Das Verneinen des Irrtums ist ein wesentlicher Bestandteil in der Heilmethode der Christlichen Wissenschaft [Christian ScienceSprich: kr'istjən s'aiəns.]. Und der grundlegende Anspruch des Irrtums oder des sterblichen Gemüts, der Anspruch, der am gründlichsten und am nachdrücklichsten verneint werden muß, ist der Pantheismus — die Annahme, daß Leben und Intelligenz von der Materie ausgehen und von ihr abhängen. Bis diese Annahme, die im menschlichen Denken so tief verwurzelt ist, als unwirklich, als eine bloße Täuschung erkannt wird, wird das Heilen von Krankheit und Sünde wahrscheinlich verzögert werden oder unvollendet bleiben.
Christus Jesus verneinte im Grunde genommen den Pantheismus, als er sagte (Joh. 12:25): „Wer sein Leben liebhat, der wird's verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasset, der wird's erhalten zum ewigen Leben.“ Mit jeder Heilung, die er bewirkte, bewies der Meister die Falschheit des materiellen Lebens oder des Lebens in der Materie und demonstrierte die Wahrheit, daß der Mensch im Geist lebt und daß sein ganzes Sein im Geist liegt.
Mary Baker Eddy verneinte immer wieder die Annahme von Pantheismus. In der Tat machte sie den ersten Satz in der höchst wichtigen „wissenschaftlichen Erklärung des Seins“ zu einer solchen Verneinung. Diese Erklärung finden wir auf Seite 468 des Buches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“, und der erste Satz lautet wie folgt: „Es ist kein Leben, keine Wahrheit, keine Intelligenz und keine Substanz in der Materie.“
Zu glauben, daß der Gebrauch dieses ersten Satzes in der Betätigung des christlichen Heilens vermieden werden sollte, hieße zu glauben, daß eines der wirkungsvollsten Argumente in solch einer Heilmethode ausgeschaltet werden sollte. Wie wichtig es ist, den Pantheismus zu verneinen, geht aus der Stellung hervor, die diese Verneinung in der „wissenschaftlichen Erklärung des Seins“ einnimmt. Zuweilen hört man, daß es falsch sei, diesen ersten Satz bei der Geburt eines Kindes anzuwenden. Nichts könnte weiter vom Tatsächlichen entfernt sein. Wer den Pantheismus für das neue Kindchen verneint, läßt es mit einer Erklärung in das menschliche Leben gehen, die es bestimmt von dem knechtenden Irrtum befreien wird, daß das Kind in bezug auf sein Leben, seine Sustanz und seine Intelligenz vom Fleisch abhängig sei.
Mrs. Eddy sagt in unmißverständlicher Weise (ebd., S. 535): „Die göttliche Wissenschaft führt ihren Hauptstreich gegen die vermeintlichen materiellen Grundlagen des Lebens und der Intelligenz.“ Der erfahrene Wissenschafter wird nicht versäumen, diesen „Hauptstreich“ gegen den Irrtum zu führen. Er weiß, daß seine Bemühungen, den Irrtum zu zerstören, keinen Erfolg haben werden, wenn er mit dem hauptsächlichen metaphysischen „Streich“, der die Macht der Wahrheit verkörpert, zurückhält.
Die Physiologie möchte den Menschen zu einer Art Maschine machen, die durch chemische und elektrische Tätigkeit seinen Gesundheitszustand, den Grad seiner Intelligenz, das Maß seiner Stärke und seine Lebensdauer bestimmt. Die Biologie möchte das Gehirn zum Organ des Denkens, zum Zentrum der Triebkraft machen. Doch der metaphysischen oder geistigen Wissenschaft gemäß ist das göttliche Gemüt die Quelle aller wahren Gedanken, und der Wille des Gemüts ist die Triebkraft des Menschen.
Zu verstehen, daß der Mensch die Idee des Gemüts ist, und sich zu vergegenwärtigen, daß die Idee nicht von dem Gemüt getrennt werden kann, dessen Wissen ihr Existenz gibt, heißt den Pantheismus ausschalten und sich allmählich seines wirklichen Lebens im Gemüt bewußt werden, eines Lebens, das völlig von der Materie getrennt ist.
Der Pantheismus ist elementarer Materialismus. Er möchte das eine Gemüt für die Annahme von vielen irrenden und streitenden Gemütern aufgeben, von denen ein jedes seinen Sitz in einem Gehirn hat. Paulus muß die Wahrheit verstanden haben, daß der Mensch im Gemüt und nicht im Fleisch lebt, denn er sagte (Apg. 17:28): „In ihm leben, weben und sind wir.“ In ihrem Buch „Rückblick und Einblick“ zitiert Mrs. Eddy Paulus’ Worte, und sie sagt (S. 93): „Diese Erklärung stimmt im wesentlichen mit meiner eigenen überein:, Es ist kein Leben, keine Wahrheit, keine Sustanz und keine Intelligenz in der Materie.‘ Es ist ganz klar, daß diese erhabenste Wahrheit bisher noch nicht völlig demonstriert worden ist, aber sie ist nichtsdestoweniger wahr.“ Und sie ermahnt die Christlichen Wissenschafter, einen überzeugenden Beweis von der Wahrheit ihrer wissenschaftlichen Erklärung zu geben.
Die Christliche Wissenschaft [Christian Science] versucht nicht, die Annahme von Leben und Intelligenz in der Materie zu verlängern, obwohl die Wirkung dieser Wissenschaft darin besteht, normale Zustände des menschlichen Gemüts und Körpers herbeizuführen und so die Langlebigkeit zu erhöhen. Normale Gesundheitszustände weisen auf das Überwinden des Pantheismus hin und besagen nicht, daß er unterstützt wird. Sie zeigen, bis zu welchem Grad sich das menschliche Denken der Wahrheit angeglichen hat, daß Leben, Substanz und Intelligenz im Gemüt, im Geist sind und nirgendwo sonst.
Wenn wir den Pantheismus verneinen, schreiten wir geistig vorwärts, und wir erlangen sowohl moralische Freiheit als auch Herrschaft über das Fleisch und seinen Anspruch, Gesundheit und Tätigkeit zu begrenzen. Wir geben die Annahme auf, daß materielle Empfindungen Freude vermitteln könnten, und wir erfreuen uns der reinen Eigenschaften, die den wirklichen Menschen charakterisieren.
Wir mögen den Anspruch erheben, den Pantheismus zu verneinen; aber so lange wie die Empfindung in der Materie anzuhalten und das Leben von fleischlichen Bedingungen abzuhängen scheint, befolgen wir nicht das Gebot Jesu, das „Leben auf dieser Welt“ aufzugeben. Wir müssen uns an die Arbeit machen, und die Herrschaft über das Fleisch wird in dem Maße gefördert werden, wie wir erklären und beweisen, daß es „kein Leben, keine Wahrheit, keine Intelligenz und keine Substanz in der Materie“ gibt.
