Philipp nahm sich einen Krapfen, während seine Mutter ihm eine Tasse Kakao eingoß. Er war als letzter von allen ins Zimmer gekommen, um sich eine Sondersendung früh am Morgen anzusehen, die von der amerikanischen Fernsehgesellschaft ABC gefilmt worden war und von jungen Christlichen Wissenschaftern handelte. Das Thema der halbstündigen Diskussion war: „Wie heilt man die Welt?“
Philipp hatte sich das Programm eigentlich gar nicht ansehen wollen. Die „jungen Menschen“ in der Sendung waren nicht in seinem Alter. Sie waren sogar älter als sein Bruder und seine Schwester, die die Oberschule besuchten. Was konnte er mit seinen zwölf Jahren schon tun, um die Welt zu heilen?
Die Sendung begann, und Philipp hörte zu. Christliche Wissenschafter im Alter zwischen 18 und 25 Jahren unterhielten sich über ihre Sorge um die Menschen. Sie sprachen von ihrer Überzeugung, daß die Wahrheit für alle, nicht nur für sie selbst da war. Sie glaubten wirklich, daß der Mensch sündlos, unversehrt, das Bild und Gleichnis Gottes ist. Mehrere berichteten, wie sie die Wahrheit in einem gewissen Grade im eigenen Leben und dadurch, daß sie anderen halfen, bewiesen hatten.
Als die Sendung zu Ende war, ging Philipp wieder in sein Zimmer, um sich anzuziehen. Er dachte darüber nach, was er gehört hatte. Vielleicht konnte er eines Tages, wenn er älter war, jemandem durch die Christliche Wissenschaft helfen.
„Mutti, wir hatten heute Nachmittag einen Mordsspaß“, sagte Philipp, als er aus der Schule kam. „Thomas Potter und ich erhielten heute die Erlaubnis, in der Halle an dem Theaterstück zu arbeiten, das Thomas geschrieben hat. Er hätte mich gern als Regisseur.“
„Thomas Potter!“ rief Philipps älterer Bruder Richard aus. „Jeder weiß, daß er einer der schlimmsten Bengel in deiner Klasse ist, Philipp. Du solltest dich nicht mit ihm abgeben.“
„Er ist wirklich nicht schlimm“, gab Philipp schnell zur Antwort. „Er schreibt wunderbare Stücke. Er ist sehr ulkig. Und er ist mein Freund.“
„Alle Lehrer sagen, er sei ein Unruhestifter“, beteuerte Richard. „Er bekommt schreckliche Zensuren — du wirst dich im Englischen sehr verschlechtern, wenn du Zeit darauf verwendest, an seinem Spiel zu arbeiten“, kündigte ihm Richard an.
Philipp machte sich nichts aus Richards Warnungen. Er sah Thomas anders, auf eine gute Art, so, wie er es in seiner christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule gelernt hatte. Er sah, daß Thomas Gott, den Schöpfer, durch schöpferische und gute Ideen zum Ausdruck brachte.
Thomas' Theaterstück war eines von fünfen, die aus 30 von der Klasse geschriebenen ausgewählt wurden. Es war für ihn und seine Klassenkameraden eine wirkliche Überraschung. Bis dahin war Thomas in der Klasse am besten für seine Fähigkeit bekannt, im Klassenzimmer mit Papierkügelchen zu schießen. Seit dem Schulanfang im Herbst hatte er Fräulein Pierson, seine Englischlehrerin, und seine Klassenkameraden, die er damit traf, geärgert. Thomas hatte gesagt, er sei nicht daran interessiert, Englisch zu lernen, und er mußte eben etwas zu tun haben, wenn er so dasaß. Beinahe die ganze Klasse war böse auf ihn. Aber Philipp sah in Thomas als einem Gotteskind etwas von seiner wahren Natur, und er fiel nicht über ihn her.
Als Fräulein Pierson zum erstenmal bekanntgab, daß sie unter anderen Thomas' Spiel zur Aufführung ausgewählt hatte, konnte dieser es nicht glauben. Er sagte zu Philipp, daß die Lehrerin nur versuche, ihn auf ihre Seite zu bekommen. Aber Philipp sagte ihm, daß er unrecht habe, daß sein Spiel wirklich gut sei. Als die beiden Jungen zusammen daran arbeiteten, wuchs Philipps Begeisterung für Thomas' Spiel sogar noch mehr. Und allmählich begann auch Thomas zuzugeben, daß es etwas für sich hatte. Er wollte es wirklich zu einem Erfolg machen. Den beiden Jungen kamen schnell viele Ideen für eine gute Aufführung. Alle Schauspieler nahmen es ernst mit der Arbeit.
Thomas und Philipp beschlossen, zwei Proben außerhalb der Schulzeit am Abend anzusetzen. „Wir wollen eine Eins“, erklärte Philipp seinen Eltern und Geschwistern.
„Eine Eins!“ stieß Richard hervor. „Thomas hat sein Lebtag keine Eins bekommen!“
„Doch“, erwiderte Philipp, „er bekam einmal in der dritten Klasse im Lesen eine Eins. Er möchte noch eine Eins bekommen.“
Dann kam der große Tag, wo Thomas' Spiel aufgeführt wurde. Die Lehrerin und die Schüler lachten an all den richtigen Stellen. Es gefiel ihnen! Als es zu Ende war, klatschten sie lange und stark Beifall und verlangten nach dem Verfasser. Thomas erhob sich und verbeugte sich, und Philipp verbeugte sich, und die Schauspieler zeigten sich zweimal, um ihren Anteil am Applaus zu bekommen.
Und das war für Thomas noch nicht alles. Von seinem Erfolg angeregt, begann er sich auf eine neue Art zu sehen. Er wollte mehr lernen — er wollte auch in anderen Fächern erfolgreich sein. Sein Zeugnis, das sich sehr verbessert hatte, bewies, wie ernst er es mit der Arbeit nahm. Und er gewann mehr Freunde in der Schule.
Und es hatte alles mit Philipp angefangen. Wie? Er hatte nicht viel über Gott gesprochen. Aber er hatte eine Erklärung Mrs. Eddys aus ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit in die Tat umgesetzt: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eigenes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 476; Jesus hatte alle Menschen als Gottes Widerspiegelung gesehen, und Philipp hatte versucht, Thomas auch so zu sehen.
In der Sonntagsschule hatte Philipp die Lehren Jesu in der Bergpredigt gründlich gelernt, so auch den Vers, der an uns die Frage stellt: „Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Sonderliches? Tun nicht dasselbe auch die Heiden?“ Matth. 5:47. Er wußte, dies bedeutete, daß er seine Teilnahme und Freundschaft nicht nur auf eine kleine Gruppe begrenzen, sondern sie allen entgegenbringen sollte, die bereit waren, gesegnet zu werden.
Wie heilst du die Welt? Du kannst damit beginnen, denen, die um dich her sind, zu helfen. Du kannst sie so sehen, wie Gott sie sieht. Philipp stellte fest, daß er dazu imstande war.
Du kannst das auch.