Naturwissenschaft und Philosophie sind sich im allgemeinen theoretisch darüber einig, daß alle Wirkungen letzten Endes auf eine einzige, uranfängliche erste Ursache zurückzuführen sind; aber in bezug auf die Natur dieser Ursache besteht keine solche Einigkeit. Und doch hängt von dem Verständnis dieser Kernfrage das Verständnis des Universums und die Wohlfahrt der Menschheit ab.
Die materiellen Wissenschaften, die von der Voraussetzung ausgehen, daß die Wirklichkeit, die Summe aller tatsächlichen Wirkung, materiell sei, nehmen an, daß die Grundursache aller Dinge irgendeine physische Macht sei. Sie sind der Ansicht, daß die geregelte Anordnung des sichtbaren Universums ausschließlich auf das Funktionieren physischer Gesetze zurückzuführen sei. Diese Annahme schreibt der Intelligenz — dem Gegensatz des Physischen — eine zweitrangige Rolle zu und scheint sie lediglich als eine Eigenschaft der Materie anzusehen, die derselben innewohnt und von ihr abhängt. Die Christliche Wissenschaft klärt diese Verwirrung auf, indem sie sichtbare Beweise für die Tatsache erbringt, daß die Intelligenz, das göttliche Gemüt oder Gott, das Uranfängliche ist, und daß sie die eine ewig-wirkende Ursache darstellt, die beherrschende Macht allen Daseins.
Die Wahrheit von der uranfänglichen ersten Ursache und deren Wirkung stellt die Wahrheit der Schöpfung, einschließlich des Menschen, dar. Die Christliche Wissenschaft beginnt ihre Schlußfolgerungen hinsichtlich der Ursächlichkeit mit der unverkennbaren Tatsache, daß der Grundursache die Macht innewohnt, sich selbst zum Ausdruck zu bringen. Dieser Selbst-Ausdruck oder diese Wirkung steht in voller Übereinstimmung mit ihrem Urquell. Daher ist die Grundursache der Schöpfer, und ihre Wirkung oder Kundwerdung ist ihr eigenes Ebenbild.
Wenn die Ursache uranfänglich ist, stellt sie auch die eine und einzige Ursache dar; sie kann nicht in Örtlichkeit, Dauer oder Wirksamkeit beschränkt sein; sie ist unendlich und ewig. Da sie ewig ist, ist sie ohne ein zerstörerisches Element und daher völlig gut und vollkommen. Ihr Ausdruck ist ebenfalls unbegrenzt in Gegenwart, Fortdauer und Vollkommenheit, und diese unendliche Wirkung stellt ihre vollständige Kundwerdung oder Widerspiegelung dar.
Diese ewige Ursache oder dieser ewige Schöpfer kann nicht eine materielle oder mechanische Kraft sein, denn sie muß schon vor dem bestanden haben, was eine endliche materielle Schöpfung zu sein scheint; in der Tat besteht und funktioniert sie völlig unabhängig von der Materie. Gerade die Existenz von Intelligenz, Bewußtsein und Harmonie deutet auf die Natur der schöpferischen Ursache als des Lebens selbst hin, als des Ursprungs und Wesens von allem, was wirklich existiert. Die Grundursache hat daher keinen materiellen Körper; dennoch ist sie genau zu identifizieren in Ausdrucksformen ihrer eigenen geistigen Natur. Die Christliche Wissenschaft gibt die völlig befriedigende, weil beweisbare, Antwort durch ihre Offenbarung, daß Gott die Grundursache ist. Die vollständige Definition von Gott wird von der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, Mary Baker Eddy, in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ gegeben, und zwar in den folgenden Worten (S. 465): „Gott ist unkörperliches, göttliches, allerhabenes, unendliches Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit und Liebe.“ Gott ist der Schöpfer und Erhalter Seiner unendlichen Wirkung oder Seines unendlichen Ausdrucks, des geistigen Universums, das den wirklichen oder geistigen Menschen in sich schließt.
Was ist dieser geistige Mensch? Wir wollen uns die Frage stellen: Was ist es, das uns wirklich anzieht an einem anderen? Sind es nicht die hervorragenden moralischen Eigenschaften, die das Wesen eines guten Menschen ausmachen, der sich dem Ausdruck seiner wahren oder vollkommenen geistigen Selbstheit nähert, einer Selbstheit, von der der materielle Sterbliche bestenfalls eine unzulängliche, falsche Darstellung gibt?
Die Bibel berichtet von dem unaufhörlichen Streben der Menschheit nach dem Verständnis der wahren Natur Gottes und des Menschen. Dieses Forschen, das durch die sich immer mehr entfaltende Erkenntnis der geistigen Natur der Gottheit zum Ausdruck kommt, wird innerhalb des Rahmens der Geschichte der Israeliten berichtet, die in alten Zeiten die am besten bekannten Monotheisten waren.
Da Gott die einzige Ursache und der einzige Schöpfer ist, bestimmt die Natur Gottes die Natur der Wirklichkeit selbst. Die Natur Gottes kann bewiesen werden, und diese Tatsache hebt sie heraus aus dem Bereich philosophischer Spekulation und religiösen Theoretisierens und empor über menschengemachte Lehren in das Reich der Wahrheit.
Die Wahrheit stellt die aus sich selbst bestehende, sich selbst erhaltende, ewige Substanz dar. Sie schließt alles Wirkliche in sich, alles, was tatsächlich Macht bedeutet, und nichts anderes. Die wunderbare Güte und ununterbrochene Fortdauer der Wahrheit zu verstehen heißt, sie zu lieben und danach zu verlangen, der Wahrheit gemäß zu leben.
Die Wahrheit kann uns nicht segnen, ehe wir uns ihrer bewußt werden und ihren Forderungen gemäß leben. Diese bewußte Erkenntnis herbeizuführen ist die Funktion des Christus. Das griechische Wort Christos, das als „Christus“ übersetzt ist, bedeutet: „der Gesalbte“, oder in dieser Anwendung, das von Gott gesalbte Wort oder die von Gott gesalbte Botschaft. Mrs. Eddy erklärt: „Christus ist die wahre Idee, die das Gute verkündet, die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewußtsein redet“ (ebd., S. 332).
Den Christus zu verkündigen und die Wahrheit von Gott und dem Menschen, die der Christus in sich schließt, zu beweisen, das war die Mission Christi Jesu. Sein reiner, gottähnlicher Charakter und sein Verständnis von der Wahrheit des Seins begründeten für alle Zeiten den höchsten menschlichen Begriff vom Menschen, und auf diese Weise verdiente er sich den ehrfurchtgebietenden Titel des „Wegweisers“. Er bewies die einzige Wirklichkeit dessen, das Gott erschaffen hat, indem er die Kranken, die Geisteskranken und die moralisch Verderbten heilte, indem er Mangel in Fülle umwandelte und Tote wieder ins Leben zurückrief. Er sagte: „Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue“ (Joh. 14:12).
Das göttliche Prinzip, das den Ausgangspunkt der Heilungswerke Jesu darstellte, sowie die diesen zugrunde liegende Quelle der Macht, wurde von Mrs. Eddy in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckt. Diese Entdeckung, die sich auf ein klar definierbares göttliches Prinzip gründet, ist eine Wissenschaft, die gelehrt, verstanden und demonstriert werden kann. Mrs. Eddy gab ihr den Namen „Christliche Wissenschaft“ und erklärte sie vollständig in dem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit“ und ihren anderen Schriften, und zwar in einer für unser Zeitalter geeigneten Ausdrucksweise. Seitdem ist die Christliche Wissenschaft von vielen denkenden Menschen in fast allen Ländern der Erde angenommen worden.
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Gott das göttliche Gemüt ist und der Mensch Seine Idee. Da es nur einen unendlichen Gott gibt, gibt es in Wirklichkeit nur eine Art Mensch, und er ist geistig, vollkommen und unsterblich. Obwohl dieser grundlegenden geistigen Tatsache durch das Zeugnis der materiellen Sinne widersprochen wird, kann sie doch durch den geistigen Sinn klar verstanden werden.
In einem der wunderbaren religiösen Gesänge im Psalter (8:5–7) wird die Frage: „Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?“ in den folgenden erhabenen Worten beanwortet: „Du hast ihn [den Menschen] wenig niedriger gemacht denn Gott, und mit Ehre und Schmuck hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk; alles hast du unter seine Füße getan.“ Und in „Wissenschaft und Gesundheit“, unter der Randüberschrift „Gottesmensch erkannt“, lehrt die Christliche Wissenschaft (S. 258): „Durch den geistigen Sinn kannst du das Herz der Gottheit erkennen und somit den Gattungsnamen Mensch in der Wissenschaft zu begreifen anfangen. Der Mensch geht nicht in der Gottheit auf, er kann seine Individualität nicht verlieren, denn er spiegelt ewiges Leben wider, auch ist er keine abgesonderte Einzelidee, denn er stellt das unendliche Gemüt, die Summa aller Substanz, dar.“