„Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“ Matth. 20:16;
Von einem falschen Standpunkt aus betrachtet, könnte man Christi Jesu Ausspruch als ungerecht empfinden. Auch ich glaubte lange Zeit, daraus schließen zu müssen, daß Gott Seine Kinder unterschiedlich liebe. Und ich zählte mich zu den Nicht-Auserwählten.
„Es nützt alles Bemühen nichts“, sagte der irdische Sinn. „Ich bin nicht auserwählt und habe infolgedessen gar keine Chance, in der Demonstration der Christlichen Wissenschaft zu wachsen.“ Zum Trost hielt ich mir vor, daß viele Menschen zeichnen und malen können, daß aber wenige von Beruf Künstler werden können.
Der irdische Sinn bedient sich vieler falscher Argumente, um dem Vorwärtsschreiten der Wahrheit Einhalt zu gebieten. In Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy findet der ehrliche Sucher jedoch den Weg, wie er eine Antwort auf die Fragen erhalten kann, die die Bibel aufwirft.
In diesem Lehrbuch legt Mrs. Eddy, soweit das menschliche Wort ausreicht, den Begriff der Gottheit klar. Sie schreibt: „Gott ist unkörperliches, göttliches, allerhabenes, unendliches Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit und Liebe.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 465. Ihre Definition des Alles-in-allem stimmt gänzlich mit der Heiligen Schrift überein. Gott, der Vater des wirklichen, geistigen Menschen, ist Liebe. Gottes Liebe ist allumfassend; sie umschließt Seine gesamte Schöpfung, die Seine Vollkommenheit widerspiegelt. Und alle Ideen Gottes sind gleichermaßen mit allen Seinen Eigenschaften ausgestattet.
Auf derselben Seite im Lehrbuch liest man ferner: „Die Attribute Gottes sind Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Weisheit, Güte usw.“ Dieser Gottesbegriff berichtigt die falsche, eingangs erwähnte Auffassung, daß es wenige Auserwählte gebe. Gott ist Prinzip, was Gerechtigkeit einschließt, und das bedeutet, daß jedes einzelne Kind Gottes Sein Erbe ist und folglich das Gute gleichermaßen besitzen muß.
Es ist verhängnisvoll für den Fortschritt, eine Antwort zu suchen, die für den begrenzten, irdischen Sinn bequem ist. Die falsche Auslegung der Bibelstelle über die wenigen Auserwählten war für mich wenigstens zum Teil eine Entschuldigung für Trägheit und bloße Bequemlichkeit und dem daraus folgenden Unvermögen, die Wahrheit zu beweisen. Solch ein Suchen ist vergeblich, weil man auf diese Art und Weise die Wahrheit nie ergründen kann. Das Christentum, wie Jesus es lehrte und das Mrs. Eddy für die Menschheit entdeckte, erscheint dem sterblichen Gemüt oder materiellen Bewußtsein unbequem. Es zerstört die Selbstgerechtigkeit, es fordert statt der Worte Erneuerung und Heilung als Beweis des Fortschritts.
Um dem Beweis seiner Nichtsheit zu entgehen, sucht das fleischliche Gemüt oder der Irrtum seine Macht zu festigen, indem er den Menschen durch falsche Schlüsse betrügt. Wahrheit ist jedoch unwandelbar, ewig; nichts kann sie umstoßen oder ändern. Sie spricht durch das Wort der Bibel zu uns. Ja, Wahrheit ist Gott.
Viele Menschen schwanken zwischen Furcht und Hoffnung. Sie sind zu dem Glauben verführt worden, daß sie auf einem irrigen Wege oder auf einem Zwischenweg, halb geistig, halb materiell, in das Reich der Auserwählten gelangen könnten. Das ist aber unmöglich, denn nur allein Gott, Geist, kann uns Harmonie und Glück schenken, und sie sind das Ergebnis unseres Verständnisses vom wahren, geistigen Sein.
Im Lichte der Christlichen Wissenschaft betrachtet, versteht man die Worte Christi Jesu, des großen Beweisführers der Wahrheit, in ihrer klaren Bedeutung. Im Gleichnis von dem Weinberg erhielten alle Arbeiter, die gerufen worden waren, den gleichen Lohn, obwohl sie nicht die gleiche Stundenzahl gearbeitet hatten. Vielleicht zeigte Jesus die große Güte des Vaters, der uns alle aufruft, unsere Seligkeit auszuarbeiten, des Menschen wahres Selbst zu suchen und uns des Auserwähltseins bewußt zu sein. Dieser Ruf ertönt jeden Augenblick, bis die Ewigkeit die Zeit ersetzt.
Jeder, der diesem Ruf folgt und sich ehrlich bemüht, materielle Annahmen und Bestrebungen aufzugeben, bekommt seinen vollen Lohn. Jeder, der erkannt hat, daß Gott die Quelle des Lebens ist, erhält den gleichen Lohn. Können wir nicht vernünftigerweise daraus schließen, daß dieser Lohn das Bewußtsein der wahren Vollkommenheit des Menschen und seines Einsseins mit dem Vater ist? Mehr als dieses Verständnis von dem unteilbaren Guten kann keiner der Arbeiter in Seinem Weinberg erlangen.
Wer mehr Lohn wünscht, als sein Nächster bekommt, weil er glaubt, er habe mehr getan und verdiene es, ist auf dem falschen Weg. Es wird ihm sehr schwer fallen, in seinem eigenen Leben die Harmonie seines vollkommenen, geistigen Seins in zunehmendem Maße zu demonstrieren, denn solches Denken über den Nächsten entspringt dem materiellen Empfinden von Neid und Mißgunst. Deshalb der Ausspruch Jesu: „So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“¹
Der Ruf der Wahrheit ertönt jeden Augenblick; laßt uns ihm folgen und uns bemühen, dem wahren Bewußtsein Ausdruck zu verleihen. Der Ruf erreicht viele. Er gilt uns allen. Aber nur der ist auserwählt, der diesem Ruf mit der Tat antwortet und dessen Leben ein sichtbarer Ausdruck der Liebe, eine treue Widerspiegelung der Wahrheit ist.
