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Das Wesen der Barmherzigkeit

Aus der Oktober 1961-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Barmherzigkeit ist ein schönes und bedeutungsvolles Wort. Alle, die ihre Vollkommenheit als Gottes Bild und Gleichnis beweisen möchten, müssen Barmherzigkeit üben.

Doch Barmherzigkeit ist nicht nur ein schöner Gedanke. Sie ist weit mehr als Vergebung. Barmherzigkeit üben bedeutet, mit Kritik zurückzuhalten, Geduld mit den Fehlern anderer zu haben und mitfühlendes Verständnis für alle, die nicht Christliche Wissenschafter sind; es bedeutet, daß wir gütig zu unseren sogenannten Feinden sind und die Schutzlosen verteidigen. Es bedeutet, in unserem geschäftigen Leben innezuhalten, um den Hilflosen in allen Lebensbereichen beizustehen, ja selbst einem Käfer, der sich aufseinem Rücken liegen abmüht, wieder auf die Beine zu helfen. Es bedeutet, wie Christus Jesus, Barmherzigkeit zu üben, ohne zu fragen. Er legte keinen Wert darauf, etwas über die Herkunft eines Hilfesuchenden zu erfahren, um danach zu entscheiden, ob er der Hilfe wert sei oder nicht; Jesus fragte auch nicht, wodurch jemand in Sünde verstrickt worden sei. Er wies den Irrtum zurück; er löschte sogar die Erinnerung daran aus und heilte den Betroffenen.

In seiner unvergleichlichen Bergpredigt sprach Jesus von der Barmherzigkeit als einer gesegneten und heilbringenden Eigenschaft, und zwar in den folgenden Worten (Matth. 5:7): „Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ Er bewies seine Worte durch Taten der Barmherzigkeit selbst an denen, die ihn ungerecht behandelten, und auf diese Weise spiegelte er die göttliche Ordnung wider, die diejenigen segnet, die ihr fluchen.

Mitleidvolles Erbarmen kennzeichnete Jesu Haltung, wenn immer er mit Sündern in Berührung kam. Bei seinem Verhör, ja selbst am Kreuz, hatte er kein Wort der Verurteilung für seine Verfolger, kein Verlangen nach Selbstrechtfertigung oder gar nach Rache. Seine tiefe Liebe kam zum Ausdruck in seinen unsterblichen Worten (Luk. 23:34): „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Als Christliche Wissenschafter lernen wir Barmherzigkeit als eine der Gnaden des Geistes verstehen, als den Gipfel der göttlichen Liebe; sie wirkt, um das sterbliche Bild des Irrtums in all seinem Erscheinungsformen aufzulösen, und ihr Einfluß auf unser Denken bewirkt, daß wir uns von einer materiellen Basis ab- und einer geistigen Basis zuwenden. Wenn wir unter dem göttlichen Einfluß bleiben, sind wir stark gegen die Versuchung, zu strafen und in gleicher Weise zurückzuzahlen, und wir können der Versuchung widerstehen, die sterbliche Neigung, ungerecht und unfreundlich zu sein, als wirklich anzunehmen.

Wir sind tief berührt von dem innigen Erbarmen, das Christus Jesus mit der Menschheit hatte; ob er eine menschliche Not stillte oder geistigen Mangel überwand, sein mitleidvolles Erbarmen mit allen, die ihm Unrecht taten und ihn beleidigten, war stets hocherhaben. In ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für 1902 (S. 18) bringt Mrs. Eddy mit diesen Worten verstehender Liebe ihre Ehrerbietung für Jesus zum Ausdruck: „Jesus war erbarmend, war treu im Ermahnen, stets zum Vergeben bereit. Er sagte: ,Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.' ,Liebet euch untereinander, gleichwie ich euch liebe.' Keine Entfremdung, keine Zwietracht, keine Täuschung dringt in das Herz, das liebt, wie Jesus liebte.“

Eine Christliche Wissenschafterin erlebte einmal Beweis von der heilenden Kraft göttlicher Barmherzigkeit beim Überwinden eines schweren körperlichen Leidens. Eine Unfreundlichkeit, die ihr eine inniggeliebte Freundin scheinbar zugefügt hatte, hielt ihr Denken derart im Bann, daß sie sich diese Beleidigung immer mehr zu Herzen nahm. So aggressiv wurde die Vorstellung von einer persönlichen Beleidigung und Ungerechtigkeit, daß sie schwer an einer Darmbeschwerde erkrankte und Hilfe von einem Ausüber der Christlichen Wissenschaft erbat.

Als sie ihr Denken überprüfte, fing sie an zu verstehen, daß ihre augenblicklichen Beschwerden die Folge einer Täuschung waren. Die sterbliche Annahme hatte sie getäuscht, indem sie sie an eine unvollkommene Schöpfung glauben machte. Sie fand, daß sie das Gefühl des Grolls umkehren mußte, um nur den von Gott erschaffenen wirklichen Menschen zu sehen, der einer Unfreundlichkeit unfähig war. Sie mußte zum geistigen Verständnis erwachen und mehr vom Christusgeist demonstrieren, indem sie an der Tatsache festhielt, daß es nur einen vollkommenen Gott und Seinen vollkommenen Menschen gibt.

Als sie darum betete, daß sie nur ihr und ihrer Freundin wirkliches Selbst als die vollkommene Widerspiegelung des vollkommenen Gemüts, Gottes, sehen möge, fing sie an die Möglichkeit zu erwägen, daß dieses Vorkommnis unbeabsichtigt gewesen sei, ja daß es vielleicht nur ihr Stolz gewesen war, der sich verletzt gefühlt hatte. Und plötzlich war ihr Bewußtsein erfüllt von dem Gedanken „Barmherzigkeit“.

Sie vertiefte sich in Jesu erbarmende Liebe zu seinen Feinden. Bibelstellen wie die folgenden bekamen neue Bedeutung für sie: „So ziehet nun an, als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld“ (Kol. 3:12); und die Botschaft Gottes durch Hosea (6:6): „Ich habe Lust am Erbarmen, und nicht am Brandopfer“ (n. der engl. Bibel).

Als sie betete, daß sie diese erbarmungsvolle Liebe widerspiegeln und nur Gottes Schöpfung sehen möge, hob sich die Wolke des persönlichen Sinnes und ihr Denken war erfüllt von Mitgefühl und Erbarmen. Fast augenblicklich reagierte ihr Körper auf diese Berichtigung ihres Denkens.

Nach wenigen Stunden klingelte das Telefon. Es war ihre geliebte Freundin, die für sich und ihre Kinder um christlich-wissenschaftliche Behandlung bat; offensichtlich hatte sie vollkommen vergessen, daß eine Spaltung zwischen ihnen bestanden hatte. Überfließende Dankbarkeit für die eigene innere Freiheit und für die Gelegenheit, andern zu helfen, brachte unverzüglich allen die Heilung, und die Anhängerin konnte freudig mit dem Psalmisten sagen (Ps. 94:18): „Ich sprach: Mein Fuß hat gestrauchelt; aber deine Gnade, Herr, hielt mich.“

Wir sollten nie die Lektionen unterschätzen, die uns erkennen lassen, daß wir in unseren täglichen Kontakten mit anderen mehr Mitgefühl haben müssen. Wenn wir zulassen, daß sich das Gefühl des Grolls in unserem Bewußtsein einnistet, dann berauben wir uns unseres Geburtsrechtes des Friedens und der Freude. Zu lieben wie Jesus liebte, zu geben und zu vergeben wie er, entfaltet Barmherzigkeit, die wie ein Vorspiel die vollkommene Harmonie einleitet und uns befähigt, die geheimen Klänge der göttlichen Liebe in ihrem vollen Zusammenklang zu vernehmen und zu verstehen.

Mrs. Eddys Worte aus dem Aufsatz „Liebet eure Feinde“ in ihrem Buch „Vermischte Schriften“ erheben und inspirieren uns zu tieferer Liebe zu allen Menschen und allüberall. Sie erklärt auf Seite 11: „Liebe mißt nicht nach menschlicher Gerechtigkeit, sondern nach göttlicher Barmherzigkeit.“ Und auf der nächsten Seite schreibt sie: „Wir sollten unsere Liebe zu Gott an unserer Liebe zum Menschen messen; und unser Verständnis Verständnis von der Wissenschaft wird gemessen an unserem Gehorsam Gott gegenüber, indem wir das Gesetz der Liebe erfüllen, allen Gutes tun, allen innerhalb unseres Gedankenbereiches Wahrheit, Leben und Liebe mitteilen, soweit wir selbst sie widerspiegeln.“

Die schönen Worte des Liedes No. 278 aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft sollten im Herzen eines jeden Christlichen Wissenschafters lebendig sein:

Gott hat geheilt deine Härte durch Liebe,
Segen vom Himmel verheißt ew'ges Heil ;
So lehrt Barmherzigkeit Güte uns üben —
Allen Barmherzigen wird sie zuteil.

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