Da sich in bezug auf moralische Maßstäbe im öffentlichen und privaten Leben so viele Probleme erheben, ist es wohl angebracht zu fragen: Was ist Sünde? Wie entscheiden Sie, was richtig und was falsch ist? Es scheint so viele verschwommene Gebiete zu geben, wo es irgendwie keine bestimmte Definition gibt. Ungenaues Denken führt zu unklaren moralischen Standpunkten und zu fragwürdigen Handlungen. Was die Menschen durchaus brauchen, sind einige fundamentale Richtlinien, anhand derer sie ihre Handlungen festlegen und sich ihrer moralischen Standpunkte sicher sein können.
Wenn wir moralische Maßstäbe festlegen, müssen wir mit Gott, dem absoluten göttlichen Prinzip alles wirklichen Seins beginnen. Gott ist Liebe, Wahrheit und Leben. Der Mensch ist als Gottes Gleichnis geistig und vollkommen; er ist auf ewig mit dem himmlischen Vater eins. Dies ist das Höchste des Guten — das Einssein, oder die Einheit, mit Gott. Hier haben wir das Urgestein der geistigen Tatsache, auf dem jedes wahre moralische Gesetz gegründet ist. Mit diesen einleitenden Tatsachen vor Augen können wir dahin gelangen, Sünde als das zu definieren, was den Menschen von Gott, dem Guten, zu trennen beansprucht. Alles, was unsere Einheit mit Gott störend beeinflußt, kann als Sünde klassifiziert werden. Alles, was unsere Einheit mit Wahrheit, unsere Einheit mit der göttlichen Liebe, dem unendlichen Leben, störend beeinflußt, kann als das Böse bezeichnet werden.
Mrs. Eddy sagt: „Da der wirkliche Mensch durch die Wissenschaft mit seinem Schöpfer verknüpft ist, brauchen sich die Sterblichen nur von der Sünde abzuwenden und die sterbliche Selbstheit aus den Augen zu verlieren, um Christus, den wirklichen Menschen und seine Beziehung zu Gott, zu finden und die göttliche Sohnschaft zu erkennen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 316; Jesus ist gekommen, um den Christus, die geistige Idee von der Gottessohnschaft des Menschen zu demonstrieren. Er erklärte der Sünde den Krieg, weil die Sünde das ist, was uns von Gott trennt.
Das Überwinden aller Sünde ist eine fortlaufende Erfahrung. Wenn wir mehr von der geistigen Natur des Menschen als Gottes Gleichnis lernen und in Übereinstimmung mit diesem höheren Verständnis leben, werden wir uns über die materielle Auffassung des Daseins erheben und uns geistigere Verhaltensweisen aneignen. Bei diesem Vorgang unterstützen uns sogenannte moralische Gesetze. Die moralische Einstellung ist ein entschiedener Schritt über den groben materiellen Daseinszustand hinaus und hilft uns, den geistigen zu verwirklichen.
Wir können nicht einen Standpunkt einnehmen, zu dem wir nicht durch geistiges Verständnis herangewachsen sind; aber wir können uns unsere moralische Integrität bewahren, indem wir unserem gegenwärtigen höchsten Verständnis von dem Wesen Gottes und des Menschen gemäß leben. So geben zum Beispiel Ehrlichkeit im Umgang mit den Mitmenschen und Treue zum Heim und zur Ehe eine feste Grundlage, von der aus man sich in seinem steten Forschen nach geistigerem Denken und Leben hocharbeiten kann. Wenn wir daran festhalten, daß die Substanz, die jedem moralischen Gesetz zugrunde liegt, die Einheit zwischen Gott und dem Menschen als Gemüt und Idee, Ursache und Wirkung, ist, werden wir sehen, wie die geistigen Gesetze den Fortschritt auf moralischer Ebene tragen und schützen. Wir werden feststellen, daß geistiges Verständnis das Heim, die Ehe, die rechte Einstellung zum Geschäft, die Ehrlichkeit in der Erziehung, die wahre Freundschaft und das Vertrauen, das wir zu unseren Nachbarn und zu unserem Nachbarstaat haben, schützt. Jeder echte moralische Standpunkt steht unter dem Schutz des geistigen Gesetzes.
Heutzutage hören wir viel über Entfremdung und das damit verbundene Leid. Es ist natürlich, daß eine Entfremdung von Gott, oder dem Guten, Leid verursachen würde. Wir können verstehen, warum die Sünde, oder das Übertreten eines moralischen Gesetzes, Leid verursacht. Es trennt den, der das Gesetz übertritt, von Gott, vom Guten. Jesus war treu in seinem Einssein mit dem Vater, seinem Gehorsam dem göttlichen Prinzip gegenüber; und dadurch vermochte er den Christus, die Macht Gottes, durch das Heilen von Krankheit und Sünde zu demonstrieren. Er konnte das Böse in all seinen Formen besiegen. Die Bibel sagt von Jesus: „Du hast geliebt die Gerechtigkeit und gehaßt die Ungerechtigkeit; darum hat dich, o Gott, gesalbt dein Gott mit dem Öl der Freude wie keinen andern neben dir.“ Hebr. 1:9.
Christi Jesu Lehren und moralische Gebote gründen sich auf das geistige Gesetz. Gehorsam gegen diese Lehren untermauert unsere Lebenserfahrung mit einem bewußten Sinn von Einssein, oder Einheit, mit Gott, einem Einssein mit dem Urquell aller geistigen Macht. Durch diesen Gehorsam und das geistige Verständnis, das wir gewinnen, mögen wir die Macht des göttlichen Prinzips spüren, das in unseren Angelegenheiten wirksam ist. Dieses Einssein mit Gott zerstört die Furcht und löscht dadurch die grundlegende Ursache von Krankheit und Leid aus. Es gibt viele praktische Gründe, warum wir das moralische und geistige Gesetz befolgen sollten. Wenn wir uns keiner Übertretung bewußt sind, können wir ohne Furcht im Leben stehen.
Wir werden in der Christlichen Wissenschaft gelehrt, die Sünde durch die Läuterung unseres Denkens zu überwinden. Der Ursprung aller Tätigkeit ist das Denken, und wenn wir unser Bewußtsein mit dem göttlichen Gemüt, oder Gott, in Übereinstimmung halten, werden wir unser Leben vor Unrechttun bewahren. Das angebliche Gegenteil des göttlichen Gemüts wird sterbliches Gemüt genannt, oder materialistisches, böses, selbstsüchtiges, sinnliches Denken. Und dieses falsche Gemüt als unser eigenes Bewußtsein anzusehen kann als Sünde bezeichnet werden. Andererseits ist die Vergegenwärtigung, daß Gott das einzige Gemüt und daher das Gemüt des Menschen ist, die Erlösung. Jesu Bergpredigt legt diese Tatsachen auf eine sehr praktische Weise dar.
Es ist unmöglich, in einer kurzen Abhandlung die für jeden speziellen Fall zutreffende richtige Lösung festzulegen, aber wir können grundlegende Richtlinien erfassen, und dann werden wir in der Lage sein, intelligente Entscheidungen zu treffen, wann immer es nötig ist. Alles, was unseren bewußten Sinn von der Gegenwart Gottes trübt oder uns von Ihm trennt, ist das Böse. Und es ist durch Gebet, daß wir uns des Menschen Einssein mit dem himmlischen Vater zu vergegenwärtigen suchen. Wenn wir unseren moralischen Sinn täglich gebrauchen, gewinnt er an Kraft und Klarheit, rechte Entscheidungen werden klarer erkannt, und geistiges Verständnis wird als göttliche Intelligenz, die uns unfehlbar leitet, offenbar.
    