Unser Unmittelbarster „Nächster" ist wohl unser Ehemann oder unsere Ehefrau. Christus Jesus gab uns zu verstehen, daß Verheiratete „nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch" sind. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Die Ehe sollte eine Vereinigung der Herzen bedeuten."
Jeder hatte mich und meinen Verlobten gewarnt, daß eine Ehe zwischen uns schwierig würde. Er war Medizinstudent, und ich war Christliche Wissenschafterin. Während ich um Führung betete, versuchte mein Verlobter, möglichst viel über die Christliche Wissenschaft in Erfahrung zu bringen, um entscheiden zu können, ob er mit einer Christlichen Wissenschafterin in zusammenleben könnte. Nach drei Jahren heirateten wir schließlich. Gemeinsam lernen wir erkennen, daß es nur einen Gott, einen Christus, eine Wahrheit, eine Kirche gibt.
Von der Vorstellung, daß es zwei Glaubensbekenntnisse gebe — seins und meins —, wurde ich frei, als ich mich mit dem Gebet des Herrn näher befaßte. Wir hatten vereinbart, daß unsere Kinder bis zum zwölften Lebensjahr die Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft besuchen sollten. Eines Sonntagsmorgens gestand mir mein Mann jedoch, daß er diese Zusage bitter bereute. Mir lag schon auf der Zunge, daß er nicht ehrenhaft handelte, aber dann setzte sich doch schnell eine vernünftige Reaktion durch: „Es sind auch seine Kinder, und er liebt sie. An seiner Stelle wäre mir genauso zumute gewesen. Doch so werden wir sie innerlich zerreißen." Die Vorstellung, daß das lebendige Kind in zwei Teile geteilt wurde, erinnerte mich an den Test, den Salomo anwandte, um die wahre Mutter eines Kindes zu bestimmen. (Siehe 1. Kön 3:16–28.) Ich schlug daher meinem Mann vor, daß er unsere beiden kleinen Töchter an jenem Morgen in die Sonntagsschule seiner Kirche mitnahm.
Sehr erfreut brach er auf. Ich blieb in der bitteren Überzeugung zu Haus, daß ich im Wettstreit zwischen seiner Religion und der meinen versagt hatte. In meiner Verzweiflung befaßte ich mich intensiv mit dem Gebet des Herrn und seiner geistigen Auslegung, die uns Mary Baker Eddy in Wissenschaft und Gesundheit gibt. Sofort strömte die folgende heilende Botschaft in mein Denken: „Gott ist Vater und Mutter, der Eine, harmonisch. Es gibt nur eine Wahrheit, eine Kirche — nicht seine oder meine, sondern unsere. Unsere Kleinen sind Gottes Kinder, heil und sicher. Er bestimmt ihr Leben." Mir war auch ganz klar, daß zwischen Gott und meinem Mann eine geistige Beziehung bestand.
Sie kamen eine Stunde später heim, als ich erwartet hatte. Mein Mann war noch immer fröhlich. Er erklärte, es habe so lange gedauert, weil sie zwei Sonntagsschulen besucht hätten: zuerst die seiner Kirche, die früher stattfand, und dann die meiner Kirche. Er sagte mir, ihm sei mitten in der Predigt klargeworden, daß es schon seine Richtigkeit habe, daß die Mädchen die Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft besuchten.
Vor der Hochzeit hatte sich mein Mann (dem es nur um die Gesundheit, nicht um die Heilmethode ging) auch damit einverstanden erklärt, daß ich zuerst einen Ausüber der Christlichen Wissenschaft anrufen könne und ärztliche Hilfe nur in Anspruch genommen würde, wenn es sich um einen Notfall handelte oder wenn die Erkrankung trotz christlich-wissenschaftlicher Behandlung unverhältnismäßig lange andauerte. Für einen Arzt ist das eine aufgeschlossene und liebevolle Haltung. Ich mußte also nur die Christliche Wissenschaft anwenden.
Als wir noch jung verheiratet und unsere Kinder klein waren, war mir nicht ganz klar, wie die Christlichen Wissenschafter täglich durch Gebet aktive Vorbeugung betreiben. Außerdem akzeptierte ich noch immer die begrenzende Vorstellung, daß es zwei Willen gebe zwei Heilungssysteme und letztendlich zwei Götter. Ich hatte noch nicht gelernt, wie ich demonstrieren sollte, was Mrs. Eddy in den Vermischten Schriften über den Christlichen Wissenschafter sagt: „Seine Medizin ist Gemüt — das allmächtige und allgegenwärtige Gute. Seine, Hilfe kommt von dem Herrn', der Leib und Gemüt, Kopf und Herz heilt, die Neigungen wandelt, die irregeleiteten Sinne erleuchtet und die Sünde und den sterblichen Sünder gleichermaßen kuriert. Gottes Heilmittel für die Kranken sind Verabreichungen von Seinem eigenen Wesen. Seine Heilweise ist ein Gegenmittel gegen die Leiden des sterblichen Gemüts und Körpers."
Unser ältester Sohn war noch ein Baby, als er eines Tages Fieber und einen sehr schlimmen Ausschlag bekam. Mein Mann drängte mich sofort dazu, einen Kinderarzt aufzusuchen. Mich überkam Furcht, doch nahm ich mir zunächst die Zeit, eine Ausüberin der Christlichen Wissenschaft anzurufen; sie bat mich, laut zu wiederholen: „Dieses Kind ist vollkommen gesund. Es gibt nur ein Gemüt, und dieses Gemüt ist Gott." Sie wies mich darauf hin, daß auch der Kinderarzt erkennen Konnte, was wahr ist. Auf dem Weg zum Kinderarzt befolgte ich das, was sie mir gesagt hatte. Der Arzt untersuchte unseren kleinen Sohn sehr gründlich. Erleichtert wandte er sich mir mit einem strahlenden Lächeln zu und sagte: „Dieses Kind ist vollkommen gesund." Mein Gebet war erhört worden mit einem Beweis für die Macht des göttlichen Wortes, einem Beweis, der sich sogar darin kundtat, daß selbst der Kinderarzt die Worte der Wahrheit aussprach, die ich zu verstehen gesucht hatte. Die tiefe geistige Wahrheit ist die, daß der Mensch vollkommen ist und es immer gewesen ist. Gott weiß das, und der Kinderarzt freute sich darüber, daß er das gesehen hatte. Ebenfalls der Vater des Kindes.
Etwa zur gleichen Zeit gab mir unser alliebender Gott einen weiteren Beweis dafür, daß jeder von uns die Gnade ausdrückt, die uns „gegeben [ist] nach dem Maß der Gabe Christi" (Epheser). Eine Frau erzählte mir, daß mein Mann ihrem Baby das Leben gerettet habe. Die Atmung des Kindes hatte versagt, und die Eltern hatten es in größter Eile ins Krankenhaus gebracht, wo sie ihr Arzt bereits erwartete, um einen Luftröhrenschnitt vorzunehmen. Sie sagte, bei ihrem Eintreffen sei mein Mann zufällig auch gerade im Raum gewesen. Er nahm ihr die Kleine aus dem Arm und wiegte sie in seinen Armen. Das Baby fing an zu atmen. Das Gesicht der Kleinen nahm wieder die normale gesunde Farbe an. Die Mutter sagte, sie sei überzeugt, daß ihre Kleine durch die Liebe gerettet worden war, die mein Mann zum Ausdruck gebracht hatte. Als ich das hörte, wurde mir bewußt, daß sie die heilende Macht der göttlichen Liebe wahrgenommen hatte, die Kundwerdung des einen Christus, der individuell zum Ausdruck kommt.
Mein Mann und ich konnten bei vielen Gelegenheiten beweisen, daß wir einander im rechten Verhältnis ergänzen und „einer den andern in Liebe [erträgt]" (Epheser). Er sagt, der Umstand, daß er Arzt sei, habe mich dazu gezwungen, die Christliche Wissenschaft auch wirklich anzuwenden, statt mich nur zu ihr zu bekennen. Die Tatsache, daß ich mich immer mehr auf die eine unendliche Quelle des Guten verließ, auf das eine Gemüt, auf das alltätige Prinzip, Gott, hat ihn ermutigt, darauf zu lauschen, was ihm Gott hinsichtlich der Behandlung seiner Patienten zu sagen hatte. Und unser gemeinsames Lesen in der Bibel hat unser beider Verständnis von Gott vertieft.
Zu Beginn unserer Ehe hatte ich viele körperliche Beschwerden und war innerlich durcheinander. Heute ist mir klar, daß ich damals versuchte, beide Heilmethoden, die geistige und die materielle, miteinander zu verbinden. So befand ich mich einmal in großen Schmerzen schon auf dem Weg ins Krankenhaus, weil, wie mein Mann meinte, ein Magengeschwür aufgebrochen sei, ehe ich mich dazu entschloß, mich völlig auf Gott zu verlassen. Als ich so zusammengekauert im Auto saß, wurde mir plötzlich klar, daß ich mich nicht operieren lassen wollte. Ich erinnere mich noch daran, daß mir der bittersüße Gedanke kam: „Na ja, dann mach dich mal fix an die Arbeit."
Mit geistiger Vollmacht wurde mir bewußt, daß ich in Wahrheit Gottes unsterbliche Idee war; ich war keine Sterbliche mit einem materiellen Körper und einem eigenen, von Ihm getrennten Gemüt; noch war ich eine persönliche Seele, die für Übertretungen bestraft wurde. Ich erkannte, daß in der Sorge, die mein Mann um mich hatte, seine Liebe zu mir zum Ausdruck kam und daß diese Sorge nicht die Macht hatte, die Krankheit zu einer Wirklichkeit zu machen. Als wir im Krankenhaus ankamen, hatte ich keine Schmerzen mehr. Als dann Stunden später eine ganze Reihe Untersuchungen abgeschlossen worden war, konnten die behandelnden Ärzte keine Krankheit feststellen.
Nachdem ich mit den Jahren gelernt hatte, das metaphysische Heilen immer besser anzuwenden, gab mir Gott ein weiteres Zeichen Seiner Fürsorge: den Beweis, daß mein Mann meine Treue zur Christlichen Wissenschaft zu schätzen wußte. Ich hatte eine Verletzung am Kopf erlitten, und darüber kam es mit einem überaus besorgten Bankangestellten zu einem Wortwechsel, weil er mich unbedingt zur Notaufnahme in ein Krankenhaus schicken wollte. Schließlich rief er meinen Mann an und erklärte ihm, daß ich einen schlimmen Schlag auf den Kopf bekommen hätte und daß ich offenbar nicht mehr klar denken könne. Als das Gespräch beendet war, meinte der verblüffte Bankangestellte: „Ihr Mann sagte, ich soll Ihren Sohn anrufen; er wird sie dann nach Hause bringen. Ihr Mann erwartet Sie dort."
Etwa zur gleichen Zeit entdeckte ich in meiner Brust einen Knoten. Zunächst sagte ich meinem Mann nichts davon. Ich befürchtete, daß er darauf bestehen würde, daß durch eine Untersuchung geklärt würde, ob die Geschwulst bösartig sei. Ich setzte mich mit einer Ausüberin in Verbindung. Die Furcht in mir war riesengroß. Aber noch mehr beunruhigte mich, daß ich mich dadurch von meinem Mann entfremdete. Sehr bald wurde mir klar, daß ich in dieser Beziehung, in die mich Gott hineingeführt hatte, Vertrauen aufbringen mußte. Nachdem mein Mann den Knoten untersucht hatte, erklärte er sich bereit, meine Entscheidung, mich absolut auf Gottes heilende Macht zu verlassen, zu unterstützen. Mit unwahrscheinlich großer Liebe und enormem Mut vertraute er mich nicht nur der Obhut der Ausüberin an, sondern er las auch mit mir die Bibelstellen, die sie mir auftrug.
Schon bald verstand ich immer besser und voller Freude, was es heißt zu leben. Es wurde mir immer klarer, daß der eine Gott mein Leben ist. Und ich erkannte, daß ich niemals von meinem Mann, von meinen Kindern, meinen Lieben getrennt werden konnte. Mein Mann ging jeden Morgen mutig seiner Arbeit nach, wenn er jedoch abends nach Hause kam und mich sah, brach er in Tränen aus. Der Knoten war noch immer da.
Eines Nachmittags war ich plötzlich darüber entrüstet, daß mein Mann meinetwegen solche seelischen Qualen ausstand. Die Erklärungen, die mir so viel Trost gaben, erschienen ihm so unvernünftig. Laut flehte ich Gott an: „Warum kannst Du nicht so zu ihm sprechen, daß er es verstehen kann? Er gibt sich doch so viel Mühe!" Damit war der Bann gebrochen. Ich mußte über meine eigene Dummheit lachen. Welch ein Pharisäer war ich doch gewesen, daß ich glaubte, jemand, der kein Christlicher Wissenschafter ist, könne Gottes Botschaft nicht verstehen — daß er Seine Sprache nicht begreife. Natürlich spricht Gott ohne Unterschied zu jedem einzelnen. Ich wußte, daß mein Mann niemals von der Quelle seines Seins getrennt werden Konnte. Mein Mann hatte kein separates sterbliches Gemüt, das ihn über meinen Zustand unterrichtete und ihm die Furcht einflößen konnte, daß er mich verlieren könne, oder ihn glauben machen konnte, daß es einen Gott gebe, bei dem ehrliches Gebet auf taube Ohren stößt. Es gibt nur ein Gemüt, einen Gott, der ihn ewiglich auf unendliche, liebevolle, weise Art unterrichtet. Und überdies brauchte ich mich nicht dazwischenzudrängen. An jenem Abend kam er lächelnd nach Hause. Er sagte nur, er habe das Gefühl, daß alles mit mir in Ordnung sei. Und die Symptome waren natürlich alle verschwunden; ich war geheilt.
In den Vermischten Schriften schreibt Mrs. Eddy über die Ehe, „. .. daß sie oft zweckdienlich, manchmal angenehm und gelegentlich eine Sache der Liebe ist". Das Verständnis, daß Gott das einzige Gemüt ist, hat unsere Liebe zueinander gesegnet und hat auch unsere Kinder gesegnet. Mein Mann brauchte nicht viele Jahre, um herauszufinden, daß er, wie er sagt, mich am liebsten mag, wenn ich „eine gute Christliche Wissenschafterin" bin.
Der Apostel Paulus verstand durchaus, was es bedeutet, in der Liebe eins zu sein: „Lebt. .. in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung: ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen. Einem jeden aber von uns ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi." (Epheser). Wenn wir das lernen, wird es uns immer leichter fallen, unseren unmittelbarsten Nächsten zu lieben.