Pionierarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaften ist nie als eine Aufgabe der Religion angesehen worden. Andrerseits haben sich auch die Fortschritte der Naturwissenschaften auf die religiösen Lehren der Jahrhunderte nicht nennenswert ausgewirkt.
Die irrige Vorstellung, daß das Wissenschaftliche kein eigentlicher Gegenstand für geistige Betrachtungen wäre, und daß die doktrinären religiösen Lehren keines wissenschaftlichen Beweises bedürften, bewirkte, daß viele Wissenschaftler der Religion gegenüber lediglich eine Haltung der Toleranz einnahmen, verbunden mit dem Glauben, es bestünde kein wirklicher Zusammenhang zwischen dem Gottesbegriff eines Menschen und seiner Intelligenz und seinen Leistungen.
Demgegenüber haben die Vertreter der Religionen nur allzu oft in den Wissenschaften einen atheistischen Versuch gesehen, Gott aus Seinem eigenen Universum auszuschließen, einem Universum, das sie jedoch allgemein als materiell betrachteten, mit einem persönlichen, menschenähnlichen Gott als Schöpfer. Zwischen diesen beiden Arten des menschlichen Denkens hat es keine Annäherung gegeben, ehe die Christliche Wissenschaft [Christian Science] kam. Sie enthüllte, daß reines Christentum mit reiner Wissenschaft tatsächlich übereinstimmt, und öffnete damit der menschlichen Familie die Tür für die Segnungen beider.
Der erste, der die volle Tiefe der Wissenschaft des Seins auslotete und sie voll und ganz bewies, war die größte religiöse Gestalt aller Zeiten, Christus Jesus. Durch sein natürliches Verständnis, daß Geist, Gott, und der Mensch als Seine vollkommene geistige Kundwerdung die einzige Wirklichkeit ist, war er sich der gefälschten Natur der Materie und ihrer Macht, als Ursache aufzutreten oder als Wirkung zu reagieren, voll bewußt.
So identifizierte Jesus das ursprüngliche Christentum mit dem Verständnis von der Wissenschaft des Seins. Er sprach von der heilenden Wirkung dieses Verständnisses, als er sagte (Joh. 8:32, 36): „[Ihr] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen ... Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei.“
Es ist das ewige Verdienst von Mary Baker Eddy, daß ihr die Wissenschaft von des Meisters Christentum offenbart wurde. Durch ihre eigenen bemerkenswerten Heilungswerke bewies sie die wahrhaft wissenschaftliche Natur ihrer Offenbarung, der Christlichen Wissenschaft [Christian Science].
Unter der Randüberschrift „Die Einheit von Wissenschaft und Christentum“ führt sie aus (Wissenschaft und Gesundheit, S. 135): „Es ist gesagt worden, und zwar mit Recht, das Christentum müsse Wissenschaft, und die Wissenschaft müsse Christentum sein, sonst sei das eine oder das andere falsch und nutzlos; doch ist keins von beiden unwichtig oder unwahr, und in der Demonstration sind sie einander gleich. Dies beweist, daß sie identisch sind.“
Wenn wir in der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] folgern, so gründen wir uns dabei auf die einfache Tatsache, daß das menschliche Gemüt die Wahrheit oder Wirklichkeit nicht erschafft, daß wir aber durch den geistigen Sinn das ewig Bestehende erkennen können. Dieses ewig Bestehende wird in der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] als der unendliche geistige Ausdruck des zeitlosen, allwissenden Gemüts, Gottes, des Schöpfers aller Wirklichkeit enthüllt.
Mrs. Eddy gibt klar zu erkennen, daß es das gemeinsame Ziel von Religion und Wissenschaft ist, ein Verständnis der Wirklichkeit oder des wahren Seins zu erlangen, und daß dieses Forschen logischerweise mit der Natur von deren Ursprung, Gott, beginnen muß. Sie schreibt (ebd., S. 127): „Wenn Gott, der Alles-in-allem, der Schöpfer des geistigen Universums, einschließlich des Menschen, ist, dann muß alles, was berechtigt ist, als Wahrheit oder Wissenschaft klassifiziert zu werden, in einem Wissen oder Verständnis von Gott mit einbegriffen sein, denn außerhalb der unbegrenzbaren Gottheit kann es nichts geben.“
Mrs. Eddy war weder Physikerin noch Mathematikerin, sondern von tief religiöser Natur, die mit einem inspirierten Verlangen nach geistigem Forschen gepaart war. So kam sie durch geistige Offenbarung zu ihren wissenschaftlichen Schlüssen. Dies erklärt auch, warum sie gewisse grundlegende wissenschaftliche Tatsachen darlegen konnte, von denen einige ihrer Zeit beträchtlich voraus waren, inzwischen aber durch die eigenen Fortschritte der Wissenschaft voll bestätigt worden sind. Selbst die folgende unvollständige Anführung solch wissenschaftlicher Entdeckungen einer religiös gesinnten Frau erweist Mrs. Eddy als wahren wissenschaftlichen Pionier.
Sie bestätigte, daß uns die materiellen Sinne keine Kenntnis von der absoluten Wahrheit vermitteln können, denn Wahrheit ist geistig und daher außerhalb des Bereichs der Materie, und daß die materielle Beobachtung — selbst in diesem Bereich — trügt, da sie von der Mentalität des Beobachters niemals gänzlich unabhängig ist. Sie war die erste, die dies als eine bedeutsame religiöse Tatsache lehrte.
Sie erklärte — und zwar nicht als philosophische Möglichkeit, sondern als absolute wissenschaftliche Tatsache —, daß die Materie unwirklich ist; daß die Materie selbst in ihrem eigenen Bereich nicht Substanz, sondern physikalische Kraft ist — eine Erklärung, die heute von der Physik bestätigt wird —, und daß physikalische Kraft wiederum gleichbedeutend mit dem sogenannten sterblichen Gemüt ist und daher nicht wirklicher als die Annahme dieses Gemüts sein kann, nämlich, daß Materie eine Substanz außerhalb seiner selbst wäre. So kam sie dazu, den Glauben an die Materie gleichzusetzen mit dem Glauben an eine Gott entgegengesetzte Macht und dadurch mit dem Glauben an die Wirklichkeit des Bösen.
Bei ihrem Forschen nach der Natur Gottes fand Mrs. Eddy, daß ein a posteriori oder induktives Folgern — wenn dies von der materiellen Wirkung zurück zu seiner wahrscheinlichen Ursache geht — irreführend ist, denn auch diese Wahrnehmung von Wirkung wird durch die materiellen Sinne gewonnen, die wiederum nur ihre eigenen Annahmen wahrnehmen können. Ihr Folgern in der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] ist a priori oder deduktiv: Es geht von der geoffenbarten Natur Gottes, der Ursache aller Wirklichkeit, zur Natur der Wirklichkeit, ihrer geistigen Wirkung.
Sie offenbarte, daß Zeit und Raum keine absoluten Größen sind, sondern relative menschliche Begriffe, rein sterbliche Maßstäbe, Teile der sogenannten Welt der Materie und daher so unwirklich wie die Materie selbst. Dadurch erklärte sie die Vorstellungen des Newtonschen Weltbildes von absoluter Zeit und absolutem Raum für unwirklich. Mrs. Eddy sagte damit einen wichtigen Aspekt der Relativitätstheorie voraus.
Sie lehrte als erste, daß der materielle Körper nicht der wirkliche Mensch ist, sondern die Vergegenständlichung des sinnlichen menschlichen Begriffs vom Menschen, an dem sich die wechselnden Annahmen dieses Begriffs abbilden. Da Krankheit eine dieser Annahmen ist, stellt ihre geistige Gegentatsache, die vom Christus, der Wahrheit, kommt, das wahre Heilmittel dar.
Verschiedene menschlich-mentale Methoden sind die materiellen Fälschungen von Mrs. Eddys wissenschaftlich-christlichem Heilsystem. Jene sehen nur den Zusammenhang zwischen dem Physischen und dem menschlich Mentalen, und bei ihren Heilbemühungen analysieren und manipulieren sie daher das Denken des Patienten. Diese Methoden ersetzen nur einen menschlichen Irrtum durch einen anderen, lassen aber die wirkliche Ursache der Schwierigkeit — nämlich den Glauben des Patienten an das Böse — unberührt.
Als erste deckte Mrs. Eddy die zerstörenden Wirkungen des Hypnotismus auf Charakter und Gesundheit auf, die er sowohl bei dem hervorruft, der mit seiner Hilfe heilen möchte, wie auch bei dem, der sich ihm willig unterwirft.
Dies sind nur einige wenige Beispiele ihrer umwälzenden Lehren, die in dem wissenschaftlichen und religiösen Bereich wirkungsvolle Pionierdienste leisteten. Wer ihre unbeirrbare Hingabe kennt, weiß, daß ihre epochemachende, geistig-wissenschaftliche Pioniertat tatsächlich die göttliche Antwort auf ihr Gebet war, das der Psalmist so getreu in folgende Worte faßte (Ps. 119:18): „Öffne mir die Augen, daß ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.“
