Wahrheit ist das, was ist, das, was absolute oder ewige Existenz besitzt. Wenn dem menschlichen Bewußtsein die Wahrheit aufgeht, wird jeglichem Glauben an ihr Gegenteil ein Ende gesetzt.
In der Christlichen Wissenschaft bedeutet Wahrheit die unendliche Quelle oder den Urquell aller Wirklichkeit; sie ist Gott, Geist, das Leben oder das göttliche Prinzip allen Daseins. Da alles, was materiell ist, zeitlich ist, muß die Wirklichkeit geistig sein, das Ergebnis des schöpferischen Wirkens der Wahrheit, des göttlichen Gemüts, und sie ist es auch. Da Wahrheit kein wirkliches Gegenteil haben kann, ist alles, was sich der Wahrheit zu widersetzen scheint, unwirklich und besteht nur als eine Mutmaßung des menschlichen oder sterblichen Gemüts, als dessen falsche Auffassung von der Wirklichkeit.
In der menschlichen Erfahrung sind alle Disharmonien — seien sie mentaler, physischer oder moralischer Art — unterschiedliche Formen des grundlegenden Irrtums, daß die Wirklichkeit materiell sei, daß sie entweder gut oder böse sein könne und daß wir sie durch die körperlichen Sinne wahrnähmen. Diesem Irrtum der Annahme gemäß kann Substanz tote Materie oder lebendige, intelligente Materie sein, die in jedem Fall die Fähigkeit und die Entschlußkraft besitzt, als Ursache zu wirken und als Wirkung zu reagieren. Diese Annahme, die daran festhält, daß die Materie in Übereinstimmung mit ihren eigenen Gesetzen verfällt, stellt die Widersinnigkeit einer sich selbst zerstörenden Wirklichkeit dar.
Die Christliche Wissenschaft deckt auf, daß diese Grundlage allen sterblichen Denkens völlig falsch ist. Sie tut dies durch ihre Offenbarung der wahren Natur des Christus, der Wahrheit, und die Bestätigung hierfür finden wir in der Heilung von physischer Krankheit durch geistige Mittel allein, wie es seit nahezu hundert Jahren bewiesen worden ist. Diese Offenbarung zeigt klar, daß die Heilungswerke Christi Jesu die unmittelbare Folge seines ihm eigenen Verständnisses von der Allheit des Geistes, Gottes, und der daraus folgenden Unwirklichkeit oder fälschlich mentalen Natur des materiellen Sinnenzeugnisses waren. Seine Heilungswerke waren, wie dies auch bei den durch die Christliche Wissenschaft bewirkten Heilungen der Fall ist, der Sieg des Christus, der Wahrheit, über die Irrtümer des materiellen Sinnes.
Was sind nun die materiellen Sinne, und was ist Materie? Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß die Intelligenz, da sie geistig ist, unmöglich ihrem Gegenteil, der Materie innewohnen kann. Daher sind die sogenannten materiellen Sinne in Wirklichkeit nicht Organe der Materie, sondern lediglich die Mittel, durch die uns das sterbliche Gemüt die Wirklichkeit seiner eigenen Täuschungen aufdrängt. Daher ist das, was materielle Sinne genannt wird, in Wirklichkeit nicht materiell, sondern sterblich mental. Infolgedessen sind die Eigenschaften der Materie, die von diesen Sinnen verzeichnet werden, Eigenschaften des sterblichen Gemüts, und die sogenannten Kräfte der Materie sind nichts als Erscheinungsformen des sterblichen Gemüts. Und da jeder Gegenstand nur die Summe seiner Eigenschaften darstellt, ist die Materie als ein Ganzes lediglich ein Bild im sterblichen Gemüt, das diesem Gemüt als Formen oder Gegenstände außerhalb seiner selbst erscheint.
Die Materie ist daher eine vom sterblichen Gemüt gehegte Illusion von der Wirklichkeit, die dieses sogenannte Gemüt durch seine eigenen Sinne zu sehen und zu berühren behauptet. Der geistige Sinn andererseits ist die beständige, unfehlbare Fähigkeit, Wahrheit zu verstehen, zwischen den Annahmen und Impulsen des materiellen Sinnes und den geistigen Ideen und Führungen der Wahrheit zu unterscheiden. Der geistige Sinn ist die Macht oder Fähigkeit des wirklichen Menschen, ein ureigener Bestandteil seiner Widerspiegelung des göttlichen Gemüts, der alles erleuchtenden Wahrheit, die durch ihre Gegenwart jeden Irrtum vernichtet.
Unter der Randüberschrift „Zeuge der Wahrheit“ erklärt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 298): „Das, was materieller Sinn genannt wird, kann nur über einen sterblichen, zeitweiligen Sinn der Dinge berichten, wohingegen der geistige Sinn allein für die Wahrheit Zeugnis ablegen kann. Für den materiellen Sinn ist das Unwirkliche das Wirkliche, bis dieser Sinn durch die Christliche Wissenschaft berichtigt wird.“
Das in sich selbst widerspruchsvolle Zeugnis des materiellen Sinnes hinsichtlich der Wirklichkeit der intelligenten und doch verfallenden Materie-Substanz, die ihre eigenen Gesetze und ihre eigene Macht besitzt, anzunehmen, ist kein harmloser Fehler. Denn im Grunde genommen beansprucht er, Leben mit der Materie und das Böse mit dem Gemüt zu verbinden; er ist eine Verneinung der Allheit des Geistes, Gottes, und Seiner erhaltenden Macht und immerwährenden Güte. An die Materie glauben heißt daher an das Böse glauben, denn es heißt an eine vergängliche Schöpfung glauben und an einen Schöpfer, der keine Macht besitzt zu erlösen. Und unsere Schlußfolgerungen auf diesen Glauben zu gründen heißt, bei jedem Schritt in der menschlichen Erfahrung irregeleitet zu werden.
Über diesen Punkt lehrt unsere Führerin (ebd., S. 318): „Die materiellen Sinne erzeugen und erhalten alles, was materiell, unwahr, selbstsüchtig oder niedrig ist. Sie wollen die Seele in Erde tun, das Leben in die Vorhölle und alle Dinge dem Verfall überliefern. Wir müssen diese Lüge des materiellen Sinnes durch die Wahrheit des geistigen Sinnes zum Schweigen bringen. Wir müssen den Irrtum, der die Annahme von Sünde und Tod gebracht hat und danach trachtet, den reinen Begriff von der Allmacht auszulöschen, veranlassen aufzuhören.“
In seiner Erwiderung auf Anschuldigungen, die gegen ihn erhoben wurden, wandte sich Christus Jesus in Wirklichkeit an den materiellen Sinn, dem diese Anschuldigungen entsprangen, als er erklärte (Joh. 8:44): „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach eures Vaters Lust wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang und ist nicht bestanden in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er von seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und ein Vater derselben.“
Aber der Lügner, der materielle Sinn, mit all seinem vermeintlichen Trotz gegen die Wahrheit, hat nicht die Macht, die Wahrheit zu beeinflussen; er kann nur die Erkenntnis eines Menschen von der Wahrheit behindern und so sein Teilhaben an der vergeistigenden, heilenden Wirkung verzögern, die der Christus stets bereit ist, auf den menschlichen Charakter, die menschliche Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden auszuüben.
Die Christliche Wissenschaft hat aus der illusorischen Natur materieller Annahmen wichtige Schlüsse gezogen. Sie lehrt uns, wie wir die Verddammung aufheben können, die das sterbliche Gemüt dem Körper für seine Krankheiten auferlegt, indem es ihn für die bösen Träume verantwortlich macht, die das sterbliche Gemüt selbst träumt, als ob der materielle Körper etwas wäre, was sich außerhalb dieses sogenannten Gemüts befindet. Die Christliche Wissenschaft zerstört auch die bequeme Ausrede, die das sterbliche Gemüt häufig für chronische moralische Verworfenheit benutzt: daß sie lediglich die Wirkung einer Mißbildung des Gehirns oder irgendeiner anderen physiologischen Abnormität sei, der gegenüber, wie es behauptet, ein Sterblicher praktisch machtlos ist.
Die Christliche Wissenschaft hat bewiesen, daß Krankheit eine Erfahrung des sterblichen Gemüts oder des materiellen Sinnes ist und Sünde das Ergebnis davon, daß ein Mensch das lügenhafte Sinnenzeugnis angenommen hat, demgemäß das Gemüt der Materie innewohnt und in bezug auf seine Beschaffenheit von ihr abhängig ist. Da es in Wirklichkeit jedoch weder Materie noch sterbliches Gemüt gibt, verschwindet der falsche menschliche Glaube an sie und ihre bösen Begleiterscheinungen in dem Licht, das der Christus, die Wahrheit, dem menschlichen Bewußtsein bringt.
Unsere Führerin spricht von der wunderbaren Wirkung der Christlichen Wissenschaft, wenn sie sagt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 306): „Unberührt inmitten des mißtönenden Zeugnisses der materiellen Sinne entfaltet die allzeit erhöhte Wissenschaft den Sterblichen das unwandelbare, harmonische göttliche Prinzip — entfaltet sie Leben und das Universum als immer gegenwärtig und ewig.“
