Würde jemand wegen Übertretung eines Gesetzes, das nicht existiert, vor Gericht gestellt, so könnte er seine Freiheit erlangen, wenn er in rechter Weise Einspruch erhebt. Dieser Einspruch wäre mehr als die bloße Einrede, daß man unschuldig sei; er würde nachweisen, daß das Gesetz nicht besteht.
Christus Jesus verstand das Gesetz Gottes. Er heilte Krankheit nach diesem Gesetz. Wenn jemand krank war, nahm Jesus die Krankheit nicht als gottgegeben hin. Seine Einrede war daher nicht an Gott gerichtet, in der Hoffnung, daß Gott Sein Gesetz aufheben würde. Als seine Jünger von einem Manne glaubten, er sei blind geboren, weil er oder seine Eltern gesündigt hätten, sagte Jesus: „Es hat weder dieser gesündigt, noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.“ Joh. 9:3; Und er heilte ihn.
In diesem Falle brauchte Jesus den Mann nicht von Sünde frei zu machen. Er war nicht blind aufgrund eines Gesetzes, das er übertreten hatte. Er war blind aufgrund eines Gesetzes des sterblichen Gemüts — des sogenannten Gesetzes, das da sagt, der Mensch sei ein Sterblicher und müsse die Bedingungen der Materie ausdrücken. In der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß dieses Gesetz nicht existiert.
Das sterbliche Gemüt sagt, daß jeder von uns infolge materieller Umstände hier sei. Es behauptet, daß Disharmonie, Krankheit und Tod normale Zustände seien, und es droht jedem, der ein harmonisches Leben führt, der gesund ist oder überhaupt lebt, mit Strafe, weil er ein Gesetz der Materie übertreten oder außerhalb dieses Gesetzes gelebt habe. Der Blinde war blind aufgrund dieses falschen, ungerechten Gesetzes, und der Meister wußte das. Er wußte auch, daß Gott der einzige Gesetzgeber und das materielle Gesetz nur eine Illusion ist. Aufgrund dieses Verständnisses war sein Einspruch rechtskräftig und wirksam. Die Augen des Mannes wurden geöffnet.
Gottes Gesetz fordert von uns, daß wir ehrlich unser Bestes tun und die Eigenschaften unseres Vater-Mutter Gottes ausdrücken, so gut, wie wir es heute verstehen. Gott ist Geist, und der Mensch ist Seine geistige Idee. Wenn wir den wirklichen Menschen wahrnehmen und uns mit Gott identifizieren, indem wir die Eigenschaften des wahren Menschentums zum Ausdruck bringen, überwinden wir Sünde und Tod.
Sünde ist der Glaube an eine von Gott getrennte persönliche Existenz, an ein materielles Bewußtsein, an materielle Schmerzen und Freuden. Aber Gott und Seine geistige Idee sind alles, was existiert, und diese Wahrheit bestraft die Sünde und jeden, der sich mit der Sünde identifiziert. In Wirklichkeit ist die Strafe selbstauferlegt, denn sie ist nur das Leiden, das die Selbstzerstörung der Sünde begleitet, wenn sie der Wahrheit gegenübergestellt wird und ihre Nichtsheit ans Licht kommt. Wer davon abläßt, die Sünde als Wirklichkeit zu betrachten, trennt sich von der Sünde, hört auf ein Sünder zu sein und erfreut sich seiner geistigen Identität als Gottes vollkommenes Ebenbild.
Jemand, der ehrlich sein Bestes tut, um die Sünde zu überwinden, kann auch Krankheit durch Anwenden der Wahrheit überwinden. Mrs. Eddy schreibt: „Wir sollten unsere Gemüter von dem niederdrückenden Gedanken befreien, daß wir ein materielles Gesetz übertreten haben und dafür notwendigerweise Strafe zahlen müssen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 384. Und weiter unten sagt sie: „Wenn sich der Mensch durch die Materie anscheinend eine Strafe zuzieht, so ist dies nur eine Annahme des sterblichen Gemüts, nicht eine Verfügung der Weisheit, und der Mensch braucht nur seinen Einspruch gegen diese Annahme zu erheben, um sie ungültig zu machen.“
Zufall, Vererbung, Ansteckung, Unfall, Diät, die Abhängigkeit der Organe von Temperatur, Witterung und so weiter, sind nicht gottgegebene Gesetze. Sie sind sündige Gedanken, die vom fleischlichen oder sterblichen Gemüt hervorgebracht werden.
Wenn jemand einen sündigen Gedanken hegt und es weiß, muß er gewissenhaft daran arbeiten, ihn zu überwinden. Wenn jemand einen sündigen Gedanken hegt und es nicht weiß, wird ihn sein ernstes Verlangen, sich selbst zu erkennen und sein Denken zu reinigen, dazu führen, den Irrtum und seine Unrichtigkeit zu erkennen. Dann kann er ihn ablegen. Aber solange sich jemand so schnell, wie es ihm nur möglich ist, aus einem materiellen Daseinsbegriff erhebt, ist er absolut fähig und berechtigt, gegen jeden krankhaften Zustand Einspruch zu erheben, aufgrund der Tatsache, daß es kein Gesetz der Materie gibt.
Wenn jemand feststellt, daß sein Einspruch gegen eine Krankheit unwirksam ist, wird er sich fragen müssen, ob er seinen Einspruch auf der Grundlage verstandener Wahrheit erhebt oder nur in der Hoffnung, durch nachhaltigen Einspruch materielle Zustände ändern zu können. Er wird sich ferner fragen müssen, ob er sein Bestes tut, die Gebote zu befolgen und sich der Tugenden zu befleißigen, von denen Christus Jesus in seiner Bergpredigt spricht.
Wenn jemand zum Beispiel nicht konsequent den Balken aus seinem eigenen Auge zieht, ehe er es unternimmt, in Gedanken seinen Bruder zu kritisieren, oder wenn er seinen Feinden nicht ehrliche Liebe entgegenbringt, ist er in ebendem Grade ungehorsam gegen das Gesetz Gottes. Und nur auf der Grundlage des Gesetzes Gottes, des Gesetzes der Liebe, kann er gegen das Gesetz der Materie Einspruch erheben, das das Gesetz der Disharmonie, der Krankheit und des Todes ist.
Wir werden die Wirksamkeit unserer Einsprüche — mit anderen Worten, die Wirksamkeit unserer Heilarbeit — in dem Verhältnis erhöhen, wie wir verstehen lernen, daß es in Wirklichkeit kein Gesetz gibt, das den Menschen krank werden läßt, und wie wir uns von der Selbstbestrafung der Sünde frei machen, indem wir im Gehorsam gegen die Gesetze Gottes leben.
