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Die Christliche Wissenschaft und die Jugend

Aus der August 1968-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Unser Zeitalter befindet sich in einem Zustand der Rebellion gegen das, was es als die Heuchelei und die Unterlassungssünden der Vergangenheit ansieht. Das ist bis zu einem gewissen Grade gut so. Die Christliche WissenschaftChristian Science; sprich: kr’istjən s’aiəns. ging jedoch aus einem Zustand totaler Rebellion gegen alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Täuschungen und Trugschlüsse des materiellen Sinnes hervor. Sie war von Anfang an eine Protestbewegung gegen alles, was zu verhindern sucht, daß das wahre Wesen des Menschen als des Sohnes Gottes verwirklicht wird.

Es hat keinen Sinn vorzugeben, daß wir ohne ernste Probleme angenehm durchs Leben treiben können, wenn wir uns einem so radikalen Programm verschreiben. Die Christliche Wissenschaft stellt uns gleich vor das größte aller Probleme: das Problem des Seins. Mit diesem Problem fertig zu werden verlangt nun einmal unsere ganze Zeit; wir können uns jedoch unmöglich eine dankbarere Aufgabe vorstellen, als zu lernen, wie wir in der Praxis das werden können, was wir unserem Vermögen nach, unserem innersten Wesen nach und in Wahrheit bereits sind.

In dieser sich rasend schnell verändernden Welt stehen die Christlichen Wissenschafter jeder Altersstufe und Herkunft vor der Aufgabe, ihr Verständnis von der Wahrheit lebendig zu erhalten und zu fördern. Sie stehen vor der Aufgabe, ihre Erkenntnisse zu vertiefen und ihren Gesichtskreis zu erweitern, unter der Oberfläche vertrauter Worte nach neuen Bedeutungen zu graben und mit lebhafter Anteilnahme die Grenzen egoistischer Interessen zu sprengen.

Diese Tatsache ist wahrscheinlich von besonderer Bedeutung für den jungen Christlichen Wissenschafter, der gleich seinen Zeitgenossen der Meinung ist, daß Platitüden und Moralpredigten passé sind und die Zeit für neue Einsichten und Erkenntnisse gekommen ist. Er sieht, wie die religiösen Vorstellungen, die sittlichen Werte und sozialen Normen um ihn her einer ständigen rigorosen Prüfung unterzogen werden, und er mag berechtigterweise zu dem Schluß kommen, daß er sich selbst damit befassen möchte und befassen muß. Sehr wahrscheinlich muß er die religiösen Vorstellungen, mit denen er aufgewachsen ist, einer Prüfung unterziehen. Die Vorstellungen eines Dreijährigen von der Christlichen Wissenschaft sind einem Zwölfjährigen nicht gut genug, und die Vorstellungen eines Zwölfjährigen sind einem Achtzehnjährigen nicht gut genug.

Doch ob jemand nach menschlicher Rechnungsweise achtzehn oder achtzig ist, ist weniger wichtig als die Frage, ob er geistig vorwärtsschreitet. Der Generationsunterschied ist im Vergleich zum Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit unbedeutend. Der Revolutionär von heute ist nur zu oft der antisoziale Reaktionär von morgen, doch wer im Interesse des wirklichen geistigen Seins gegen die grundlegenden Voraussetzungen der Materialität rebelliert, geht über die vergänglichen Standpunkte jeder Generation, ob jung oder alt, hinaus.

Die Christliche Wissenschaft zeigt auf eine bemerkenswert praktische Weise, daß das geistige Sein in unendlicher Vielfalt zum Ausdruck kommt, daß jeder von uns für einen bestimmten Zweck geschaffen und mit einer einmaligen Identität ausgestattet ist. Beide, so stellen wir fest, kommen von dem Gemüt, das Gott ist, und ergeben sich nicht aus den sich wandelnden materiellen Umständen, die für sich den Anspruch erheben, uns zu formen, einzukerkern und schließlich zu zerstören. Es gibt keine größere Freude als zu entdecken, daß unsere wirkliche Identität der individualisierte, sich frei entfaltende Ausdruck des Gemüts, oder des Geistes, ist.

Diese Entdeckung bringt notwendigerweise mit sich, daß wir uns gegen die versklavende Vorstellung von uns selbst als einem körperlichen Organismus mit begrenzten Fähigkeiten und einer feststehenden Verhaltensweise auflehnen. Sie bringt mit sich, daß wir die destruktiven Eigenschaften des Temperaments aus unserem Leben ausschließen, die genausowenig zum geistigen Menschen gehören, wie die atmosphärischen Störungen, die den Radioempfang stören, zum Programm gehören. Natürlich erfordert das viel Studium und Übung, aber welche nützliche Revolution wurde schon ohne Überlegung und Mühe gewonnen?

Die Christliche Wissenschaft hat in bezug auf das menschliche Leben das allgemeine Ziel, uns von all den vielfältigen Fesseln der materiellen Gesinnung zu befreien. Dieses Ziel hat nichts Abstraktes an sich. Es steht mit solchen konkreten Dingen wie „die Pille“, das Peace Corps, Studentenunruhen und ein Schauspiel von Albee in Beziehung. Jegliche menschliche Tätigkeit muß auf ihren Wert hin untersucht und Bindungen müssen eingegangen oder zurückgewiesen werden. Die Freiheit liegt darin, richtige Entscheidungen zu treffen.

Die Christliche Wissenschaft liefert keine Patentlösungen oder fix und fertige Anweisungen. Statt dessen zeigt sie uns, wer wir wirklich sind, und von dieser Entdeckung ausgehend finden wir es immer natürlicher, auf eine Weise zu handeln, die zu echter Selbstverwirklichung führt. Ein solches Handeln ist nicht nur der Gesellschaft nützlich und von sittlichem Wert, sondern ist auch schöpferisch, befreiend und wunderbar bereichernd.

Auf dem Gebiet der Kunst oder des Sports, zum Beispiel, finden sowohl der Künstler wie der Sportler ihre größte Befriedigung in jener Art disziplinierten Spiels, die sich aus der vollkommenen Beherrschung des Werkstoffs oder der Sportart ergibt. Die Ausbildung oder das Training, das zu diesem Ziel führt, ist nicht bloße Plackerei, sondern im besten Fall Vergnügen — und im schlimmsten Fall Verzweiflung! Der Christliche Wissenschafter hat auf diesen Gebieten den unschätzbaren Vorteil, zu wissen, daß er der geistige Ausdruck eines Gottes ist, der gleichzeitig schöpferische Liebe und regierendes Prinzip ist. In dem Maße, wie er all die Eigenschaften des wahren Seins bei dieser göttlichen Quelle sucht und gegen die Begrenzungen der persönlichen Auffassung wie Trägheit und Eigenwillen rebelliert, ist er imstande, die Meisterschaft zu demonstrieren, die ein reines Vergnügen ist. Das wiederum erhebt ihn über Berufsneid und Rivalität, die so oft die Früchte der Arbeit vergällen.

Auf dem umfassenderen Gebiet menschlicher Beziehungen ist es gleichermaßen nicht nur eine Sache der Anpassung an äußerliche und willkürliche Verhaltungsmaßregeln, sondern des Entdeckens und Befolgens der wahren Gesetze unseres eigenen Seins. Diese Gesetze sind zwar in der Geschichte in solch unvergleichlichen Verkündigungen wie den Zehn Geboten und den Seligpreisungen formuliert worden, doch ihre Bestätigung finden wir im höchsten Sinne im sittlichen und geistigen Gefüge unseres eigenen wahren Seins. Dabei entdecken wir auch, daß die Verleugnungen, die sie von uns fordern, in keiner Weise das Leben betreffen, sondern nur die Begrenzungen, die falsche Auffassungen dem Leben auferlegen möchten.

Als ich mich vor mehreren Jahren eingehend mit Mary Baker Eddys Lebensjahren vor ihrer Entdeckung und Gründung der Christlichen Wissenschaft befaßte, war es nicht Frömmigkeit im herkömmlichen Sinn, die mir in den Briefen ihrer Jugendzeit auffiel, sondern Lebendigkeit. Ganz offensichtlich liebte sie das Leben und hatte sie ein lebhaftes Interesse an der Natur und den Menschen, am gesellschaftlichen und geistigen wie auch am religiösen Leben um sie her.

Als Kummer und Enttäuschungen die Jahre zwischen ihrer Mädchenzeit und ihrer Entdeckung der Christlichen Wissenschaft trübten, rebellierte sie innerlich dagegen. Sie wußte, daß dies nicht die Bestimmung des Lebens war, sondern daß diese Bestimmung nur gut sein konnte — und vielleicht erfaßte sie intuitiv, daß Leben Gott ist, der fürwahr völlig gut ist. Schließlich war sie soweit, daß sie gegen die Materie selbst rebellierte, gegen alles, was das Gute beschränken möchte, was das Leben entstellen und zerstören und den Menschen zu einem flüchtigen biologischen Phänomen herabwürdigen möchte. Und da entdeckte sie, daß Leben Geist ist, unendlich und vollkommen, und daß der Mensch völlig geistig ist, unsterblich und vollendet.

Eine interessante Tatsache bei dieser Entdeckung war, daß sie all das Beste der Vergangenheit als richtig bestätigte. Sie warf Licht auf die Weisheiten der Propheten und Weisen, die in ihrer Zeit die schöpferischen Rebellen waren, und zeigte deren tieferen Sinn. Sie führte die von ihnen begonnene Arbeit logisch zu Ende. Vor allem wies sie auf die zeitlose Bedeutung des Lebens eines jungen Mannes hin, der vor fast zweitausend Jahren ans Kreuz geschlagen wurde, weil er angeblich eine Gefahr für die Gesellschaft war. Sie bestätigte und erklärte die Grundlage, auf der Jesus von Nazareth die menschliche Geschichte auf den Kopf stellte.

Natürlich wird von niemandem verlangt, daß er diese Offenbarung in blindem Glauben akzeptiert. Ich kenne einen jungen Mann, der in seiner Studentenzeit gegen die Christliche Wissenschaft rebellierte, oder genauer, gegen seine unzulängliche Vorstellung von der Christlichen Wissenschaft. Als er eines Tages zu Hause seinem Herzen Luft machte, sagte seine Mutter, die eine Ausüberin war, zu ihm: „Du suchst doch die Wahrheit, nicht wahr? Ganz gleich, ob sie Christliche Wissenschaft genannt wird oder sonst etwas.“

„Stimmt!“ pflichtete er nachdrücklich bei. „Ich möchte mich nicht selber zum Narren halten. Und ich möchte die Christliche Wissenschaft auch nicht nur deshalb annehmen, weil sie Erfolg zu haben scheint oder weil sie Trost gewährt oder was immer es sein mag.“

„Das ist ganz vernünftig“, sagte seine Mutter. „Aber wenn du überhaupt an etwas glauben kannst, dann glaube an die Wahrheit an sich. Glaube daran, daß die Wahrheit, was immer sie sei, erkannt werden kann — daß sie dir einleuchten wird. Und gib dich niemals mit einem Kompromiß zufrieden. Bestehe auf der Wahrheit und auf nichts Geringerem.“

Der junge Mann fühlte sich sehr erleichtert. Er hörte auf, Mrs. Eddys Worte zu widerlegen, bejahte, was er bejahen konnte, und wartete die weitere Entwicklung ab. Bald darauf ergab es sich, daß er Vorlesungen über Philosophie besuchte und mit starkem Interesse und verständnisvoller Bewunderung die Werke der großen Philosophen las. Immer wieder jedoch entdeckte er, daß der eine oder andere dieser großen Denker kurz vor einem entscheidenden Punkt innezuhalten oder abzuirren schien, und es wurde ihm plötzlich klar, daß Mrs. Eddys Erläuterungen ebendie Erkenntnis vermittelten, die nötig war, um die Frage zu klären.

Gleichzeitig stellte er fest, daß sich diese zunehmenden Erkenntnisse in solchen praktischen Dingen wie Gesundheit, persönlichen Beziehungen, Ferienarbeit und finanzieller Versorgung unmißverständlich als wahr erwiesen. Schließlich kam der Tag, wo er voller Überzeugung anerkannte, daß die Christliche Wissenschaft der Weg der Wahrheit ist und daß Mrs. Eddy sein unschätzbarer und unerläßlicher Richtungweiser auf diesem Wege war. Dann stellte er fest, daß er nicht in der Zwangsjacke des Dogmas steckte, sondern daß sich ihm unbegrenzte neue Möglichkeiten des Seins eröffneten.

Den begeisterten jungen Christlichen Wissenschafter befremdet es zuweilen, daß die Nachfolger Mrs. Eddys in ihrer Gesamtheit bisher erst so verhältnismäßig wenig von diesen unbegrenzten Möglichkeiten verwirklicht haben. Ihm wird gesagt, daß Wahrheit das Denken revolutioniere, Berge versetze und den Tod überwinde; wenn er sich jedoch die Mitglieder seiner Zweigkirche ansieht, so machen wahrscheinlich nur wenige von ihnen den Eindruck von Revolutionären, von Menschen, die Berge versetzen können oder Anwärter auf die Himmelfahrt sind. Warum, so fragt er sich, machen sie keine größeren Fortschritte? Einige von ihnen mögen sich natürlich auch dasselbe über ihn fragen, und er wiederum wäre vielleicht erstaunt, wenn er die Herrlichkeit sehen könnte, die in dem nach außen hin so ruhig verlaufenden Leben verborgen ist.

Und das ist der Augenblick, wo in seinem Denken eine Revolution vor sich gehen muß. Er erinnert sich vielleicht der unmißverständlichen Worte Christi Jesu: „Richtet nicht nach dem, was vor Augen ist, sondern richtet ein rechtes Gericht“ Joh. 7:24; oder der ebenso kompromißlosen Erklärung Mrs. Eddys in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Beurteile den zukünftigen Fortschritt der Christlichen Wissenschaft nicht nach den Schritten, die schon getan sind, damit du nicht verdammt werdest, weil du den ersten Schritt zu tun versäumst.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 459;

Der erste Schritt mag manchmal darin bestehen, sich zu fragen: „Demonstriere ich das wenige, was ich von der Christlichen Wissenschaft weiß? Finde ich mich mit dem äußeren Augenschein ab, oder halte ich mich radikal an das göttliche Prinzip der Vollkommenheit mit seiner unwiderstehlichen Macht, den Augenschein umzugestalten? Lerne ich meine Mitmenschen so zu sehen, wie Gott sie geschaffen hat? Helfe ich mit, diese Situation zu heilen?“

Nichts in der Christlichen Wissenschaft ist revolutionärer als ihre nachdrückliche Forderung, einem jeden begrenzenden Umstand nicht mit Klagen entgegenzutreten, sondern in der Absicht, ihn zu heilen, und diese Heilung beginnt stets im eigenen Denken. In dem Maße, wie der ernsthafte Anhänger der Christlichen Wissenschaft diese Tatsache erfaßt hat, hat er eine geistige Revolution in seinem täglichen Leben und Denken zumindest ins Rollen gebracht. Er hat angefangen zu lernen, wie man realistisch an das Leben herangeht. Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich ist, wird er zugeben, daß er sich nicht auf irgendeiner bequemen, anspruchslosen Ebene der Demonstration niederlassen und aufhören kann, Fortschritte zu machen.

Die Christliche Wissenschaft ist kein Wunschdenken. Sie verlangt harte Arbeit. Wer auch nur im geringsten ein Realist ist, kann niemals annehmen, daß man etwas empfangen kann, ohne etwas dafür zu geben. Die jungen Menschen von heute fordern vor allem Realismus, und so ist es auch mit der Christlichen Wissenschaft, wenn sie als Wissenschaft verstanden wird. Mrs. Eddy schreibt: „Wir müssen tief in die Wirklichkeit hineinschauen, anstatt nur den äußeren Sinn der Dinge anzunehmen.“ S. 129; Und ferner schreibt sie: „Jesus von Nazareth war der wissenschaftlichste Mensch, der je auf Erden gewandelt ist. Er tauchte unter die materielle Oberfläche der Dinge und fand die geistige Ursache.“ S. 313;

Hier haben wir ein Ideal, das das Christentum mit dem wissenschaftlichen Zeitalter in Beziehung setzt, dem das quälende Gefühl fehlender Tiefendimension anhaftet. Nirgends gibt es einen Realismus von größerer Tiefe als in der Bibel, wenn sie geistig und wissenschaftlich verstanden wird. Die Kosmologie der Bibel, ihre Sprache und die in ihr beschriebenen Kulturen und sozialen und politischen Zustände — all dies mag scheinbar einer Welt angehören, die uns sehr fernliegt. Aber ihre zeitlosen Einblicke in die Struktur der geistigen Wirklichkeit bringen die heutigen Probleme mit derselben revolutionären heilenden Macht in Berührung, mit der sie ehemals die Welt des heidnischen Altertums in Berührung brachten.

„Begebt euch hinaus, wo es tief ist“ Luk. 5:4 [n. der engl. Bibel]., ermahnte Jesus seine Fischer-Jünger, und der Rat ist heute noch angebracht. Mit den Worten unserer Zeit könnte man sagen, daß eine lebendige Religion nicht bloß ein Luftschutzbunker, sondern eine Abschußrampe ist. Die höchsten Erkenntnisse und das mutigste Unternehmen sind für jene geistig disziplinierten Denker da, die bereit sind, nicht nur mit der Zeit zu gehen, sondern ihr vorauszueilen.

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