Wie Johannes berichtet, gingen von der Zeit an, wo Christus Jesus sagte: „Der Geist ist's, der da lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze“ (Joh. 6:63), „seiner Jünger viele hinter sich und wandelten hinfort nicht mehr mit ihm“. Diese radikale Erklärung des Meisters war ein Stein des Anstoßes für die Anschauungsweise, die das Fleisch als angenehm und lebenswichtig für das Dasein anerkannte. Heutzutage ist die Erklärung der Christlichen Wissenschaft, daß das Fleisch eine Illusion ist, die wir verscheuchen müssen, anstatt unser Leben davon abhängig zu machen, für viele Sterbliche ebenso ein Stein des Anstoßes.
Im Glossarium ihres Buches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ gibt uns Mary Baker Eddy die folgende Definition von „Fleisch“ (S. 586): „Ein Irrtum der physischen Annahme; eine Voraussetzung, daß Leben, Substanz und Intelligenz in der Materie sind; eine Illusion; eine Annahme, daß die Materie Empfindung besitze.“ Für den geistigen Fortschritt ist es wesentlich, daß wir die trügerische Natur des Fleisches verstehen, denn nur auf diese Weise können wir seine scheinbare Tyrannei überwinden und beweisen, daß allein Geist uns Leben und Bewußtsein gibt sowie die Fähigkeit, als individuelle Wesen fortzubestehen. Für den Wissenschafter ist die Tatsache, daß das Fleisch eine Illusion ist, eine Angelegenheit, die bewiesen werden muß, und nicht eine Frage philosophischer Schlußfolgerungen.
Viele Menschen, die Gott lieben und ein aufrechtes Leben führen, fühlen sich durch schlechte Gesundheit beeinträchtigt und nicht in der Lage, mit physischen Bedingungen fertig zu werden. Das rührt daher, daß sie die Falschheit des vergänglichen Körpers nicht völlig erfassen und in bezug auf ihn tiefverwurzelte und oft unbewußte Befürchtungen hegen.
Wenn sie zu dem Verständnis gelangen, daß das Fleisch eine Illusion ist, wie die Christliche Wissenschaft erklärt, dann lassen diese Menschen ihre Befürchtungen fallen; sie treten der Illusion, die ihre Mentalität zu beherbergen scheint, entgegen, indem sie deren Unwirklichkeit erkennen, und erfreuen sich der Freiheit mit größerer Gewißheit, als dies je zuvor in ihrem Leben der Fall war. Sie gewinnen tatsächlich Herrschaft über das fleischliche oder sterbliche Gemüt, das die Illusion des Fleisches erzeugt. Sie werden sich der wahren, geistigen Identität bewußt, die von der Illusion verdunkelt wird.
Es ist hilfreich, sich von Zeit zu Zeit über das Fleisch Klarheit zu verschaffen und seine Nichtigkeit zu betrachten — zu erkennen, daß es der unzerstörbaren, geistigen Identität, die den Menschen Gottes darstellt, unähnlich ist. Es sollte klar verstanden werden, daß eine Illusion kein Leben, keine Empfindung, keine Dichte, kein Gewicht, keine Form und keine Substanz besitzt, abgesehen von dem, was das menschliche Denken ihr in dieser Hinsicht zuschreibt. Eine Illusion kann sich nicht selbst organisieren, auflösen, beleben, verunstalten, krank machen, Form geben oder empfinden, noch kann sie die Vorgänge von Leben und Tod in sich selbst geltend machen. Getrennt von dem getäuschten sterblichen Sinn, der das Fleisch wahrnimmt und durch einen Vorgang der mesmerischen Annahme dessen Zustände hervorbringt, kann das Fleisch keinen Anspruch auf Dasein erheben.
Hätte Jesus sich augenblicklich von einem Ort zum anderen begeben oder auf dem Meer wandeln können, wenn er sich nicht der Tatsache bewußt gewesen wäre, daß sein Fleisch eine Illusion war? Wir mögen zum gegenwärtigen Zeitpunkt sein fortgeschrittenes Verständnis von der trügerischen Natur des Fleishces noch nicht erlangt haben, aber ein jeder kann sehr viel für sich selbst tun, indem er sich vergegenwärtigt, daß das Fleisch lediglich eine falsche Darstellung seiner wahren Identität ist und daß es kein Teil des Menschen Gottes, Seines geistigen Gleichnisses, ist.
In „Wissenschaft und Gesundheit“ nennt Mrs. Eddy mehrere irrige Postulate, die berichtigt werden müssen. Sie sagt (S. 91): „Das vierte irrige Postulat ist, daß die Materie intelligent ist und daß der Mensch einen materiellen Körper besitzt, der ein Teil von ihm ist.“ Die Christliche Wissenschaft fordert mehr, als viele Menschen willens sind zu erfüllen, wenn sie die Forderung erhebt, daß die Menschen die Annahme vom Fleisch aufgeben müssen.
Die Hartnäckigkeit dieser Annahme vom Fleisch erscheint verwirrend, bis wir in der Wissenschaft lernen, daß eine Illusion nichts anderes ist als ein mentales Bild, ein unwirklicher, sterblicher Gedanke. Wir können stets das falsche Denken aufgeben, unseren Begriff von Identität davon frei machen und anfangen, die Freiheit des Lebens zu empfinden, das von Täuschungen nicht belastet ist.
Um diese Befreiung herbeizuführen, müssen wir tief verwurzelte menschliche Instinkte und Begrenzungen zerstören, die die althergebrachte Annahme von Leben in der Materie begleiten. Wir müssen unseren Begriff vom Selbst von den physischen Sinnen trennen und uns selbst als eine rein geistige Idee des göttlichen Gemüts erkennen. Dann werden die physischen Sinne, die das Fleisch zuerst so sehr verheißungsvoll aufbauen und es dann in einem demütigenden Prozeß unerfüllter Hoffnungen wieder verfallen lassen, allmählich den geistigen Sinnen Raum geben, die Gottes erhaltende Macht bekunden.
Das große Bedürfnis für den wissenschaftlichen Christen besteht darin, daß er sich so klar als den von Gott erhaltenen, von Gott gestützten Ausdruck des Geistes identifiziert, daß die Verdichtung der materiellen Annahmen, die als Körper sichtbar sind, ihren falschen Anspruch aufgeben, seine Erscheinung oder das Ausmaß seines gegenwärtigen falschen Begriffs vom Leben bestimmen zu können. Paulus schrieb an seine Freunde in Korinth (2. Kor. 5:16): „Darum kennen wir von nun an niemand nach dem Fleisch; und ob wir auch Christum gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr.“
Die Christliche Wissenschaft tritt nicht für eine Vernachlässigung des Körpers ein, noch lehrt sie die Menschen, das Fleisch zu verachten oder zu verdammen. Dagegen besteht sie darauf, daß das Fleisch eine Illusion ist, und dies wirkt sich zum Segen für den Körper aus und bringt das Denken, das ihn hervorbringt, unter die Herrschaft des Geistes und seine Gesetze der Gesundheit und Tätigkeit. Die von Jesus bewirkten erbarmungsvollen Heilungen legen in reichem Maße Zeugnis dafür ab, daß dies das Vorbild ist, dem die Christen nacheifern müssen.
In seiner Auferstehung legte der Meister die volle Herrschaft des vergeistigten Bewußtseins an den Tag. In seiner Himmelfahrt erhob er sich vollständig über den physischen Sinn vom Leben; und das Fleisch verschwand. Sein Begriff von sich selbst wurde in Einklang gebracht mit dem Christus-Menschen, dem Sohn des Vaters. Das fleischliche Gemüt gab seine Illusion auf, und der Heiland war frei von Zeit, Raum, materieller Empfindung und falschem Gesetz — frei von allen materiellen Aspekten der Begrenzung.
Jeder muß um die Auferstehung oder Vergeistigung ringen, die zur Himmelfahrt führt, zur endgültigen Erhebung in das ewige Leben im Geist. Jeder Schritt vorwärts bei der Vertreibung der Illusion des Fleisches ist ein Schritt aus der Sterblichkeit heraus. Der Ausdruck der Fleischlichkeit gibt so dem Ausdruck des Geistes Raum. Jesus hat uns den Weg gewiesen. Unsere Freude liegt in dem Verständnis, daß „das Fleisch. .. nichts nütze“ ist, sowie darin, daß wir fortfahren, mit Christus, Wahrheit, zu wandeln.
