Als ich in einem malerischen Dorf in Süddeutschland stationiert war, erstieg ich den Kofel, einen Berggipfel aus grauem Granit, der sich etwa 900 m über das Tal erhebt. Dreizehn Jahre vergingen, und im März 1960 wurde ich aus einem Militärkrankenhaus entlassen; ich hatte unter einer Krankheit gelitten, die als Herzinfarkt diagnostiziert worden war. Meine schnelle Entlassung aus dem Krankenhaus und mein Verbleiben beim Militär waren das unmittelbare Ergebnis wissenschaftlichen Gebets, wie es in der Christlichen Wissenschaft angewandt wird. Ich behielt jedoch Schmerzen in der Brust zurück, und meine Aktivität und meine Hoffnungen wurden von dem ärztlichen Urteil überschattet, daß ich nur dann noch längere Zeit leben würde, wenn ich sehr vorsichtig wäre.
Dann war ich dienstlich wiederum in dem Dorf, das am Kofel liegt, und sein scheinbar unerreichbarer Gipfel war eine schweigende Anklage, daß mein Leben tatsächlich behindert war und daß ich den Aufstieg, den ich einst unternommen hatte, nicht wiederholen konnte. Auf Seite 151 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ sagt uns die Verfasserin Mary Baker Eddy: „Alles wirklich Bestehende ist das göttliche Gemüt und seine Idee, und in diesem Gemüt wird das ganze Sein als harmonisch und ewig erfunden.“
Ich hatte den tiefen Wunsch, die in dieser Erklärung liegende Verheißung zu demonstrieren, von der ich durch mein Studium der Christlichen Wissenschaft wußte, daß sie in Erfüllung gehen kann. Mit gebeterfülltem Herzen vertiefte ich mich in diesen Satz und gewann eine große geistige Erleuchtung. Als Folge dieser mentalen Tätigkeit wurde ich inspiriert, mein ewiges Recht, „aufzustehen, mein Bett zu nehmen und hinzugehen“ (siehe Joh. 5:8), zu beanspruchen. Auf meine gegenwärtige Situation übertragen lautete dieses göttliche Gebot: „Stehe auf, beweise, daß du eine göttliche Idee bist, mit der es nicht rückwärts geht — ersteige den Kofel!“
In „Wissenschaft und Gesundheit“ lesen wir (S. 183): „Gehorsam gegen Wahrheit verleiht dem Menschen Macht und Stärke.“ Den Kofel zu ersteigen war nicht eine Muskelübung, sondern ein Ausdruck demütigen Gehorsams gegen die Führung der Wahrheit.
Mit diesen und anderen unschätzbaren Zitaten aus der Bibel und aus „Wissenschaft und Gesundheit“ ausgerüstet, begann ich mehrere Tage später den steilen, in Serpentinen verlaufenden Aufstieg, allein mit Gott, dem göttlichen Gemüt, von dem ich wußte, daß es das einzige Gemüt des Menschen ist. Mein Denken war von meinen gebeterfüllten Vorbereitungen so angefüllt, daß ich schon die halbe Wegstrecke zurückgelegt hatte, als ich mir plötzlich bewußt wurde, daß ich weder Schmerzen noch andere Beschwerden verspürt hatte. Während der ganzen Zeit des Steigens wurde ich durch folgende Worte gestützt (ebd., S. 249): „Laßt uns die göttliche Energie des Geistes empfinden, die uns in die Neuheit des Lebens bringt und die nicht anerkennt, daß eine sterbliche oder materielle Kraft fähig ist zu zerstören.“ Dann erreichte ich die Stelle über der Baumgrenze, wo ich mich mit Händen und Füßen in eingehauenen Stufen festklammern und mich langsam durch den Schnee hinaufziehen mußte.
Plötzlich war alles vorüber, zwei Stunden nach Beginn des Aufstiegs; ich stand auf dem windumwehten Gipfel, genoß den Ausblick und dankte Gott. Es wurde mir nun zu einer herrlichen Gewißheit, daß mir kein Berggipfel oder irgendein anderes rechtmäßiges Ziel unerreichbar sein würde. Als ich erfrischt, glücklich und rüstig den Abstieg begann, mußte ich daran denken, wie erschöpfend der Aufstieg vor dreizehn Jahren gewesen war, als ich noch nicht so klar verstand, daß wahre Stärke der Ausdruck eines stets unvermindert wirksamen Gesetzes ist und nicht von Muskeln oder Herzklappen abhängt.
Am selben Abend stellte ich später fest, daß ein mir lieber und wertvoller Ring, den ich viele Jahre getragen hatte, an meiner Hand fehlte. Ich suchte vergeblich danach. In der Nacht, als ich schlaflos und bekümmert dalag, wurde mir schließlich klar, daß Kummer kein Ausdruck des harmonischen Seins ist. Nach drei Tagen gebeterfüllter Arbeit war ich geheilt. Ich konnte auf die leere Stelle am Finger sehen, ohne schmerzlich berührt zu sein. Fünf Tage danach unternahm ich jedoch einen zweiten Aufstieg, um nach dem Ring zu suchen. Der Weg war von Blättern und Schnee bedeckt, und es drohte erneuter Schneefall. Kurz vor dem Gipfel fand ich einen Knopf, der bei meinem vormaligen Aufstieg von meiner Kleidung abgerissen war. Dieses Wiederfinden selbst des Nichtgesuchten war sehr ermutigend. Und dann fiel mein forschender Blick geraddeswegs auf meinen Ring, wie er auf seiner Fassung auf einer winzigen Kante balancierte, von wo ihn jedweder Zufall hätte die Felswand hinunterfegen können!
Weder Furcht, Schmerz noch ein Gefühl der Begrenzung sind seit diesen Erfahrungen je wieder bei mir aufgetreten. In der Zwischenzeit mußte ich mich zwei jährlichen Pflichtuntersuchungen einschließlich eines elektrokardiographischen Tests unterziehen. Diese zeigten, daß meine Herztätigkeit vollkommen normal ist.
Sowohl Bergeshöhen wie auch mentale Höhen sind erreichbar, und beide eröffnen unvergeßlich inspirierende Ausblicke. Ich danke Gott für Seine Liebe, für Jesus, der deren stete Gegenwart bewies, und für unsere befähigte und mutige Führerin Mrs. Eddy, die uns die Wissenschaft dieser Liebe gab. — Heidelberg, Deutschland.
