Die bibel ist das am häufigsten übersetzte Buch der Welt. Die Nachfrage nach ihr in den verschiedenen Sprachen wächst ständig. Die Bibel wird von einigen so hochgeschätzt, daß sie all ihre Habe für sie geben, ja sogar ihr Leben aufs Spiel setzen, um sie zu lesen und mit anderen zu teilen. Wenn ein Buch so viel bedeutet, dann muß es mehr als ein Buch sein.
Um die Botschaft dieses höchst erstaunlichen Buches zu erfassen, ist mehr erforderlich als nur die Fähigkeit, Worte zu lesen oder zu hören. Tatsächlich sind die Worte der ganzen Bibel, sogar Jesu Worte, oft widersprüchlich ausgelegt worden. Über Interpretationen der Bibel wurden Kriege geführt. Wie kann man mit Sicherheit feststellen, was die Bibel meint? Was ist wirklich die Wahrheit, was Gottes Absicht? Gott, die göttliche Wahrheit, kann sich nicht widersprechen.
Würde nicht die richtige Auslegung die von der Bibel verheißenen Ergebnisse hervorbringen? Als Johannes der Täufer einige Jünger zu Jesus sandte, die ihn fragen sollten, ob er der „Richtige" sei — der von Gott verheißene Heiland, der die Menschen von ihren Leiden erlöst —, antwortete Jesus im wesentlichen, daß Johannes selbst urteilen müsse. Jesus sagte ihnen, sie sollten die Ergebnisse seines Wirkens betrachten und Johannes davon berichten: Kranke wurden geheilt; zugrunde gerichtetes Leben wurde wiederhergestellt; neue Hoffnung erwachte, wohin Jesus auch ging.
Das Evangelium, das Jesus predigte, bestand nicht bloß aus Worten. „Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben", sagte Jesus. Und: „Wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich." Es ist also klar, daß damit Gottes unendliche Liebe veranschaulicht wurde, und zwar so, daß die Menschen sie sehen und fühlen konnten. Die „Bedeutung" dessen, was Jesus predigte, war Heilung und Umwandlung. Die Glaubwürdigkeit seiner Worte beruhte nicht auf einer Erklärung, sondern einer Demonstration der Wahrheit.
Jesus ermahnte einmal seine Nachfolger, nicht allein nach den Behauptungen der Menschen zu urteilen, sondern vielmehr nach „ihren Früchten". Ist das für uns ein Hinweis darauf, daß die Gültigkeit des ursprünglichen Heilungsanspruches des Christentums auf gleiche Weise geprüft werden kann? Mit anderen Worten, was immer geistig wahr ist, muß ein praktisches, heilendes Ergebnis haben. Das ist offensichtlich genau das, was der Meister sagte, und wir lernen immer mehr, zu erwarten, daß die Wahrheit Beweise dafür liefern kann und auch liefert, daß sie wahr ist.
Da die Bibel von Gott inspiriert ist, muß sie sicherlich von Gott dazu ermächtigt sein, Seinen Willen und Seine Absicht zu offenbaren. Die göttliche Wahrheit offenbart sich selbst. Warum scheint dann die Bibel eine Auslegung zu brauchen? Ist es nicht deshalb, weil wir Inspiration brauchen, um die inspirierten Schriften zu erkennen? Wir müssen unsere begrenzten menschlichen Vorstellungen davon aufgeben, was Gott unserer Meinung nach sagen sollte. Wir müssen mit einer Demut lauschen, die so sehr von Stolz und Ehrgeiz frei ist, daß wir tief in uns hören können, was wir hören müssen, anstatt daß wir Gott sagen, was Er meint!
Durch Intellektualismus läßt sich niemals die von Gott inspirierte Intelligenz und Freude ergründen, die wir fühlen, wenn ein aufgeblasener Begriff vom Selbst dahinschwindet und wir ehrlich zu hören bereit sind, was Gott zu uns sagt.
Wenn wir bereit sind, das Göttliche zu unserer menschlichen Auffassung sprechen zu lassen, wenn wir unsere Beweggründe und Handlungen durch die Wahrheit läutern lassen und uns so an einem christlicheren Maßstab orientieren, dämmert die göttliche Bedeutung in uns auf, und wir erkennen, daß wir danach leben müssen. Das Wort definiert uns tatsächlich geistig, es erklärt uns, wer wir sind.
Man könnte sagen, daß wir bei diesem Vorgang durch die Bibel umgewandelt werden. Wahrheit überträgt uns in das zurück, wozu Gott uns ursprünglich erschaffen hat, ja, was wir in Wahrheit schon immer gewesen sind — die vollkommen klare Idee des göttlichen Gemüts, der Ausdruck der göttlichen Liebe. Paulus sprach davon, daß wir zunächst „durch einen Spiegel ein dunkles Bild" sehen, dann aber allmählich von „Angesicht zu Angesicht" — daß wir uns selbst so sehen, wie Gott uns zu Seinem Ebenbild geschaffen hat.
Diese geistige Selbsterkenntnis erfolgt durch die Inspiration, von der die Bibel erfüllt ist. Und sie verleiht unserem Herzen Schwingen. Sie zeigt uns, was wahres Christentum erreichen kann. Wir erhalten wundervolle Einblicke in die Vollkommenheit alles dessen, was Gott ist und tut. Diese Einsichten kommen uns nicht nur selten; vielmehr erwarten wir sie regelmäßig, ja, wir fordern sie von unserem Studium des Wortes.
Es ist ein Wunder der Gnade, wie ein hungerndes Herz die Heilige Schrift ergründen und ihre Bedeutung finden kann: Gottes Allheit und Allmacht. Ein klares Licht scheint durch ein Herz, das danach verlangt, Gott zu verstehen und sich nicht in die Irre führen zu lassen. Wenn wir unserer geistigen Fähigkeit — unserem geistigen Sinn — vertrauen, sind wir in der Lage, Gott zu verstehen.
Genau das lernte Mrs. Eddy durch ihre Entdeckung der Gesetze des christlichen Heilens, die sie Christian Science (Christliche Wissenschaft) nannte. Sie schrieb in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit: „Der geistige Sinn ist eine bewußte, beständige Fähigkeit, Gott zu verstehen. Er zeigt die Überlegenheit eines Glaubens durch Werke über einen Glauben in Worten. Seine Ideen werden nur in ,neuen Zungen' ausgedrückt; und diese werden durch die Übertragung des geistigen Originals in die Sprache, die das menschliche Denken begreifen kann, gedeutet.
Das Prinzip und der Beweis des Christentums werden durch den geistigen Sinn erkannt."
Ehrliche geistige Sucher werden immer nur mit dem zufrieden sein, was sowohl auf dem höchsten Niveau als auch auf der praktischsten Ebene des täglichen Lebens sinnvoll ist. Die wahre Bedeutung der Bibel erkennen sie nicht in Argumenten, sondern in ihrem Leben, das ständig von Christus umgewandelt wird.
