In der Schule lernten viele von uns etwas über die alte griechische Mythologie. Wir lasen, wie Thetis ihren Sohn Achilles in das magische Wasser des Styx tauchte und ihn dadurch gegen die Pfeile und Speere seiner Feinde unverwundbar machte. Da sie ihn jedoch an der Ferse hielt, blieb er an dieser Stelle verwundbar. So wurde dann der Ausdruck „Achillesferse“ für die verwundbare Stelle eines Menschen sprichwörtlich, denn gerade dort wurde Achilles tödlich verletzt.
Selbst von einer Mythe können wir oft Inspiration gewinnen. Durch die Christliche WissenschaftChristian Science (kr´istjən s´aiəns) lernen wir, wie wir die Annahme zerstören können, wir hätten eine sogenannte Achillesferse.
Allzuhäufig verfallen die Menschen in den Fehler, anzunehmen, sie würden wegen irgendeines schwachen Punktes in ihrem Verständnis oder Charakter von einem bestimmten Leiden geplagt, das sich trotz besonderer Bemühung um Heilung hartnäckig behaupte. Sie neigen dazu, zu glauben, daß ein gewisses Problem uns anhafte und daß alles in Ordnung wäre, wenn es nur verschwinden würde.
Ein weiteres Beispiel einer schwachen Stelle in der Konstitution eines Menschen ist im zweiten Brief des Paulus an die Korinther zu finden. Er berichtet uns dort, daß er unter einem „Dorn im Fleisch“ 2. Kor. 12:7 [n. der engl. King-James-Ausgabe]; leide. Es gibt die verschiedensten Theorien darüber, mit welcher Schwierigkeit Paulus zu kämpfen hatte; doch es wäre für uns nutzlos, uns mit derartigen Spekulationen zu befassen. Dieser „Dorn“ hielt Paulus niemals davon ab, seine Mission zu erfüllen, zu heilen und zu lehren und weiterhin die Christus-Kraft zu demonstrieren, die an jenem Tage auf dem Weg nach Damaskus sein ganzes Leben und Denken umgewandelt hatte.
Wenn wir von irgendwelchen hartnäckigen Schmerzen, von einer körperlichen Funktionsstörung, unzureichender Versorgung, Mangel an Freunden, von unharmonischen zwischenmenschlichen Beziehungen, sei es zu Hause, im Geschäft oder im Bekanntenkreis, geplagt werden — wenn alles andere in Ordnung zu scheint, aber dieses eine ärgerliche Problem uns zu verfolgen scheint —, was tun wir dann? Wie meistern wir diesen hypnotischen Materialismus, der uns einflüstert, wir hätten ebenso wie Achilles eine verwundbare Stelle, die uns daran hindere, unsere vollständige Vollkommenheit zu beanspruchen und zu beweisen? Christus Jesus bezog sich auf die gegenwärtige Vollkommenheit, als er seinen unmittelbaren Jüngern (und allen, die sich bemühen, seine Lehren zu befolgen) sagte: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Matth. 5:48;
Der Mensch stammt nicht von einer materiellen Mythe oder menschlichen Eltern, sondern von dem einen vollkommenen Vater-Mutter Gott. Dieser vollkommene Schöpfer konnte dem Menschen, Seinem geliebten Kind, nicht einen schwachen oder fehlerhaften Ausdruck Seiner eigenen makellosen Gesamtheit des Guten verleihen. Der Christlichen Wissenschaft gemäß ist der Mensch geistig, vollständig, unversehrt. Wo kann man in dieser Einheit des Menschen mit seinem vollkommenen Schöpfer eine Lücke finden, durch die er von außen oder von innen angegriffen werden könnte?
Da die geistige Substanz des Menschen unversehrt ist, kann das, was menschlich gesehen als die physische Struktur der Menschheit erscheint, von einem Fehler, einem Bruch, einer Störung oder einer Mißbildung geheilt werden. Was durch die materiellen Sinne als organische Tätigkeit wahrgenommen wird, braucht nicht von dem harmonischen Rhythmus abzuweichen, der die Ordnung und Regelmäßigkeit zum Ausdruck bringt, die das Wirken des göttlichen Gesetzes kennzeichnen. Dieses Gesetz regiert jede Funktion des Körpers — Absonderungen, Ausscheidung, Stoffwechsel.
Die Vitalität, Kraft und Energie, die im unendlichen Geist ihren Ursprung haben, müssen in Stärke, Widerstandskraft und Ausdauer zum Ausdruck kommen. Von Gott stammende Energie ermöglicht es den Menschen, jeder Herausforderung zu trotzen, die diese Eigenschaften verlangt. Symmetrie, Gleichgewicht, Schönheit — haben sie nicht alle ihren Ursprung in der Seele? Gott ist Seele, und Seele verleiht dem Menschen seine Identität, folglich muß er der Ausdruck der Seele sein — ohne irgendeinen Fehler.
Jede Besorgnis wegen eines krankhaften körperlichen Gewächses kann beseitigt werden, wenn wir die folgende Erklärung Mary Baker Eddys, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, wirklich verstehen: „Der Körper ist das Substrat des sterblichen Gemüts, und dieses sogenannte Gemüt muß schließlich dem Befehl des unsterblichen Gemüts weichen.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 371; Ein unnützes Gewächs — ob es nun als bösartig oder gutartig bezeichnet wird — kann beseitigt werden, wenn wir den Befehl des Gemüts verstehen.
Wir können erkennen, daß dieser göttliche Befehl auch jegliche Furcht vor begrenzter oder geschädigter Muskeltätigkeit, einschließlich der des Herzens, auslöschen kann. Wie Mrs. Eddy erklärt (s. Wissenschaft und Gesundheit 187:16), behauptet das sterbliche Gemüt, es könne den Muskeln Befehle erteilen, aber dieses mutmaßliche Gemüt muß sich dem wahren, ewigen Befehl fügen. „Das göttliche Gemüt schließt alle Tätigkeit und alles Wollen in sich“, schreibt Mrs. Eddy, „und in der Wissenschaft wird der Mensch von diesem Gemüt regiert.“ ebd., S. 187.
Wenn sich unsere Achillesferse als Beeinträchtigung unseres Sehoder Hörvermögens zeigt, ist dies dann nicht ein Anspruch, daß die Fähigkeiten des göttlichen Gemüts getrübt, verwischt oder unklar sein können? Was ist eigentlich ein Anspruch? Da er mentaler Natur ist — ob er nun in Worte gefaßt wird oder nicht —, müßte er im Denken und daher im Gemüt entstehen. Wenn wir natürlich anerkennen würden, daß es mehr als ein Gemüt gebe, wäre es leicht, die These zu akzeptieren, daß eins dieser endlichen Gemüter Anspruch auf die Zerstörbarkeit der Fähigkeiten erheben könne. Wenn es aber nur ein Gemüt gibt — und das ist tatsächlich der Fall —, dann werden Endlichkeit und Begrenzung ausgeschlossen; und folglich gibt es keinen Ort, wo solche Ansprüche entstehen könnten.
Die Unmöglichkeit, daß eine Beschränkung körperlicher Fähigkeiten und Funktionen irgendeinen wirklichen Ursprung haben könne, trifft auch auf die Annahme von mangelnder Versorgung zu. Dies ist aber nur ein anderer Aspekt des gleichen alten Arguments, das hinter jedem menschlichen Problem steckt: die Annahme, daß es in der Gegenwart des unendlichen Guten etwas geben könne, was einen Zustand oder Umstand kundtut, der dem Wesen Gottes unähnlich ist.
Wo paßt in dieses Aufgebot von Suggestionen, von menschlichen Annahmen und irrigen Begriffen die höchste Erkenntnis hinein, daß Gott Liebe ist?
Die göttliche Liebe, die für ihre eigene Schöpfung liebevoll sorgt, kann unmöglich jemandem etwas auferlegen, was Krankheit, Behinderung, Lähmung, mangelnde Beherrschung, einen Bruch oder verminderte Fähigkeiten auch nur andeutet. Gesundheit, Freude, Erfüllung, Versorgung sind gegenwärtige Wirklichkeiten.
Wenn uns lieblose Suggestionen wirklich erscheinen, müssen wir ihnen auf den Grund gehen, um das aufzudecken, was uns einflüstert, sie seien wirklich. Da sie nicht dem Gemüt, das eine andere Bezeichnung für Liebe ist, entstammen können, liegt die einzige Wirklichkeit, wenn sie überhaupt eine haben können, in dem Reich der Vermutung (einer menschlich mentalen Tätigkeit) und darin, daß wir sie fälschlicherweise akzeptieren (einer weiteren menschlich mentalen Tätigkeit).
Ein anderer Aspekt der Vorstellung von einer Achillesferse ist es wert, untersucht zu werden. Allein der Begriff der Unverwundbarkeit schließt eine potentielle aggressive Macht ein, und wenn wir nicht wachsam sind, werden wir vielleicht eines Tages feststellen, daß wir an die Existenz einer solchen Macht glauben — einer Macht, die nicht nur feindselig ist, sondern auch ein Gemüt besitzt, das unsere Harmonie angreift. Es genügt nicht, sich selbstgefällig auf die Unverwundbarkeit zu verlassen; wir müssen dies klar erkennen. Wir müssen die Suggestion, daß es eine Gott unähnliche und von Ihm getrennte Macht gebe — eine Macht, die angreifen könnte —, wissenschaftlich zurückweisen.
Die Existenz einer drohenden Macht, einer bösen Ursache, zuzugeben bedeutet, den Feind zu beherbergen. Das erinnert uns an die griechische Sage vom Trojanischen Pferd — ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man einer List erliegen kann; in diesem Fall erlangten die feindlichen Krieger ungehinderten Zutritt zur Stadt. Wie wichtig ist es doch, daß wir aus dem Fehler der Trojaner lernen! Wir lassen uns nicht verleiten; wir brauchen in unsere mentale Festung keine aufdringlichen Gedanken einzulassen, und was das wichtigste ist, wir können die Suggestion zurückweisen, daß es dort draußen, irgendwo hinter der Allheit des unendlich Guten, eine entgegengesetzte oder böse Macht gebe.
Genug der griechischen Mythologie! Schließlich ist Achilles mit seiner Ferse und der tödlichen Wunde wahrscheinlich zum großen Teil eine Sagengestalt. Der materielle sterbliche Mensch, die falsche Darstellung der geistigen Idee Gottes, hat niemals existiert. Somit ist die Suggestion, daß dieses falsche Bild des Menschen (mit seiner Empfänglichkeit für Krankheit, Sünde und Tod) unser Selbst darstelle, genauso mythenhaft wie die Schöpfungen uralter Phantasie. Unsere Anerkennung und Demonstration der Geistigkeit löscht Verwundbarkeit oder Empfänglichkeit für Bedingungen oder Umstände aus, die nicht das königliche Siegel gottähnlicher Vollkommenheit tragen, die in unserem eigenen Sein ihren Ausdruck findet.