Es ist gut, selbständig zu denken, anstatt sich von der Strömung treiben zu lassen. Wenn es auch manchmal leichter ist, einfach die Denkweise anderer Leute zu akzeptieren, so ist doch das Ergebnis oft sehr unbequem. Der verlorene Sohn in Christi Jesu Gleichnis mußte das festellen, und wir brauchen nicht unbedingt wie er ein Prasserleben zu führen, um zu dem gleichen Schluß zu kommen.
Früher nahm ich einmal widerspruchslos die allgemeine Auffassung an, daß das Leben in der großen Stadt, in der ich lebe, hektisch sei. Ob als Autofahrer oder Fußgänger, es erschien gleicherweise schwer herumzukommen, und ich fand auch, daß der Tag mindestens sechs Stunden länger sein müßte, um alles in ihn hineinzuzwängen, was getan werden mußte. Es kam die Zeit, wo ich müde zu Bett ging und erschöpft aufwachte.
Eines Morgens erwachte ich mit folgenden Worten auf den Lippen: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ Luk. 15:18; Sie sind aus der Geschichte vom verlorenen Sohn. Ich fragte mich, warum ich das beim Erwachen gesagt hatte, denn ich fand, daß ich mich nicht in der gleichen Lage wie der verlorenen Sohn befand. Doch hatte ich gelernt, daß es einen sehr guten Grund dafür gibt, wenn mir Bibelstellen in den Sinn kommen; und so dachte ich über diese Stelle nach, als ich mich ankleidete.
„Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ Blitzartig kam mir die frohe Erkenntnis, daß dies genau das war, was ich zu tun hatte. Ich mußte mein Denken aus dem alten Gleis der weitverbreiteten Auffassung heben, daß das Leben im allgemeinen ziemlich hektisch ist, und zu meinem Vater, Gott, gehen, um mein wahres Leben verstehen zu lernen, das Leben, das immer neu ist und sich selbst erhält. Ich mußte mich über die Auffassung, die das sterbliche Gemüt vom Tag hat, erheben und zu Gott, dem göttlichen Gemüt, gehen, um zu erfahren, was mir der Tag bringen würde und was ich für Ihn tun sollte. Ich mußte mich über den materiellen Sinn erheben, der von einem müden materiellen Körper sprach, und zum Geist gehen, um mich als die Widerspiegelung des Geistes zu sehen, die von Seele regiert wird und im Bewußtsein alle rechten Ideen verkörpert, zu denen Müdigkeit nicht gehört.
Ich fühlte mich von aller Erdenschwere befreit und hatte einen ausgezeichneten Tag; ich konnte alles Nötige erledigen und zu einer angemessenen Stunde zu Bett gehen. Ich hoffe, ich habe gelernt, wachsamer zu sein, wenn es gilt, Gedanken in Frage zu stellen, und mich zu weigern, mich mit den Trebern materieller Meinungen abzugeben.
Mrs. Eddy legt Nachdruck auf die Notwendigkeit selbständigen geistigen Denkens. Sie schreibt im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit: „Wir weinen, weil andere weinen, wir gähnen, weil andere gähnen, wir haben Pocken, weil andere sie haben; aber das sterbliche Gemüt, nicht die Materie enthält den Ansteckungskeim und überträgt ihn. Wenn diese mentale Ansteckung verstanden worden ist, dann werden wir in bezug auf unsere mentalen Zustände vorsichtiger sein und Geschwätz über Krankheit ebenso vermeiden, wie wir es vermeiden würden, dem Verbrechen das Wort zu reden. Weder Mitgefühl noch Geselligkeit sollten uns jemals in Versuchung führen, den Irrtum in irgendeiner Form zu pflegen, und ganz gewiß sollten wir nicht der Fürsprecher des Irrtums sein.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 153;
Hierauf müssen wir wirklich achtgeben — nämlich, daß wir nie der Fürsprecher des Irrtums sind. Das fällt uns leichter, wenn wir einen richtigen Begriff von dem vollkommenen Gott und Seiner vollkommenen Widerspiegelung, dem Menschen, erlangen und diesen richtigen Begriff für uns wirklicher werden lassen als den verzerrten Begriff des materiellen Sinnes. Der Anlaß dazu, daß sich der verlorene Sohn aufmachte und zu seinem Vater ging, kommt in der Anfangszeile im vorangehenden Vers zum Ausdruck: „Da schlug er in sich ... “ Luk. 15:17;
Dieser Schritt zur rechten Selbstidentifizierung ist wichtig und ist ein Teil der täglichen Arbeit des aktiven Christlichen Wissenschafters. (Und es hat keinen Zweck, ein Christlicher Wissenschafter zu sein, wenn man kein aktiver Christlicher Wissenschafter ist!) Es ist gut zu wissen, was man ist. Mrs. Eddy erklärt das Wesen des Menschen folgendermaßen: „Der Mensch ist Idee, das Bild der Liebe; er ist kein körperlicher Organismus. Er ist die zusammengesetzte Idee Gottes und schließt alle richtigen Ideen in sich; der Gattungsname für alles, was Gottes Bild und Gleichnis widerspiegelt; die bewußte Identität des Seins, wie wir sie in der Wissenschaft finden, in der der Mensch die Widerspiegelung Gottes oder des Gemüts ist und daher ewig ist; das, was kein von Gott getrenntes Gemüt hat; das, was keine einzige Eigenschaft hat, die nicht der Gottheit entlehnt ist; das, was weder Leben, Intelligenz noch schöpferische Kraft aus sich selbst besitzt, sondern alles seinem Schöpfer Zugehörige geistig widerspiegelt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 475.
Wenn immer Sie Kritik üben möchten, bemühen Sie sich entschlossen, sich aufzumachen und zu Ihrem himmlischen Vater zu gehen und sich — und auch Ihren Nächsten — als „Idee, das Bild der Liebe“ zu sehen. Wenn Ihr Körper Ihnen meldet, er sei erschöpft, so lohnt es sich, daß Sie sich aus diesem Bewußtsein in das Bewußtsein Ihres wahren, geistigen Körpers als „der zusammengesetzten Idee Gottes“ erheben, die „alle richtigen Ideen in sich schließt.“ Wenn Sie sich von der Versuchung herabgezogen fühlen, mit der Masse einen zweifelhaften Weg zu gehen, so erhalten Sie neue Kraft, wenn Sie daran denken, daß Sie als Mensch das Bild und Gleichnis Gottes widerspiegeln. Und wenn Sie sich einer Gedankenarbeit nicht gewachsen fühlen, ist es tröstlich zu wissen, daß der Mensch „weder Leben, Intelligenz noch schöpferische Kraft aus sich selbst besitzt, sondern alles seinem Schöpfer Zugehörige geistig widerspiegelt“ !
„Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen“, wenn immer Krankheit oder Sünde, Mutlosigkeit, Einsamkeit, Versuchung oder Minderwertigkeitsgefühle versuchen, mich in dem anscheinend fernen Land unter den Trebern des seichten, gedankenlosen Dahintreibens oder der bewußten Halsstarrigkeit festzuhalten. Kein Mensch, kein Umstand oder das Zusammentreffen von Umständen, keine aggressive mentale Suggestion, daß eine Abkehr vom Unwirklichen und ein Sich-Hinwenden zum Wirklichen schwierig sei, kann uns Widerstand leisten.
Und das Wunderbare ist, daß — wenn wir uns entschlossen und konsequent bemühen, uns im Denken zu erheben — der Vater, das göttliche Gemüt, die unendliche Liebe, zu uns kommt, und wir entdecken, daß wir eigentlich die Wirklichkeit der Wahrheit überhaupt nicht verlassen haben und daß alles, was Gottes ist, durch Widerspiegelung auch unser ist und immer sein wird. Wir haben wahrhaft zu uns selbst gefunden — zu Gesundheit und Freiheit und Nützlichkeit und einem tief verankerten Glück.