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Selbstrechtfertigung — ein Wolf in Schafskleidern

Aus der April 1985-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein kleines Mädchen soll einmal nach einem unglücklichen Vorfall von seiner Mutter dazu angehalten worden sein, im Abendgebet Gott um Vergebung zu bitten. Als es zu Füßen seiner Mutter kniete, sagte es: „Lieber Gott, mach bitte ein gutes Kind aus mir. Ich habe Dich zwar schon früher darum gebeten, aber Du versuchst es nicht!” Wie das menschliche Gemüt doch die Verantwortung von sich abschieben möchte, indem es die Schuld woanders sucht!

Haben wir nicht alle dann und wann versucht, unser Verhalten mit den Ausflüchten zu rechtfertigen, daß wir unser Teil getan hätten, aber jemand anders oder eine andere Macht die Bemühungen zunichte gemacht habe? Wenn solche Gedanken nicht rechtzeitig durchschaut und zurückgewiesen werden, können sie unsere christlich-wissenschaftliche Demonstration hindern.

Da richtiges Handeln z. T. auf einer gewissenhaften Prüfung des Für und Wider eines geplanten Vorhabens beruht, kann Rechtfertigung dazu beitragen, eine Entscheidung zu treffen. Doch wird Rechtfertigung zur Sünde, wenn sie zur Selbstrechtfertigung wird, wenn sie dazu benutzt wird, ein falsches Verhalten, ein selbstsüchtiges Interesse oder einen unrechten Beweggrund als richtig hinzustellen.

Die biblische Geschichte von der Schlange, dem Bösen, die Eva zum Genuß der verbotenen Frucht überredete, veranschaulicht das sehr deutlich. Der Irrtum redete Eva ein, daß sie sich weise verhalte, wenn sie ihr Wissen erweitere, obgleich sie wußte, daß sie damit das Gebot Gottes, des Herrn, übertreten würde. Siehe 1. Mose 3:1-6. Selbstrechtfertigung hatte ihr Denken so betört, daß sie sich dazu verleiten ließ, zu glauben, das Gute, das angeblich zu erwarten sei, rechtfertige den Ungehorsam. Sie erkannte nicht, daß die erste Sünde des Ungehorsams gegen Gott unmittelbar zu der Annahme führen würde, die Materie könne für den Menschen von Nutzen sein, sie sei eine Macht, die Gottes Schöpfung vervollkommnen könne. Irrtum, der nicht berichtigt wird, führt zu mehr Irrtum, wie Eva herausfand.

Wir können keinen Beweggrund rechtfertigen, es sei denn, er läßt sich mit dem Prinzip, dem göttlichen Gesetz, vereinbaren. Prinzip bedarf keiner Rechtfertigung; es ist immer unzweideutig richtig. Wenn nun aber eine innere Stimme, die wir manchmal Gewissen nennen, die Rechtsgültigkeit einer Handlung oder eines Gedankens in Frage stellt und wir versuchen, uns selbst einzureden, daß der Gedanke oder die Handlung unter den Umständen richtig sei, dann müssen wir auf der Hut sein! Selbstrechtfertigung könnte sich eingeschlichen haben.

Mrs. Eddy machte sich keine Illusion über die düstere Wirkung der Selbstrechtfertigung. Sie deckte in aller Klarheit die Verwandtschaft der Selbstrechtfertigung mit anderen Sünden auf, die eher als Sünde gesehen werden, wie z. B. Eigenwillen und Eigenliebe. In ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit schreibt sie: „Laßt uns in geduldigem Gehorsam gegen einen geduldigen Gott daran arbeiten, daß wir mit dem universellen Lösungsmittel der Liebe das harte Gestein des Irrtums — Eigenwillen, Selbstrechtfertigung und Eigenliebe — auflösen, das gegen die Geistigkeit ankämpft und das Gesetz der Sünde und des Todes ist.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 242.

Selbstrechtfertigung — ein Element des „harten Gesteins des Irrtums“! Wie uns das doch die Augen öffnet! Ist Selbstrechtfertigung etwa ein Wolf in Schafskleidern, eine Form der Selbsttäuschung, die die Fallgruben des Eigenwillens und der Eigenliebe tarnt? Ja, das ist sie. Und wenn wir Selbstrechtfertigung in ihrem wahren Licht sehen, tun wir den ersten wesentlichen Schritt, um sie zu überwinden. Für einen überzeugten Christlichen Wissenschafter ist das Böse, wenn erkannt, zumindest schon zur Hälfte zerstört, weil damit seine Falschheit aufgedeckt ist. Eine ehrliche Prüfung unseres Denkens wird dann offenbaren, wie leer die Gedankengänge sind, die wir zu rechtfertigen suchten und die dem Eigenwillen und der Eigenliebe Tür und Tor öffneten.

Mrs. Eddy stellt dem Bösen ein Armutszeugnis aus und zeigt uns zugleich, wie wir dessen Nichtsheit beweisen — indem wir es mit dem „Lösungsmittel der Liebe" auflösen. Liebe ist Prinzip, und Prinzip läßt keine Haarspalterei in der Frage zu, was gut sei. Die Versuche des sterblichen Gemüts, sich zu rechtfertigen, scheitern im Licht der Reinheit der göttlichen Liebe und der Makellosigkeit des Prinzips. Angesichts einer derartigen Norm gibt die menschliche Schwäche der Vollkommenheit des Geistes Raum.

Unsere Führerin, Mrs. Eddy, sagt ebenfalls: „Wahrheit, die im Munde geführt, aber nicht gelebt wird, wälzt einen Stein auf das menschliche Herz und überliefert die Empfänglichkeit dem Totenhaus der Sinnlichkeit, Bequemlichkeit, Eigenliebe, Selbstrechtfertigung, um dort zu vermodern und zu zerfallen.“ Vermischte Schriften, S. 293. Was für starke Worte! Selbstrechtfertigung ist die Folge davon, daß Wahrheit nicht gelebt und Ehrlichkeit des Denkens für unwichtig gehalten wird. Deshalb muß Liebe unser Denken so erfüllen, daß es keinen schwachen Punkt gibt, durch den der Glaube an eine vom eigenen Ich hergeleitete Gerechtigkeit eindringen kann. Mit den Augen der göttlichen Liebe sehen wir uns und andere in unserem wahren Sein als Ausdruck der Seele, und nicht als menschliche Persönlichkeit.

Kritik an unseren Mitmenschen, seien es nun unsere Kollegen oder Mitarbeiter in der Kirche, entstammt oft den heimtückischen Argumenten der Selbstgerechtigkeit — jener Haltung, daß wir besser seien als der andere. Solch ein Anspruch verschwindet, wenn wir einen Schimmer vom wahren Sein der anderen Menschen bekommen, von ihrem geistigen Status als der Idee Gottes. Diese christusgleiche Schau bringt Heilung, wenn sie gelebt und bewiesen wird, wie es uns unser Meister immer und immer wieder während seines dreijährigen Wirkens gezeigt hat.

Wie Selbstrechtfertigung zu Kritik an unseren Mitmenschen führen kann, sehen wir in der biblischen Geschichte von Martha, die sich über Maria ärgerte, weil sie ihr nicht bei der Hausarbeit zur Hand ging. Siehe Luk. 10:38-42. Kann irgend jemand von uns behaupten, er habe sich noch nie geärgert, wenn er allein eine notwendige Arbeit erledigen mußte, während ein anderer, der ihm hätte helfen können, sich anscheinend amüsierte? Und fühlten wir uns nicht durchaus im Recht mit unserer Kritik!

Nun, Jesus liebte Martha — sie war ganz offensichtlich eine würdige, fähige und großzügige Frau. Hatte sie nicht Jesus ihr Haus geöffnet? Doch wie bestimmt wies unser Meister den Versuch der Selbstrechtfertigung zurück, ihr Denken zu beeinflussen: „Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“ Der Irrtum wollte Martha des unschätzbaren Vorrechts berauben, den Lehren des Meisters der Christen zu lauschen, und sie dazu veranlassen, anderen Menschen dieses Vorrecht vorzuenthalten. In ähnlicher Weise kann Selbstrechtfertigung unserem Leben das geistige Verständnis und die Harmonie nehmen. Und das Böse wird dort nicht haltmachen. Wenn es nicht umgehend zurückgewiesen und so in Schach gehalten wird, kann es zu noch schlimmeren Formen der Sünde führen.

Selbstrechtfertigung kann selbst die Auserwählten täuschen, den frommen Kirchgänger, den liebevollen Ehegefährten oder die liebenden Eltern, den gesetzestreuen Bürger, ja Selbstrechtfertigung kann sogar den Lohn für gute Werke zunichte machen. Christi Jesu Gleichnis vom selbstgerechten Pharisäer und dem sündigen Zöllner Siehe Luk. 18:9-14. beleuchtet diese Tatsache. Der Pharisäer stand zweifellos bei seinen Zeitgenossen in hohem Ansehen. Er ging wahrscheinlich regelmäßig in die Synagoge und befolgte buchstabengetreu alle Gesetzesvorschriften. Der Zöllner hingegen war ein verhaßter Steuereinnehmer, der im Verdacht stand, bestechlich und korrupt zu sein. Doch Jesus berichtet uns, daß es der Zöllner war, der seine Sünden in seinem Gebet zu Gott bekannte, der „gerechtfertigt“ in sein Haus hinabging, und nicht der Pharisäer, der in seinem Gebet nur seine eigenen Tugenden aufgezählt hatte. Wie treffend doch das Herz des selbstgerechten Pharisäers mit der Definition des Begriffs „hartes Gestein“ als undurchdringliche Härte beschrieben wird!

Wie erkennen und überwinden wir nun den Wolf in Schafskleidern, wenn er sich in harmlosen Gedanken tarnt? Durch ehrliches und demütiges Gebet. Diese Gnadengaben des Geistes — Ehrlichkeit und Demut — sind eng miteinander verknüpft, denn die eine kann nicht ohne die andere bestehen. Unehrliche Demut wäre ein Widerspruch in sich. Ehrlichkeit und Demut waren die wirkungsvollen Eigenschaften im Gebet des Zöllners, und sie fanden des Meisters Zustimmung. Wie können wir sicher sein, daß wir wirklich demütig sind? Wenn wir unser Bewußtsein mit Liebe erfüllen — Liebe zu Gott und Seiner Idee, dem geistigen Menschen; Liebe, die in dem ständigen Streben zum Ausdruck kommt, unsere Lebensweise mit dem Prinzip und unserem Wegweiser in Einklang zu bringen.

Demut ist ein undurchdringlicher Panzer gegen die listigen Anschläge des sich selbst rechtfertigenden Bösen, denn wenn wir wissen, daß wir nichts aus uns selbst heraus tun können, verlassen wir uns rückhaltlos auf die Allmacht des Geistes, die Intelligenz des Gemüts. Demut führt zu dem uneinnehmbaren Christusfelsen, auf dem wir Stellung beziehen und mit den Worten eines geliebten Kirchenliedes erklären können:

Gott bleibt der Herr der Welt,
Nichts außer Ihm hat Macht,
Nichts kann Ihm widerstehn.
Er führt uns aus der Nacht...Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 10.

In wahrer Demut stehen wir vor dem Alles-in-allem Gottes, der Vollkommenheit des Prinzips und seiner Idee.

Können wir ehrlichen Herzens die Bitte im Gebet des Herrn wiederholen: „... vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern“ Matth. 6:12., wenn wir uns nicht darum bemühen, Selbstrechtfertigung aufzugeben und sie gegen tiefempfundene Demut zu ersetzen, ja sie zur Grundlage unseres Gebets zu Gott zu machen? In dem Maße, wie wir erkennen, daß wir nichts durch unsere eigene Intelligenz oder Tätigkeit erreichen, sondern vollständig vom göttlichen Gemüt abhängen, öffnen wir unsere Herzen der göttlichen Vergebung. Wenn wir Gottes Weisung in wahrer Demut erwarten, allein auf Seine Stimme lauschen, tragen wir einen undurchdringlichen Panzer und sind in Wahrheit gerechtfertigt.

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