Es ist das Ziel eines jeden Christlichen Wissenschafters, jenen geistigen Bewußtseinszustand zu erreichen, der Gott als Seele erkennt. Dann spiegelt das Bewußtsein, das der einzelne von seinem eigenen Sein hat, unmittelbar und vollkommen das göttliche Bewußtsein wider. In diesem wahren Bewußtseinszustand gibt es keine Sünde, keine Krankheit, keine Disharmonie, keinen Mangel, keine Ungewißheit, keinen Tod.
Das Gegenteil von Seele beansprucht fälschlicherweise, die Seele des Menschen zu sein. Es ist der physische Sinn, oft fleischliches Gemüt oder sterbliches Gemüt genannt. Es wird auch als das Böse oder der Irrtum bezeichnet, weil es in direktem Gegensatz zu dem Guten steht, das Gott, Wahrheit, ist.
Die Wanderung vom Sinn zur Seele wird in der biblischen Geschichte von den Israeliten sinnbildlich dargestellt, die die Knechtschaft Ägyptens verließen und vierzig Jahre lang in der Wüste wanderten, ehe sie im verheißenen Land Kanaan anlangten. Mrs. Eddys Definition von „Wüste“ im Glossarium ihres Buches „Wissenschaft und Gesundheit“ enthält die folgenden Worte: „Der Vorhof, in dem der materielle Sinn der Dinge verschwindet und der geistige Sinn die großen Tatsachen des Daseins zur Entfaltung bringt“ (S. 597). Die Wüste ist der Ort, an dem wir uns zu befinden scheinen.
Dieser Vorhof schließt viele menschliche Eigenschaften oder moralische Eigenschaften ein, die auf dem Weg vom Sinn zur Seele höchst wichtig sind. Aber es handelt sich dabei um Übergangseigenschaften, nicht um absolute Eigenschaften. Mrs. Eddy beschreibt dieses Übergangsstadium als den zweiten Grad der „Wissenschaftlichen Übertragung vom Sterblichen Gemüt“ auf Seite 115 von „Wissenschaft und Gesundheit“ wie folgt: „Böse Annahmen im Verschwinden begriffen. Moralisch. Menschlichkeit, Ehrlichkeit, Herzenswärme, Erbarmen, Hoffnung, Glaube, Sanftmut, Mäßigkeit.“
Um zu dem Bewußtsein von der Seele zu gelangen, ist es erforderlich, die moralischen Eigenschaften oder Übergangseigenschaften zu betätigen und zu pflegen. Wie die Israeliten, so mögen auch wir versucht sein, zu murren und die Aussichten zu fürchten, die sich uns dem Zeugnis der physischen Sinne gemäß darbieten; doch die Stimme der Wahrheit spricht zu uns heute durch die Christliche Wissenschaft wie seinerzeit durch Moses, der sagte (5. Mose 1:29, 30): „Entsetzet euch nicht und fürchtet euch nicht vor ihnen. Der Herr, euer Gott, zieht vor euch hin und wird für euch streiten, wie er mit euch getan hat in Ägypten vor euren Augen.“
Glaube wurde von den Israeliten gefordert, aber kein unbegründeter Glaube. Und Glaube wird auch von uns gefordert, der Glaube, durch den wir die Beweise anerkennen, die uns bereits dargeboten worden sind — das Kommen Jesu, die Entdeckung der Christlichen Wissenschaft durch Mrs. Eddy sowie das individuelle Zeugnis in bezug auf die heilende Macht der Wissenschaft.
Ehrlichkeit ist erforderlich. Wir müssen das Gute anerkennen, das für uns getan worden ist. Wir müssen Ehre geben, wem Ehre gebührt. Wie die Kinder Israel auf Moses, ihren Führer, horchen und ihm folgen mußten, so müssen wir in der heutigen Zeit Mrs. Eddy als unserer Führerin Folge leisten und ihre Anweisungen studieren und befolgen.
Sanftmut ist erforderlich, die Sanftmut, die das Denken jeden Tag zur Bibel und zu den Schriften unserer Führerin lenkt, nicht um eine Rechtfertigung für das zu finden, was wir schon glauben, sondern um frische, neue Anweisungen für das Heute zu finden, um die Wahrheit des Seins zu finden, die uns in diesem Augenblick offenbart wird.
Herzenswärme ist erforderlich, eine echte Liebe zur Wahrheit, zu unseren Mitmenschen, zu Christus Jesus, dem Wegweiser, zu Mrs. Eddy, eine echte Liebe zu allen, die danach streben, Gottes Erlösungsplan für die Menschheit durch die Christliche Wissenschaft zu erfüllen.
Menschlichkeit ist erforderlich. Christus Jesus wies darauf hin, daß es unerläßlich ist, selbst denen gegenüber Menschlichkeit zum Ausdruck zu bringen, die unmenschlich gegen uns sind. Er sagte (Matth. 5:44, 45): „Segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.“
Hoffnung, die Erwartung des Guten, das Gegenteil von Entmutigung, ist wesentlich auf dieser Wanderung. Mäßigkeit, die Selbstdisziplin einschließt, muß beständig geübt werden, wenn wir uns unserer gottverliehenen Fähigkeiten bedienen, das kleinere Übel zu wählen und uns dem geistig Guten zu nähern.
Erbarmen ist notwendig, wenn unsere Gebete wirksam sein sollen. Wir müssen dieselbe liebevolle Besorgnis für die Probleme anderer empfinden, die wir für unsere eigenen empfinden würden, wenn wir die Bedürfnisse unseres Nächsten erkennen und diese Bedürfnisse in geistiger Weise stillen wollen.
Wenn wir die Geschichte von den Kindern Israel in der Wüste lesen, mögen wir uns vielleicht sagen: „Wenn ich dort gewesen wäre, hätte ich mich nicht so lange in der Wüste aufgehalten; ich wäre direkt in das Gelobte Land gegangen.“ Und wir sind versucht, dasselbe hinsichtlich der heutigen Zeit zu sagen. Wir würden uns am liebsten nur mit geistigen Eigenschaften befassen und die moralischen ignorieren. Wenn aber das geistige Verständnis erlangt werden soll, ist die Pflege und Betätigung der moralischen Eigenschaften unerläßlich.
Wir müssen nicht nur menschlich sein, sondern unsere Menschlichkeit muß immer weniger von dem persönlichen menschlichen Sinn und mehr und mehr von den Eigenschaften der göttlichen Barmherzigkeit ausdrücken. Wir müssen nicht nur ehrlich sein, sondern unsere Ehrlichkeit muß immer weniger von jener taktlosen Grobheit ausdrücken, die mit Grausamkeit identisch ist, und mehr und mehr von der Wahrhaftigkeit, die die Menschheit erleuchtet und das Leben glücklich gestaltet. Unsere Liebe muß immer weniger Selbstbefriedigung und mehr und mehr von der selbstlosen Liebe bekunden, die in dem Leben und den Lehren Christi Jesu offenbart wird.
Erbarmen, Hoffnung, Glaube, Sanftmut, Mäßigkeit müssen in ähnlicher Weise gepflegt werden — das Mitleid mit dem Irrtum muß dem Verständnis von der Wahrheit weichen, blinder Optimismus der Gewißheit des Guten, und grundloser Glaube muß der geistig begründeten Überzeugung Raum geben. Die sogenannte Sanftmut, die sich in die Bedeutungslosigkeit zurückzieht, muß durch die Sanftmut ersetzt werden, durch die wir unser Licht als individuelle Ideen Gottes leuchten lassen; die Mäßigkeit, bei der man sich lediglich Zwang antut, muß in die Mäßigkeit verwandelt werden, die in der Freude besteht, im Einklang mit dem Prinzip zu leben.
Wenn wir diese Eigenschaften betätigen und pflegen, unterwerfen wir die Irrtümer des Sinnes und erlangen das Wirkliche. Unser Übergang vom Sinn zur Seele wird von langer oder kurzer Dauer sein, je nachdem, ob wir den Weg der Christlichen Wissenschaft einschlagen und bereit sind, dem Ziel zuzustreben.
