden, da sie unnatürlich und unwirklich ist.
Die Christlichen Wissenschafter werden immer wieder aufgefordert, sich in den Dienst der Menschheit zu stellen, das Werk der Erlösung und Heilung zu vollbringen, und die Arbeit aufzunehmen, die müde Menschheit in die Arme unseres Vater-Mutter Gottes zu leiten. Dort können die Menschen die Last der Sterblichkeit mit ihren falschen Gesetzen abwerfen — Gesetzen, die im allgemeinen nichts anderes sind als der Zwang einer Massensuggestion — und schließlich sind sie imstande, sich in ihrer wahren Selbstheit zu erkennen. Diese wahre Selbstheit ist niemals gefangen in einer unübersehbaren Anhäufung sterblicher Fehltritte und unsicherer Versuche, den Weg im Dunkeln zu finden, und sie hat niemals die sich wiederholenden Stöße des menschlichen Willens zu ertragen.
Um diese heilige Aufgabe der Erlösung und Heilung vollbringen zu können, müssen wir auf der Hut sein vor den Bedrohungen der sterblichen Annahme, die mitunter auch tierischer Magnetismus oder Irrtum genannt wird. Die sterbliche Annahme klammert sich an die Unvollkommenheit und verwirft die Auffassung von dem zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen, wie er im ersten Kapitel der Genesis beschrieben wird.
Die sterbliche Annahme macht uns zu hilflosen Opfern unserer Fehler, die als erblich angesehen werden und als fähig, ihren Einfluß auf zukünftige Generationen auszudehnen. Die sterbliche Annahme betrachtet die Völker sowie auch deren Lebensweise und Einrichtungen als ob diese entstehen, sich zur Reife entfalten und dann ihren Einfluß auf jüngere Gruppen übertragen — und als ob diese schließlich aussterben in Übereinstimmung mit einem ausgedehnteren Kreislauf des sterblichen Lebens.
Aber der geistige Sinn vermag diese Kette falscher Annahmen und ihre Folgen zu durchbrechen; denn der geistige Sinn dringt empor über die falschen Ansichten und enthüllt die Wirklichkeiten des Seins. Wenn das menschliche Denken so berichtigt wird, tauscht es seine Geschichte von einem schleppenden und unsicheren Fortschritt gegen die natürliche und gewisse Entfaltung der Ideen Gottes aus.
Der Christliche Wissenschafter kann der Welt helfen, ihren sterblichen Determinismus aufzugeben, und indem er dies tut, wird sein eigener Weg leichter werden. Mrs. Eddy erklärt (ebd., S. 224): „Wie die groben Fußspuren der Vergangenheit von den sich entwirrenden Pfaden der Gegenwart verschwinden, werden wir die Wissenschaft, die diese Veränderungen regiert, besser verstehen und unsre Füße auf festeren Grund stellen.“ Und in demselben Abschnitt fügt sie hinzu: „Doch sollte der Fortschritt schmerzlos und von Leben und Frieden begleitet sein anstatt von Disharmonie und Tod.“
Damit unser „Fortschritt schmerzlos“ sein möge, laß uns mit dem Psalmisten beten (Ps. 139:23, 24): „Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz; prüfe mich und erfahre, wie ich's meine. Und siehe, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“
