Ideen Haben Beine" war der Lieblingsausspruch eines Bekannten. Ich konnte dieser Vorstellung nie ganz beipflichten, weil sie für mich bedeutete, daß Ideen zu uns kommen, daß sie uns aber ebensogut davonlaufen können!
„Ideen haben" bedeutet im allgemeinen, bestimmte Vorstellungen oder Methoden zu entwickeln, die dann auf die eine oder andere Art verwertet werden. Sie können sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben, als richtig oder falsch, als konstruktiv oder destruktiv erkannt werden und schließlich als überholt in Vergessenheit geraten.
Diese Vorstellung von Ideen beruht auf der Annahme, daß Intelligenz und Kreativität dem menschlichen Gemüt entstammen. Andererseits werden „gute" Ideen von Menschen mitunter auch als „Eingebungen" bezeichnet, womit sie andeuten, daß diese Ideen von Gott kommen, und nicht vom Gehirn. Die Christliche WissenschaftChristian Science (kr'istjen s'aiens) führt diese Anschauung weiter und befähigt uns zu beweisen, daß Intelligenz und Kreativität — die geistigen Eigenschaften, die hinter inspirierten Ideen stehen — von Gott, Gemüt, kommen. Daraus folgt, daß von Gott kommende Gedanken nicht veralten. Sie laufen uns auch nicht davon, denn sie sind das Produkt Gottes, der göttlichen Liebe, die immer gegenwärtig ist. Da Gott uns nie verläßt, können auch die geistigen Erkenntnisse, die Er uns vermittelt, uns nicht verlassen.
Unser Meister, Christus Jesus, versetzte die Menschen durch seine Worte und besonders durch seine Werke immer wieder in Erstaunen. Er machte aber seine Zuhörer oft darauf aufmerksam, daß sein göttlicher Vater die Quelle der Inspiration und Macht war, die seine Werke ermöglichten. Wie bringen wir nun Jesu Wirken mit den Aufgaben in Verbindung, vor die wir uns in unserem modernen Alltag gestellt sehen?
Wir können uns zunächst vor Augen führen, daß wir in Wahrheit geistig, die Söhne und Töchter Gottes sind. Das bedeutet, daß wir niemals von den inspirierten Gedanken — den Engelsbotschaften — abgeschnitten sein können, die uns beständig von Gemüt, Liebe, kommen. Wir können uns weiter klarmachen, daß alle göttlichen Ideen zu jeder Zeit am richtigen Platz sind und in harmonischer Weise zusammenarbeiten. Daher können wir uns als Kinder oder Ideen des Gemüts nur der Harmonie erfreuen, während sich Gottes Plan entfaltet. Selbst wenn wir dieser Wahrheit nur wenig vertrauen, beginnt sie sofort, unser Leben zu ändern.
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, widmete ihr Leben der Aufgabe, Gott zu verstehen, und sie wußte, wie wichtig es ist, sich von Gott führen zu lassen. In Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift schreibt sie: „Angesichts der unendlichen Aufgaben der Wahrheit halten wir inne — warten auf Gott. Dann dringen wir vorwärts, bis der schrankenlose Gedanke voll Entzücken dahinwandelt und der unbeschränkte Begriff sich beschwingt, damit er die göttliche Herrlichkeit erreiche."
Wenn wir verstehen lernen, daß die göttliche Liebe immer bei uns ist, können wir die Annahme zurückweisen, daß wir dringend benötigte Ideen missen könnten. Alle Ideen Gottes sind hier und jetzt gegenwärtig, weil Gott unendliche Substanz ist, das göttliche, alles in sich schließende Gemüt. Und das Gemüt wird ununterbrochen vom Menschen zum Ausdruck gebracht. Diese geistige Identität ist Ihr und mein wahres Sein. Diese Tatsache anzunehmen benötigt keine Zeit noch besondere intellektuelle Fähigkeiten. Es erfordert einzig unsere Bereitschaft, Gott in uns wirken zu lassen und Seiner liebevollen Führung zu vertrauen. Das bedeutet aber auch, daß wir unsere eigene vermeintliche Originalität in Frage stellen sollen. Wir müssen willig sein, auf Gottes Befehle, Seine Ideen, zu „warten", um dann — im Bewußtsein Seiner unfehlbaren Güte und Leitung — „vorwärtszudringen".
Auf Gott warten bedeutet, uns zu vergewissern, daß wir „in dem sind, was unseres Vaters ist", um Jesu Worte frei wiederzugeben. Oder wie Paulus im ersten Brief an die Korinther von sich und seinen Mitchristen sagte: „Wir sind Gottes Mitarbeiter." Und unsere Arbeit besteht darin, Gott zum Ausdruck zu bringen. Da Er für Seine ganze Schöpfung sorgt, gibt Er uns all die Ideen, die wir brauchen, um die Bedürfnisse unserer Mitmenschen wie auch unsere eigenen in der rechten Weise befriedigen zu können. Als Seine Mitarbeiter sind wir immer mit allen nützlichen Ideen versorgt, und außerdem werden wir auch angeleitet, sie richtig anzuwenden.
Ich erinnere mich gern an eine Erfahrung, die schon eine Reihe von Jahren zurückliegt. Sie hat mir in meiner beruflichen Tätigkeit und auch bei anderen Arbeiten immer wieder viel geholfen.
An einem Montag wurden Schulbesuche unseres Direktors angesagt. Ich vermutete mit gutem Grund, daß er am nächsten Tag mit meiner Klasse beginnen würde. (Und so war es dann auch.)
Zu jener Zeit war ich Vorstandsmitglied in unserer Zweigkirche Christi, Wissenschafter. Am Abend vorher hatten wir noch eine lange Vorstandssitzung, so daß ich erst gegen Mitternacht nach Hause kam. Als ich darüber betete, ob ich aufbleiben und meine Vorbereitungen für den Unterricht am kommenden Tag nochmals durchgehen sollte, wurde mir eine wichtige geistige Tatsache klar: Als „Gottes Mitarbeiter" konnte ich auf mein Gebet vertrauen. Da ich nie vom Gemüt getrennt sein konnte, würde ich jederzeit alle Ideen zur Verfügung haben, die ich brauchte. Ich betete, um diese geistige Tatsache voll zu erfassen; dann ging ich schlafen. Am Morgen stand ich frühzeitig auf und studierte die wöchentliche Bibellektion im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft.
Als ich zu Beginn des Unterrichts zum Schulzimmer kam, erwartete mich der Direktor an der Tür, wie ich vermutet hatte. Die Unterrichtsstunde verlief gut. Neue Ideen entfalteten sich, wie ich sie — selbst nach längerer didaktischer Vorbereitung — kaum hätte entwickeln können, und die Lehrlinge arbeiteten aktiv mit. Der Direktor gab seiner Freude über die interessant gestaltete Lektion Ausdruck, und ich war demütig dankbar für diesen Beweis der immergegenwärtigen göttlichen Hilfe.
In ihrer Antwort auf die Frage „Was ist der Mensch?" schreibt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit: „Der Mensch ist nicht Materie; er besteht nicht aus Gehirn, Blut, Knochen und anderen materiellen Elementen. Die Heilige Schrift belehrt uns, daß der Mensch zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist." Und einige Zeilen später lesen wir: „Er ist die zusammengesetzte Idee Gottes und schließt alle richtigen Ideen in sich ..."
Diese Vorstellung, daß der Mensch eine „zusammengesetzte Idee" ist, bereitete mir lange Zeit Mühe, bis ich verstehen lernte, daß sie nicht mit einem Puzzle verglichen werden darf, das erst dann das vollständige Bild wiedergibt, wenn alle Teile richtig zusammengefügt sind. Vielmehr machen alle Ideen immer die Ganzheit der Schöpfung aus; so wird Freude zum Beispiel durch Frieden weder eingeschränkt noch verdrängt. Beide haben in ihrer ganzen Fülle Platz; und das gilt nicht nur für mich, sondern auch für Sie, ja für jeden.
Das macht uns klar, warum eine Idee nicht anderen den Platz streitig machen kann. Alle Ideen Gottes sind immer harmonisch beieinander und lassen Seine Herrlichkeit erkennen, wie Paulus in seinem Brief an die Kolosser schrieb: „Denn in [Christus] wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist."
Ideen füllen unser Bewußtsein, wenn wir Gott als die einzige und unendliche Quelle der Inspiration erkennen und anerkennen. Freude und Dankbarkeit brechen die Mauer der Selbstsucht und Begrenzung ab. Wir freuen uns, daß wir die Fülle der göttlichen Ideen, die durch den Menschen zum Ausdruck kommen, sehen und anwenden können. Und wir sind dankbar für das Verständnis, daß diese Fülle nicht nur unbegrenzt und unteilbar ist, sondern auch jedem zur Verfügung steht.
Wenn wir die Wahrheit erkennen und akzeptieren, daß alle Ideen und Eingebungen von Gott kommen, wird unser Leben produktiver, und wir sind imstande, auch anderen zu helfen. Dann können die Antworten, die wir als Eltern, Freund oder Nachbar geben, ein ganzes Leben verändern. Ferner wird unsere klare und ehrliche Behandlung ihrer Fragen nicht nur uns den verdienten Fortschritt in der rechten Richtung bringen, sondern alle Beteiligten segnen.
