Unter der Randbemerkung „Göttliches Bild“ spricht Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit“ wie folgt über den Menschen: „Gottes geistige Idee, individuell, vollkommen, ewig.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 115; Diese geistige, vollkommene Idee bedarf keines Energieaufwands, keines Prozesses, keines Erzeugungs- oder Entwicklungsvorgangs, um zum Ausdruck zu kommen. Sie ist vielmehr eine bestehende Tatsache, die von Zeit und Raum unabhängig ist, jedoch von der Menschheit unter Beweis gestellt werden muß. Sie stimmt auch mit Gottes Antwort auf Moses’ Frage nach dem Namen — dem Wesen — Gottes, des Ursprungs allen Seins überein: „Ich bin der Ich Bin.“ 2. Mose 3:14;
Die nebelhafte, mesmerische Suggestion eines physischen Weltalls will uns ein Bild aufdrängen, das der geistigen Vollkommenheit entgegengesetzt ist und das von Geburt, Reife und Verfall abhängt. Es arbeitet mit Energieaufwand und Verschleiß, mit Zeit und Ort, und bedarf immer eines Mittels, um sich ein Scheindasein zu geben. Das auf solcher Suggestion beruhende Denken erkennt Disharmonie als Möglichkeit an und rechnet mit ihr im täglichen Leben.
Wenn aber die Disharmonie ein Ausmaß erreicht, das einem Notstand entspricht, und wenn alle materiellen Mittel und Wege zur Behebung des Notstandes sich als erfolglos erwiesen haben, wendet sich das menschliche Denken oft als letzte Zuflucht an Gott; hier kommt es dann mit dem Göttlichen in Berührung, und das göttliche Gesetz hat Gelegenheit, in dem Maße zu wirken, wie das materielle Denken aufgegeben wird. Gottes Hilfe scheint nicht etwa in der Not am nächsten zu sein, weil sie vorher unerreichbar gewesen wäre, sondern weil das materielle Denken erst bereit ist, sich aufzugeben, nachdem es seiner vermeintlichen Selbstheit überdrüssig geworden ist oder keine Möglichkeit mehr in sich findet, einen unharmonischen Zustand zu überwinden.
Wenn der einzelne das irrige, materielle Denken aufgibt, wird er zur besseren Transparenz des Göttlichen, und der Nebel der Materialität verschwindet. Nun hat das Gesetz der göttlichen Liebe Gelegenheit, in Kraft zu treten, denn wie es in der englischen Version des bekannten Sprichworts heißt: „Des Menschen äußerste Not ist Gottes Gelegenheit.“ Es tritt etwas von der Vollkommenheit des Menschen in Erscheinung, was vorher durch den Nebelschleier des materiellen Denkens verborgen zu sein schien.
In der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß das göttliche Gesetz, das immer Harmonie schafft, immergegenwärtig und daher immer anwendbar ist. Durch das Studium dieser Wissenschaft lernen wir, die Gedanken, die zu uns kommen, zu prüfen und ihnen nur Einlaß in unser Bewußtsein zu gewähren, wenn sie in Übereinstimmung mit dem geistigen Verständnis stehen. Wir wissen, daß alle Wirkung mental ist und daß ein Notstand nur durch irriges Denken entstehen kann. Wenn wir daher das irrige, materielle Denken aus unserem Bewußtsein entfernen, entziehen wir der Disharmonie die Grundlage ihrer Scheinexistenz.
Es ist in jedem Fall besser, nicht zu warten, bis die Not am größten ist, ehe wir uns ernstlich um die Lösung des Problems im Sinne der Christlichen Wissenschaft bemühen. Christus Jesus sagte einmal: „Sei willfährig deinem Widersacher bald, solange du noch mit ihm auf dem Wege bist, auf daß dich der Widersacher nicht überantworte dem Richter und der Richter dem Diener und werdest in den Kerker geworfen.“ Matth. 5:25;
Der Mesmerismus, das sterbliche Gemüt, versucht immer, sich uns als unser eigenes Denken zu präsentieren. Gelingt ihm das, sitzen wir bereits im Kerker, der uns unserer von Gott verliehenen Freiheit berauben will. Solange wir aber das falsche Denken noch als einen Widersacher erkennen, können wir uns seinem Willen widersetzen und ihn als einen falschen Anspruch entlarven, der nichts mit unserer wahren Selbstheit noch mit der unserer Mitmenschen als Ideen des einen göttlichen Gemüts, des Allen-in-allem, zu tun hat. Das falsche Denken ist in Wirklichkeit Nichts, ein Nichts, das der Wahrheit zu widersprechen scheint und fälschlich beansprucht, etwas zu sein.
Dieser Widersacher, die Lüge, das sterbliche Gemüt, ist ein falscher Ankläger, und die Unwirklichkeit jeder einzelnen seiner Anklagen muß erkannt werden, wenn wir die Allmacht und Allgegenwart des einen göttlichen Gemüts beweisen sollen. Wenn diese Arbeit des einzelnen, die materiellen Vorstellungen in das geistige Universum zurückzuübertragen, vollbracht ist, ertönt die Stimme vom Himmel im geistigen Bewußtsein, wie Johannes uns in der Offenbarung berichtet: „Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unsres Gottes geworden und die Macht seines Christus, weil der Verkläger unsrer Brüder verworfen ist, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott.“ Offenb. 12:10;
Wer einen einzigen göttlichen Gedanken voll erkennt, so daß er ihn besitzt, dem tut sich eine Vielzahl göttlicher Gedanken auf. Das Bewußtsein aber, das nicht genügend Transparenz besitzt, um einen einzigen göttlichen Gedanken einzulassen, verliert schließlich auch alles, was es für wirklich hält, weil alles, was es wahrnimmt, auf einer Täuschung beruht und der geistigen Wahrheit entbehrt. Da aber dieses Bewußtsein der Enttäuschung, der Leere und des Überdrusses an der Erscheinungswelt uns nach einem höheren Sinn Ausschau halten läßt, erscheinen die geistigen Wirklichkeiten und beweisen, daß sogar hier in unserer höchsten Not Gottes Hilfe am nächsten ist.
So sehen wir, daß wir in jeder Lage eine immer bereitstehende Hilfe haben. Mrs. Eddy bringt das so schön in den folgenden Worten zum Ausdruck: „Denke daran, daß du in keine auch noch so ernste Lage gebracht werden kannst, wo die Liebe nicht schon vor dir war und wo ihre sanfte Weisung dich nicht erwartet. Darum verzweifle nicht und murre nicht, denn das, was zu erlösen, zu heilen und zu befreien sucht, wird dich führen, wenn du diese Führung suchst.“ The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 149.